Blaues Umweltsiegel für nachhaltige Fischerei im Verdacht

Skipjack oder Echter Bonito. Thunfisch ist das wichtigste Exportgut der Malediven. Bild: Bernd Schröder

Ein WWF-Leak beleuchtet einige Besonderheiten des bekanntesten Ökosiegels für Fischereiprodukte

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Laut einem geleakten Bericht des World Wide Fund for Nature (WWF) hat der Marine Stewardship Council (MSC) über seine Einnahmen aus dem Einsatz des blauen Umweltsiegels möglicherweise einen Interessenkonflikt. Außerdem verfolge der MSC eine aggressive, global ausgelegte Wachstumsstrategie. 2020 sollen 20% des weltweit angelandeten Fischs MSC-zertifiziert sein. Ein besonderes Augenmerk gelte den Thunfischereien der Erde.

Dabei sieht sich der MSC selbst als gemeinnützige internationale Organisation, die angetreten ist, um Lösungen zum Problem nicht nachhaltiger Fischereien zu fördern.

Das Einkommen des MSC stammt aus Spenden und der Logo-Lizensierung. Die Produzenten zahlen dem MSC eine Gebühr, die 0.5% des Handelswertes ihrer Ware entspricht, um das Logo auf der Verpackung zu verwenden. Die Lizenzgebühren aus der Nutzung des MSC-Logos haben in den letzten Jahren stark zugenommen und machen mittlerweile fast drei Viertel des MSC-Einkommens oder 14 Millionen Britische Pfund jährlich aus.

Kritische Stimmen zu möglichen Interessenkonflikten hatten bereits die Rolle der Zertifizierer bei einer ergebnisorientierten Interpretation der bestehenden Kriterien beleuchtet. Die Einnahmen des MSC selber und daraus möglicherweise folgende Interessenkonflikte hinsichtlich seiner Rolle als Normgeber standen noch nicht im Fokus des Interesses.

Beim WWF sieht man nun die Gefahr, dass der MSC ein finanzielles Interesse an Zertifizierungsergebnissen hat, besonders hinsichtlich der Erhöhung seiner Einnahmen aus der Logo-Lizensierung und einer Durchdringung des globalen Thunfischgeschäfts. Umfassende Beweise hätten sich angesammelt, aus denen sich ein Konflikt für die Rolle des MSC als unabhängige, unparteiische und normgebende Institution ableiten ließe.

Beim WWF denkt man nun darüber nach, wie man sich verhält, sollte es tatsächlich an dem sein. Nach Angaben der Times vermeldete der WWF, der geleakte Bericht sei der "Entwurf eines internen Papiers, der nicht begutachtet, faktisch geprüft oder durch Meinungsvielfalt ausgeglichen wurde".

"Die MSC hat eine geschätzte und langjährige Partnerschaft mit dem WWF. Wir sind enttäuscht von den unbegründeten Behauptungen dieser Arbeit und sehen sie im Widerspruch zum weltweiten Engagement des WWF und der Arbeit mit dem MSC", sagte David Agnew, MSC-Direktor für Wissenschaft und Standards, im Gespräch mit der Times. Gegenüber Undercurrent News betonte der MSC, er mache keinen Gewinn aus der Zertifizierung der Fischereien: die würden unabhängig vom MSC durch akkreditierte Dritte durchgeführt, mit denen der MSC keine finanziellen oder geschäftlichen Interessen teile. Die Kosten einer Zertifizierung selber variieren mit der Größe und Komplexität einer jeweiligen Fischerei und sind meist zwischen 15.000 und 120.000 US-Dollar angesiedelt.

"Schizophren": Skipjack hui, Yellowfin pfui?

Der WWF war mit dem MSC über die Zertifizierung der Thunfischerei im Indischen Ozean aneinandergeraten. Im April hatte der Zertifizierer DNV-GL das MSC-Zertifikat für die Gelbflossenthun-Komponente der Malediven-Thunfischerei suspendiert, das für Skipjacks jedoch aufrechterhalten - eine Entscheidung, die der WWF als "schizophren" einstuft.

Die Thunfischkommission des Indischen Ozeans (IOTC) hatte zuvor berichtet, dass die massive Zunahme des Fischereiaufwands in den letzten Jahren den Fischereidruck im gesamten Indischen Ozean erheblich erhöht hat. Dem Gelbflossenthun wurde vom wissenschaftlichen Komitee der IOTC infolge von Überfischung und relativ niedrigen Reproduktionsniveaus ein signifikanter Rückgang seiner Bestände attestiert.

Obwohl Skipjack und Gelbflossenthun mit ein und demselben Managementsystem befischt werden, das nun eindeutig versagt habe, können die Malediven das MSC-Ökosiegel weiterhin für den Skipjack nutzen.

Die IOTC hatte in seiner jüngsten Bestandsaufnahme einen Mangel an effektiven Managementmaßnahmen zur vernünftigen Bewirtschaftung des Thunfisch-Reichtums eingeräumt - folglich könne es vor Ort auch keine Thunfischerei nach MSC-Standards geben. Der WWF sieht sich nun in seiner Hoffnung getäuscht, die ein Vorgang des letzten Jahres aufkeimen ließ, ein Erfolg, der dann nicht zum Präzedenzfall wurde. Erst Ende 2015 wurde die Thunfischerei von Echebastar im Indischen Ozean nach einem WWF-Einspruch als nicht MSC-konform eingestuft. Das baskische Unternehmen fischt hier mit großen Ringwadenfängern Skipjack Gelbflossen- und Großaugenthun. Die Fischerei der Malediven hingegen ist eine Angel- und Leinenfischerei, die die Einlösung des Traums vom nachhaltig gefangenen Thun suggeriert, ein Marketing-Mehrwert für die umweltbewusste Klientel des Westens - trotz der industriellen Ausmaße des Fangs (MSC-Angaben 2014: 138.000 Tonnen).

Gegenwärtig sind 17 Thunfischereien weltweit MSC-zertifiziert oder werden gerade dahingehend bewertet. Als erste erhielt 2007 die American Albacore Fisheries Association das MSC-Ökosiegel. Die Entwicklung wird von einer anderen begleitet: Ein wesentlicher Anteil des Fangs europäischer Fischereifahrzeuge außerhalb der europäischen Gewässer entstammt partnerschaftlichen Fischereiabkommen der Europäischen Union mit Entwicklungsländern, und in diesen Abkommen gewinnt der Fang tropischer Thunfische ständig an Bedeutung.