Bleifuß im Daumen
Kein anderes Genre ist derzeit für die Playstation Portable so beliebt wie das der Rennspiele. In jedem dritten Titel kann der Spieler inzwischen das Gaspedal mit dem Daumen durchdrücken - egal, ob er auf der Rückbank eines Porsches, im D-Zug oder auf dem heimischen Sofa sitzt
Die derzeitigen Spritpreise drücken nicht nur deutschen Asphaltcowboys aufs Gemüt. Wer seinen Geschwindigkeitsrausch nicht mehr real ausleben kann, für den bieten sich virtuelle Ersatzdrogen an, die man dank Sonys PSP inzwischen auch unterwegs genießen kann. Von den 23 Starttiteln der Konsole waren alleine sieben Rennspiele dabei, jetzt gesellt sich mit "Burnout Legends" von Electronic Arts der achte Titel hinzu.
Während das Genre auf anderen Plattformen nur eines unter vielen war, wird es für die PSP zur System tragenden Philosophie. Was Ego-Shooter und Strategiespiele für den PC, sind Rennspiele in jedweder Ausrichtung für die Mobilkonsole. Die Auswahl wird dabei nicht mehr nur von spielerischen Vorlieben, sondern auch vom Lebensstil bestimmt. Während Nerds bei DTM jede Schraube für die richtige Straßenlage justieren, lassen es Punks in Burnout richtig krachen.
Attraktiv ist das Genre besonders, weil es die technischen Möglichkeiten der Konsole ausnutzt und jeder sofort begreift, worum es geht. Die Rennen dauern selten länger als einige Minuten, sind also genau richtig für ein kurzes Intermezzo. Ego-Shooter sind hingegen schwer steuerbar, wie das eintönige "Coded Arms" von Konami beweist, und ausufernde Rollenspiele a la "Untold Legends" sind eher was für gediegene Spielabende vorm heimischen PC oder Fernseher.
Die richtige Balance müssen die Hersteller derweil noch bei den Ladezeiten finden: Komplexe Simulationen mit einem großen Rennareal brauchen mehr als 30 Sekunden zum Laden eines Rennens, simple Arcade-Racer sind hingegen bereits nach wenigen Sekunden startbereit. Um die Auswahl zu erleichtern, haben wir uns die acht bisherigen Renner einmal genauer angeschaut. Spielspaßwertungen auf einer Skala von 1 (grottig) bis 10 (superb) finden Sie am Ende der Besprechungen.
"Ridge Racer" (Namco) war einer der ersten Titel, als die PSP in Japan vor einem dreiviertel Jahr auf den Markt kam. Für die PSP wurde die bisherige Version der Playstation 2 grafisch gehörig aufpoliert, ohne dass die Framerate darunter leiden musste. Eine Mogelpackung sind allerdings die 24 Strecken, von denen bei genauem Hinschauen nur sechs übrig bleiben, die mit unterschiedlichen Abzweigungen in zwei Richtungen befahrbar sind. Das Spiel verzichtet auf ein Schadensmodell und lässt den Spieler in aberwitzigen Geschwindigkeiten um die Kurven rutschen.
Besonders Anfänger werden den leichten Schwierigkeitsgrad lieben. Ohne allzu große Anstrengung hat man die elf vorausfahrenden Fahrzeuge schnell überholt. Dazu perlt entspannende Trance- und Club-Musik aus den Ohrhörern. Hier kann man relaxen und von der großen Freiheit träumen, die einem die Autowerbung so gerne weismachen will und die man in den verstopften Innenstädten nie findet. (8)
In den USA war hingegen "Wipeout Pure" (Sony) der Überflieger der Saison. Bei diesem futuristischen Rennspiel gleitet man ohne Bodenhaftung über quietschbunte Achterbahnkurse. Um Gegner auszuschalten, beschießt man sie mit Raketen oder streut Minen und Bomben aus. 16 Strecken sind bereits auf der UMD, 16 weitere kann man sich in den kommenden Wochen von der Webseite laden.
