Boo! - der Film zum Crash
Cameron Diaz soll die glamouröse Boo.com-Gründerin spielen, die mitgeholfen hat, mehr als 250 Millionen Mark in einem halben Jahr durchzubringen
Die Geschichte von Boo.com, dem Online-Shop für Mode und Sportbekleidung, der Ende 1999 ins Netz ging und ein halbes Jahr später wieder dicht machte (Vgl. Der Otto-Versand für die Mediengeneration u. Boo.com macht Pleite)), soll jetzt als Vorlage für einen Film dienen.
Das hat Stil: Mit großen Versprechungen an den Start gehen, wie ein Stein untergehen und dann als Hollywood-Blockbuster das große Geld machen. Das klingt nach "Titanic", erinnert aber auch ein bisschen an die Anfangsszene aus dem Film "The Player", in der einem Filmproduzenten in möglichst wenig Worten eine Filmidee gepitcht werden soll. Etwa so:
Aufblende, wir sehen ein rauschendes Fest, schöne Frauen, teure Kleider, muskelbepackte Bodyguards, Champagner in Strömen.
So oder ähnlich muss es geklungen haben, als die Filmrechte der Story über die zwei Gründer von Boo.com an ein Hollywood-Studio verkauft wurden. Erstaunlicherweise. Denn hieß es im "Player" noch ambitioniert "keine Stars, kein Happy End", (was dann mit einem Bruce-Willis-rettet-Julia-Roberts-Schluss endete) muss die Story hier mit dem Konzept "keine Action, keine Special-Effects, kein Happy End" gewonnen haben. Immerhin das Ausmaß dieses Dotcom-Kollapses kann man durchaus als episch bezeichnen.
Die zwei, die hinter dem Online-Einzelhändler Boo.com standen, Ernst Malmsten und Kajsa Leander - er ehemals Poet-Kritiker, sie Vogue-Model -, sind mindestens so berühmt für ihren schwelgerischen Lebensstil wie für ihre erbärmlichen Versuche, Sportswear übers Internet zu verkaufen.
Daraus haben sie jetzt ein Buch gemacht, "BooHoo.com", das im November erscheinen wird. Mit dem Untertitel "eine Dotcom-Story - vom Konzept zur Katastrophe" wird darin die Achterbahnfahrt beschrieben, die vor rund 15 Monaten mit dem Absturz endete, mit einem in Rekordzeit verbrauchten Etat von rund 250 Millionen Mark. Was damit vor allem für zwei von Wall Streets größten Banken, Goldman Sachs und JP Morgan, ein unrühmliches Ende bedeutete.
Dem Boo-Stil treubleibend ist die Veröffentlichung dieses Buches als großes Event angelegt: Jeder, der im Buch genannt wird, ist dazu eingeladen. Auch Kate Moss, der ein fadenscheiniges Kapitel darin gewidmet ist - Malmsten träumt schon lange davon, sie endlich einmal kennenzulernen. Goldman Sachs wollte sich nicht dazu äußern, ob einer ihrer Banker der Buchpremiere beiwohnen wird.
Laut Malmstens Agent Lesley Shaw wird das Buch als "Must Read" für die Dotcom-Generation promotet. Aber auch wenn das Buch verspricht, erfolgreich zu werden - der Film-Deal verspricht noch mehr. Film-Gigant Vivendi Universal will den Abschluss für eine sechsstellige Summe machen. Typisch für Malmsten und Leanders Stil ist es, ihre Idealbesetzung gleich mitzuliefern: Neben Cameron Diaz soll auch Edward Norton für den Film verpflichtet werden.
Die dreibuchstabige Firma mit dem gewollt comic-haften Namen Boo, unter Insidern besser bekannt unter dem Kürzel CCC - für Caviar, Champagner und Concorde (inoffiziell Cocaine) - hatte schier unbegrenzte Ambitionen: den weltweiten Hauptsitz in der superteueren Carnaby Street, plante Boo, sein Imperium in 18 Ländern zu errichten, mit weiteren Büros in nahezu allen Großstädten Europas - alles noch, bevor sie den Markt getestet hatten.
Anfangs schien aber noch alles bestens zu laufen, und mit einer Rekordsumme für ein Internet-Start-up konnten sich die Boo-Bosse ein schönes Leben leisten. Executives wurden erster Klasse zu glamourösen Orten geflogen, an denen die Brainstormings stattfanden, Wodka-Cocktails inklusive. Unter diesen Eindrücken wurden so geistreiche wie teure Marketing-Kampagnen erdacht. In den so entstandenen Fernseh-Spots (für die allein angeblich 100 Millionen Mark ausgegeben wurden) wurde vor allem der Virtual Character "Miss Boo" beworben, die den Einkaufenden online beim Aussuchen der Kleidung auf der Website helfen sollte. Leider war die Technologie hinter Miss Boos Einkaufstipps so schwerfällig, dass sich potenzielle Käufer genervt abwendeten, da es zu lang dauerte, sie herunterzuladen. Dass die Hersteller der bestellten Ware kaum in der Lage waren, den Lieferungen auch hinterherzukommen, half auch nicht gerade.
Trotzdem ging die Geld-Verheizungs-Maschinerie unvermindert weiter. Jeden Tag erschienen Lastwagen vor der Tür des Londoner Büros, allein um die dort Beschäftigten mit Essen und Getränken zu versorgen. Handys und Laptops für alle waren ebenso selbstverständlich.
Laut einem Boo-Angestellten und -Freund
verstanden sie es, gut zu leben. Sie mieteten eine riesige Halle, engagierten einige Top-Bands und luden mehrere Tausend Leute ein, um mit ihnen, ähem, nichts zu feiern. Es stellte sich nämlich heraus, dass die Site erst Monate nach der Eröffnungsparty ins Netz gehen würde.
Erschienen ist sie schließlich sechs Monate nach der ersten Ankündigung. Inzwischen sind die beiden Boo-Gründer schon mehr berüchtigt als berühmt für ihre Vorgehensweise, haben eine regelrechte Rock-Star-Mentalität entwickelt: Miss Leander trägt immer eine Videokamera bei sich, um den unausweichlichen Aufstieg der Company zu weltweitem Ruhm zu dokumentieren - vielleicht hatte sie ja von dem Filmprojekt Startup.com gehört " (Vgl. Dot-Commers, Dot-Goers). Immer öfter werden sie von Hotels abgewiesen; Bodyguards werden in großer Menge engagiert (und nie bezahlt), um den angeblichen Kidnapping-Drohungen entgegenzuwirken.
Als die neuerlichen Geldspritzen ausbleiben und die Gesellschaft die Liquidatoren ruft, können die, als sie endlich Zugang zum Gebäude erhalten, gerade noch rund 500 000 Mark für die technischen Geräte flüssig machen.
Seither haben Malmsten und Leander aus dem Fiasko einen einträglichen Nebenerwerb gemacht: Sie werden gerufen, um wissbegierigen Investment-Bankern rund um die Welt Tipps zu geben - besonders warnen sie vor den typischen Mittzwanziger-Emporkömmlingen.
Mindestens Malmsten scheint seine jetzige Karriere weit mehr zu bedeuten als das Stigma des Fehlschlags. Ein guter Bekannter von ihm formuliert das so: "Alles, was er schon immer wollte, war, schöne Frauen zu treffen und auf Partys eingeladen zu werden. Das hat er jetzt."