Bloomberg: Russen lehnten iranische S-400-Kaufofferte ab

S-400-Transportcontainer-Schnittmodell mit Lenkwaffe 48N6E3. Foto: CC BY-SA 4.0

Kreml-Sprecher Peskow bestätigt die Meldung nicht, dementiert sie aber auch nicht richtig

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Der Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg wurde ihren eigenen Angaben nach von einem hochrangigen russischen Staatsdiener und einer weiteren "mit der Sache vertrauten" Person darüber informiert, dass der russische Staatspräsident Wladimir Putin eine iranische Kaufofferte für das Raketenabwehrsystem S-400 Triumf abschlägig beschieden hat. Kremlsprecher Dmitri Peskow meinte auf Anfragen dazu, er "verfüge nicht über solche Informationen", bei denen man ganz allgemein "Vorsicht walten lassen" müsse.

Ein eher schwaches Dementi, das viel Raum für Spekulationen darüber lässt, ob die beiden Bloomberg-Informanten wirklich anonym bleiben wollten, weil sie keine offizielle Genehmigung hatten, ihre Informationen weiterzugeben - oder ob Moskau nicht über diesem Umweg der US-Administration und der Welt seine Position dazu mitteilen wollte, ohne Teheran durch die offizielle Weitergabe eines vertraulich geäußerten Geschäftsangebots zu sehr vor den Kopf zu stoßen. Außerdem könnte man durch so eine inoffizielle Nachfragebekanntmachung bei Rivalen des Iran und anderen Drittländern indirekt für das Raketensystem werben. Vertreter der iranischen Staatsführung äußerten sich dazu bislang nicht (was aber vielleicht auch daran liegt, dass das Wochenende im schiitischen Gottesstaat am Donnerstag beginnt).

Auch Saudis interessieren sich für S-400

Zu den Gründen für die russische Weigerung, dem Iran das Raketenabwehrsystem zu verkaufen, zitiert Bloomberg Ruslan Pukhov vom Moskauer Zentrum für die Analyse von Strategien und Technologien (CAST). Er äußert die Auffassung, dass in der derzeitigen angespannten Situation nach der Kündigung des Atomabkommens, der Verlegung amerikanischer Schiffe an den Persischen Golf und der Terror- und Sabotagevorwürfe gegen Teheran "jede Stärkung des Iran zu einer Eskalation führen kann". Außerdem hätte ein S-400-Verkauf an Teheran nicht nur der Beziehung Moskaus zu Washington, sondern auch denen zu Saudi-Arabien massiv geschadet - einem weiteren Triumf-Interessenten.

Potenziell verärgern könnte die russische die amerikanische Staatsführung aber auch dann, wenn sie S-400 nicht an den schiitischen, sondern an den wahhabitischen Gottesstaat verkauft. Der ist zwar kein offizieller Feind der USA - aber ein Verbündeter, der viele amerikanische Waffensysteme einsetzt. Über solche Waffensysteme kann ein mit viel IT ausgestattetes System wie Triumf viele Informationen sammeln. Informationen, von denen nicht ausgeschlossen ist, dass sie auch in die Hände des S-400-Herstellers gelangen.

Das ist zumindest die offizielle Washingtoner Begründung dafür, warum die Amerikaner die Türken vor die Wahl gestellt haben, entweder auf die bestellten amerikanischen F-35-Kampfflugzeuge oder auf das russische Raketenabwehrsystem zu verzichten (vgl. Geschacher um Raketenabwehrsysteme). Inoffiziell könnte bei dieser Haltung auch eine Rolle spielen, dass die USA mit dem Patriot-System selbst ein Raketenabwehrsystem im Angebot haben, das sie exportieren möchten (vgl. USA wollen in Südosteuropa Russland aus dem Waffenmarkt drängen).

Türkei will nicht verzichten

Allerdings gibt es Beobachter, die bezweifeln, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis so eines Patriot-Systems besser ist als das eines S-400 (vgl. Russisches Raketenabwehrsystem S-400: "Unser System ist besser"). Deshalb kauften die Chinesen Triumf. Deshalb konnten die Amerikaner im letzten Jahr auch die Inder nicht davon überzeugen, auf das russische Raketenabwehrsystem zu verzichten (vgl. USA wollen Kauf russischer S-400-Luftabwehrsysteme durch Indien verhindern). Und deshalb unterzeichneten auch die Türken einen Kaufvertrag, der im Juli in eine Lieferung münden soll.

Um Washington zu beruhigen, hat Ankara angeboten, S-400 nur dort einzusetzen, wo keine F-35 fliegen. Bei einer Raketensystemreichweite von mindestens 400 Kilometern ist das eine gewisse Herausforderung. Den Amerikanern reicht das außerdem nicht. Sie argumentieren, das russische Raketenabwehrsystem mit dem NATO-Codenamen "SA-21 Growler" könne die Verteidigungsfähigkeit des Militärbündnisses aus dem Kalten Krieg schon alleine dadurch beeinträchtigen, dass es mit der IT eines NATO-Landes verbunden wird. Das US-Kompromissangebot, von Sanktionen abzusehen, wenn sich die Türkei verpflichtet, S-400 nach der Lieferung gar nicht zu verwenden, war wiederum dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu schlecht.