Die Spielbalance ist den Programmierern aus Liverpool besonders gut gelungen: Während Anfänger sich bei gemächlichem Tempo an die kurvenreichen Strecken gewöhnen, verlieren in den höchsten Geschwindigkeitsstufen selbst Profis die Kontrolle über ihre Gleiter. Die Computergegner sitzen einem dabei stets im Nacken und sorgen für so manches Hertzschlagfinale. Dazu hämmern Techno- und Trance-Stücke von Aphex Twin oder Photek aus den Ohrstöpseln. An dieser Adrenalinspritze müssen sich die anderen Titel messen. (9)
Zuschauer der MTV-Tuning-Show "Pimp my Ride" sind hingegen die Zielgruppe von "Need for Speed Underground Rivals" (Electronic Arts) und "Midnight Club 3: Dub Edition" (Rockstar Games). Hier gilt es, illegale Rennen durch nächtliche Innenstädte zu gewinnen und mit dem Preisgeld nach und nach sein Auto aufzumotzen.
Electronic Arts hat jedoch die PC- und Konsolenfassung von Need for Speed stark kastriert und das nächtliche Cruisen auf der Suche nach neuen Aufträgen komplett gestrichen. Statt dessen geht's aus dem Menü sofort an den Rennstart, wo man unter den aggressiven Klängen von Hardcore-Bands wie The Bronx oder Rise against versuchen muss, die nächste Kurve zu kriegen. Das ist leichter gesagt als getan, denn die Flitzer kleben geradezu am Asphalt und sind nicht zum Schleudern zu bewegen. So richtig in Rage kommt man, wenn einem auf der Zielgeraden aus der Seitenstraße ein Postauto in die Seite fährt und abrupt zum Stehen bringt, während die im Pulk fahrenden Verfolger an einem vorbeiziehen. Die Steuer- und Performance-Probleme der US-Fassung wurden zwar beseitigt, vom Geschwindigkeitsrausch eines "Ridge Racer" kann "Need for Speed" aber nur träumen. (6)
Ein echter Pimp greift deshalb besser zu Midnight Club 3, bei dem Rockstar nahezu alle Details aus den PC- und Konsolen-Versionen übernommen hat und in der kleinen PSP eine komplette Stadt simuliert. Hier kann man nach Herzenslust die Straßen nach den nächsten Gegnern abklappern, während fette Hip-Hop- und Dancehall-Beats von M.I.A. oder Sean Paul aus dem Boxen wummern. Über hundert Stücke hat Rockstar auf die UMD gepackt und hängt damit die Konkurrenz meilenweit ab.
Bei den Rennen markieren gelbe Rauchbomben den nächsten Kontrollpunkt. Über welche Abzweigung man dorthin gelangt, bleibt einem selbst überlassen. Die US-Fassung fiel bei den Kritikern durch immens lange Ladezeiten von über 70 Sekunden durch, in Europa wartet man immerhin noch rund 35 Sekunden auf das nächste Rennen. Das ist - angesichts der riesigen Innenstädte, die einem geboten werden - gerade noch zu verschmerzen. Technisch sicherlich der beeindruckendste PSP-Titel. (8)
Während Need For Speed Metaller und Midnight Club Hip-Hopper bedient, kommen Punks bei "Burnout Legends" (Electronic Arts) auf ihre Kosten. Burnout ist kein Rennspiel im klassischen Sinne, sondern eher eine Verschrottungsorgie.
