Bolton: Wie man echte Staatsstreiche durchführt
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USA: Ein Argument spricht für die unglücklich agierende Regierung der Demokraten – der Unterschied zwischen Trump und Biden. Er geht uns alle an.
Biden ist in einem historischen Umfragetief gefangen und seine einzige mögliche Stellvertreterin, Kamala Harris, schafft es, auf die Außenwelt noch ungeeigneter für die Präsidentschaft zu wirken als ihr Chef.
Aber auch wenn der Präsident und die regierende Partei nicht in der Lage waren, nennenswerte Reformen zu verabschieden oder auch nur längst erstrittene Grundrechte wie das auf Abtreibung zu verteidigen, ein Argument spricht klar für diese unglückliche Regierung: Sie findet nicht unter Trump und Konsorten statt.
Denn der Unterschied zwischen Trump und Biden existiert und geht uns alle an.
Auf der einen Seite findet sich ein Präsident, der für den Flügel seiner Partei steht, welcher die progressiveren Strömungen und Forderungen aus den eigenen Reihen wie solche nach einem Green New Deal immer belächelt hat, aber selbst nicht in der Lage ist, eigene Reformen umzusetzen. Und auf der anderen Seite ein Ex-Präsident, der laut seinen Aussagen während einer seiner Wahlkampfveranstaltungen, in steigenden Meeresspiegeln kein echtes Problem sieht.
Außer Kontrolle geratene Macht
Zwar stellt die von ihrem "moderaten" Flügel dominierte Demokratische Partei in einem Zwei-Parteien-System ein Hindernis für sozialen Wandel dar, dennoch steht sie immerhin für das demokratische System ein. Ein Wesenszug, der den Republikanern fernzuliegen scheint.
Denn wie die Anhörungen des Untersuchungsausschusses zu den Unruhen des 6. Januars 2021 zeigen, agierten Trump und sein innerster Kreis vielleicht realitätsfern, sie arbeiteten aber fest daran, das Wahlergebnis der letzten Präsidentschaftswahlen umzukehren.
Dies ist nicht der erste Versuch, Trump auf rechtlichem Wege von einer weiteren Präsidentschaftskandidatur abzuhalten, aber im Gegensatz zu den beiden relativ ereignislosen Impeachment-Verfahren gegen Trump während seiner Amtszeit, deren Scheitern im Voraus feststand, bleibt es im aktuellen Verfahren etwas länger spannend.
Die Untersuchungskommission zeichnet ein beunruhigendes Bild eines außer Kontrolle geratenen Machtmenschen und seiner Umgebung. Demnach hielten Trump und seine engsten Vertrauten offenbar ein geheimes Meeting ab, um tatsächlich so etwas wie einen Coup zu planen, allerdings ohne exakt zu wissen, wie.
Slapstick und echte Staatsstreiche
Andere Episoden scheinen direkt aus einer Slapstick-Komödie entsprungen. Laut der Zeugenaussage der Ex-Mitarbeiterin des Weißen Hauses, Cassidy Hutchinson hatte der damalige Präsident versucht, von seinem Platz auf der Hinterbank der präsidialen Limousine aus, am Fahrer vorbei in das Lenkrad zu greifen, um den Wagen zurück Richtung Capitol zu lenken, nachdem der Secret Service ihm den Befehl verweigert hatte und ihn zur "eigenen Sicherheit" wieder ins Weiße Haus schaffen wollte.
Allerdings hatte Präsident wohl Schwierigkeiten, das Lenkrad durch die Öffnung zwischen den Sitzen zu erreichen. Ein absurder Moment: als habe zwischen dem Erhalt und dem Fall der mächtigsten "Demokratie" der Welt nicht mehr als die vordere Sitzreihe eines Cadillacs gestanden.
