Bodybuilding für Couch Potatoes
Herrlich! Wissenschaftliche Versuche belegen, dass es möglich ist, mit geistigem Training Muskeln aufzubauen
Amerikanische Forscher haben herausgefunden, dass allein schon das angestrengte Denken an strapaziösen Workout den Bizeps oder Trizeps wachsen und gedeihen lassen kann. Ohne, dass man dafür auf herkömmliche Weise in Schweiß geraten muss. Man macht sich dabei zunutze, dass motorische Neuronen, die Muskelbewegungen verursachen, durch starke Nervenimpulse vom Gehirn besonders angeregt werden. Die Forschungsergebnisse, vorgestellt in der aktuellen Ausgabe des New Scientist, könnten z.B. bei Reha-Therapien von geschwächten Patienten erfolgreich eingesetzt werden.
Der legendäre Faulpelz Homer J. Simpson ("schlaff durch DUFF") wird von den neuesten Erkenntnissen der US-Wissenschaft sicherlich begeistert sein. Und in unserem Land, das man früher einmal als das der Dichter und Denker bezeichnet hat, bekommt das ziemlich diskreditierte Denken vielleicht eine neue Chance. Die alternde Blondine Thomas Gottschalk denkt ja, dass sie mit jungen blonden Schnepfen auf der Couch beim Publikum besonders hip ankommt. Kanzler Schröder denkt, dass er ungestraft bis zur Wahl so planlos wie sorglos weiterwurschteln darf, nüch. Stefan Effenberg wiederum denkt, dass er den FC Bayern München als Abschiedsgeschenk in dieser Saison an der vierten Meisterschaft in Folge hindern kann, ohne dass Ottmar Hitzfeld und Kaiser Franz es merken. Und RTL2-Boss Sepp Andorfer denkt, dass das deutsche Volk bereits so hirnverbrannt ist, dass es den immer wahnsinnigeren geistigen Dünnpfiff, der tagtäglich versendet wird, gedankenlos in sich reinfrisst.
Aber halt! Wenn sich der diabolische Österreicher da nicht irrt. Denn jetzt gibt es wieder Grund zur Hoffnung, dass man seine kleinen grauen Zellen mit Gewinn benutzen kann. Denken kann in der Leistungsgesellschaft auch Spaß machen, wenn für den lohnabhängigen Konsumenten etwas als messbarer Profit dabei rumkommt. Dafür gesorgt hat der Neurophysiologe Guang Yue, der an der Cleveland Clinic Foundation in Ohio arbeitet. Yue und seine Kollegen hatten bei Experimenten entdeckt, dass Fingermuskeln eines Patienten gestärkt wurden, der sich entsprechende Fingerübungen nur intensiv vor seinem geistigen Auge vorgestellt hatte.
Guang Yue erklärte sich dieses Phänomen aus der Gehirntätigkeit des Menschen. Das Hirn sendet bei der Steuerung von Körperfunktionen elektrische Impulse aus. Diese Signale wirken für die bewusste Anspannung von Muskeln auf deren benachbarte motorische Nervenzellen ein, die den Muskel selbst mit Bewegungsimpulsen zur Anspannung reizen. Das Ausmaß der Aktivierung von Motoneuronen hängt dabei von der Stärke der elektrischen Gehirnimpulse ab. Es müsste für den erfolgreichen Muskelaufbau also bereits ausreichen, so Guang Yues Überlegung, wenn mit mentaler Konzentration dafür gesorgt werde, dass die Nervenzellen entsprechend intensiv aktiviert werden.
Yue und sein Team starteten einen Laborversuch mit zehn Freiwilligen zwischen 20 und 35 Jahren. Die Probanden sollten sich fünfmal pro Woche so konzentriert wie möglich Muskeltraining ihrer Bizepse vorstellen. Die Forscher zeichneten die Gehirnströme während dieser Übungen auf. Um sicherzustellen, dass die Ergebnisse nicht durch vorsätzliche oder versehentliche tatsächliche Muskelanspannungen manipuliert wurden, wurden auch die elektrischen Impulse an Neuronen der Armmuskeln beobachtet. Alle 14 Tage wurden die Bizepsmuskeln der Testpersonen gemessen. Nach ein paar Wochen zeigte sich bei den Gehirnakrobaten ein Kraftzuwachs um 13,5 Prozent, der auch noch drei Monate nach dem Ende der Übungen anhielt.
Herrlich! Was man da sparen könnte! Endlich kein schlechtes Gewissen mehr, weil man die teure Jahreskarte vom Fitnessstudio wieder mal nur zu einem jämmerlichen Bruchteil tatsächlich genutzt hat und einem das eigene schlappe Spiegelbild höhnisch entgegengrunzt. Kein Stress mehr mit einem per Online-Shopping oder TV-Shopping ("Ist das nicht ein tolles Gerät, John? Ja, das ist ein tolles Gerät, Shirley") zum natürlich absoluten Sonderpreis gekauften Dingens, das man sich angeblich nur auf die Wampe zu binden braucht, die dann beim Fernsehen o.ä. automatisch trainiert wird. Statt einem Waschbrettbauch quasi im Schlaf hat man kurz darauf aber eher Power durch Wut auf sich selbst, weil man an sowas ernsthaft geglaubt hat.
Gerade Senioren kaufen sich ja im Allgemeinen gerne solche Fitnessgeräte. Da Guang Yue und sein Team jetzt ihre neurologischen Tests mit betagten Menschen zwischen 65 und 80 Lebensjahren fortsetzen wollen, könnte es passieren, dass der Absatz beim Shopping per TV, Internet oder Katalog spürbar zurückgehen wird. Oder auch nicht; denn der dynamische Ruheständler von heute hat vor lauter Urlaubmachen, Schwarzarbeit und Training für den nächsten Marathonlauf eigentlich eh fast keine Zeit mehr zum Denken. Denk ich mal, nüch.