Während bei allen vorangegangenen Rennen die Autos nicht mal einen Kratzer bekommen, wenn man mit Tempo 200 vor einen Betonpfeiler rast, gilt es bei Burnout Legends, die gegnerischen Autos so zu rammen, dass sie möglichst großen Schaden nehmen und einem in Zeitlupe um die Ohren fliegen. Die geradlinigen Strecken lassen einem dazu viel Platz. Das Tempo ist geradezu irrwitzig, die Bremse unnötiger Firlefanz. Burnout kennt nur zwei Geschwindigkeiten: schnell und - wenn man den Nitro-Antrieb hinzuschaltet - noch schneller. Die Songauswahl konzentriert sich derweil auf junge US-Punkbands, die Green Day und Blink 182 nacheifern. Insgesamt recht kurzweilig, aber nach gut 20 Minuten verkrampfen sich Hände und Augäpfel wegen Reizüberflutung. (7)
Kommen wir zu den seriösen Vertretern des Rennsports: So will Sony mit "F1 Grand Prix" Fans der Königsklasse ansprechen. Doch das laue Fahr- und Schadensmodell vergrault selbst die treuesten Anhänger. Alle Fahrzeuge schalten automatisch und kleben auf der trockenen Fahrbahn, als ob es in ihrem Universum niemals Schlupf-Probleme und blockierende Bremsen geben würde. Lediglich die automatische Bremshilfe lässt sich für "mehr Realismus" abschalten. Das laute Motorengesurre überdeckt die Musik fast völlig, sodass man sie genau so gut abschalten kann. Weltmeisterlich sind einzig die kurzen Ladezeiten von nur wenigen Sekunden. Ansonsten sitzt F1 zwischen den Stühlen, vergrault Gelegenheitsfahrer mit biederer Aufmachung und Simulationsfans durch sein simples Fahrmodell. (3)
Wer es realistisch mag, hält sich daher besser an die Rennsimulationen von Codemasters, die mehr oder minder originalgetreu von ihren Konsolen- und PC-Vorbildern umgesetzt wurden. "Colin McRae 2005 Plus" kann bereits auf eine lange Rally-Tradition zurückblicken. Maßgeblich für den Erfolg der Serie war stets das sehr akkurate Fahrmodell, das einem tolle Rutschpartien über verschlammte Pisten ermöglichte. Doch genau dieses Fahrgefühl bringt die PSP-Version nicht rüber. Wohl auch, weil der kleine Analog-Knopf eben kein Lenkrad ersetzen kann. Die knackigen Zeitlimits bleiben so selbst für Profis schier unerreichbar. Was bleibt, sind die einsamen Weiten schwedischer Schneepisten oder die sengende Hitze des australischen Outbacks, bei dem einen der Kopilot mit maschineller Genauigkeit "fünf links, dann zwei rechts und drei links in 50 Metern, nicht schneiden" befiehlt. Nur für ganz harte Fans der Serie. (5)
Und so gebührt die Realismus-Krone dem "DTM Race Driver 2". Anfänger rutschen hier erst einmal unvermittelt ins Kiesbett. Wer sein Gefährt nicht wie ein rohes Ei behandelt, sieht vom Gegner nur noch die Rücklichter, denn selbst kleinere Auffahrunfälle streuen Sand ins Getriebe und senken die Fahrleistungen erheblich - der Gegenentwurf zu Burnout Legends.
Eingebettet sind die Rennen in die Geschichte eines aufstrebenden Rennfahrers, der um die ganze Welt von einer Meisterschaft zur anderen jettet. Die etwa 30-sekündigen Flugzeiten nutzt das Programm zum Laden der nächsten Strecke - DTM eignet sich also genauso wenig für ein kurzes Rennen in der Frühstückspause wie Colin McRae oder Midnight Club. Nicht zuletzt wegen des hohen fahrerischen Anspruchs sollte man für die insgesamt 51 Rennstrecken lieber ein ungestörtes Plätzchen aufsuchen.
Bei der musikalischen Untermalung legt sich DTM auf keinen Stil fest. Codemasters stellt auf seiner Webseite eine Konvertierungssoftware zum Download bereit, mit dem man eigene Musikstücke für die PSP konvertieren und in das Programm einbinden kann. (7)
Schon jetzt findet man für die PSP also eine breite Palette an Rennspielen. Das Führungstrio von Wipeout, Midnight Club und Ridge Racer dürfte einer großen Bandbreite von Spielern gefallen. DTM und Burnout Legends sind wie Feuer und Wasser und sprechen ihre jeweiligen Anhänger an. Abgehängt wurden hingegen Need for Speed, Colin McRae und F1, die beim hohen Niveau des übrigen Rennfelds nicht mithalten können.
Insgesamt fällt die allgemein geringe Innovationsfreude der Hersteller negativ auf. Bei allen Rennspielen handelt es sich um Ableger bereits erfolgreicher Konsolen-Titel, die aufgrund der vergleichbaren Rechenleistung der PSP zur PS2 relativ einfach umzusetzen sind. Eigenentwicklungen für die PSP sind bisher Mangelware. Einen ersten Vertreter hat Sony mit "Gripshift" angekündigt, bei dem man die Rennstrecken mit einem Editor selbst bauen kann und mit seinem Renner vertrackte Hindernisse überwinden und Rätsel lösen muss.