Das Magazin Intercept beschrieb die Anhörung derselben Zeugin am 28. Juni als "must-see TV" und liegt damit nicht falsch. Aber unter den amüsanten Zeugenaussagen und Kommentaren ehemaliger Gefolgsleute wie John Bolton verbirgt sich tiefer Zynismus und Demokratiefeindlichkeit.
Der ehemalige Nationale Sicherheitsberater John Bolton erklärte bei CNN, warum er Trumps Versuch, die Wahlergebnisse zu kippen und einen Aufstand anzuzetteln, nicht für einen Staatsstreich hielt – und gab stolz zu, dass er selbst an der Inszenierung mehrere Staatsstreiche gearbeitet hatte.
Es sei ein Irrtum zu glauben, dass Trump "mit sorgfältiger Planung" vorgegangen sei, so Bolton gegenüber dem Fernsehsender.
"Das ist nicht die Art und Weise, wie Donald Trump Dinge tut. Er hangelt sich von einer halbgaren Idee zu einem anderen Plan, der scheitert, und dann kommt ein anderer Plan auf."
Auf den Einwand des Interviewers Jake Tapper, man müsse nicht brillant sein, um einen Staatsstreich zu versuchen, sagte Bolton:
"Dem stimme ich nicht zu, als jemand, der bei der Planung von Staatsstreichen geholfen hat, nicht hier, aber an anderen Orten, wissen Sie. Es erfordert eine Menge Arbeit, und das ist nicht das, was [Trump] getan hat. Er ist nur von einer Idee zur anderen gestolpert.
Solche Ausrutscher zeigen, dass ein Politik-Establishment, das in seiner Ausführung US-amerikanischer Außenpolitik, die demokratische Selbstbestimmung anderer Länder regelmäßig missachtet oder verhindert, kein Problem darin sieht, ein ähnliches Vorgehen auch zu Hause zu tolerieren.
Gerichtsverfahren?
Dass Trump, der sich schon zu seiner Zeit als Bauunternehmer mit seinen Kontakten zur Mafia brüstete, eine gewisse kriminelle Energie besitzt, dürfte fast niemanden überraschen.
Auch die Anhörung wurde dann noch zum Crime-Drama, als bekannt wurde, dass Trumps Team im Vorfeld versucht hatte, die Zeugenaussage Hutchinsons zu beeinflussen.
Aber trotz solcher Episoden ist es unwahrscheinlich, dass Trump und sein innerster Kreis am Ende in einem vom Justizministerium angeordneten Gerichtsverfahren verurteilt wird. Um ein solches Verfahren einzuleiten, müssten die Demokraten sich nämlich beeilen, können sie doch davon ausgehen, den Kongress in den Zwischenwahlen zu verlieren.
Womöglich ist den Demokraten trotz aller Liebe zur Demokratie und ihren Institutionen gar nicht so sehr daran gelegen, einen Präzedenzfall zu schaffen, wonach Präsidenten nach ihrer Amtszeit von der Gegenseite vor Gericht gezerrt werden können.
Denn in einem Land, das immer noch Hegemonial-Macht über weite Teile der Welt beansprucht, ist das Amt des Präsidenten seiner Beschaffenheit nach danach ausgerichtet, dem Amtsträger Entscheidungen und Befehle außerhalb der Legalität ermöglichen.
Man sollte nicht vergessen, Nixon wurde seinerseits zwar seines Amtes enthoben, danach aber sofort begnadigt. Folglich geht es den Demokraten wahrscheinlich weniger darum, Trump zur Rechenschaft zu ziehen als vielmehr darum, ihm kurzfristig politischen Schaden zuzufügen.
Sollte dies der Fall sein, hält sich der Erfolg in Grenzen, denn obwohl Trumps Ansehen unter der Untersuchung leidet, gewinnen die Demokraten nicht wirklich an Beliebtheit. Und ihre republikanischen Kolleginnen davon zu überzeugen, von deren demokratiefeindlichen Kurs abzusehen, ist verlorene Liebesmüh.