Brexit: Die Kontrolle zurückgewinnen

Seite 3: Phrasen vom Umweltschutz, Träume vom reibungslosen Handel

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Umweltminister Gove verbindet das geplante Ausscheiden aus der Gemeinsamen Europäischen Fischereipolitik mit einer Hoffnung: Dieser Schritt soll der Umwelt helfen. Äußerungen von britischen Fischereivertretern lassen an der Ernsthaftigkeit dieser Aussage jedoch Zweifel aufkommen.

Bild: Bernd Schröder

Zum Beispiel Bertie Armstrong, Chef der Scottish Fishermen's Federation, für den die Branche zurzeit nur mit halber Kraft arbeitet. Dieser Umstand sei der Tatsache geschuldet, dass die Fischer keinen Zugang zu all dem ihnen zustehenden Fisch hätten. Großbritannien könne die Menge seiner Anlandungen verdoppeln - und zwar nachhaltig. Dafür brauche die pelagische Industrie größere Boote mit hoher Fangkapazität, um den Nordostatlantik auch bei schlechtem Wetter befischen zu können. Die Briten würden ihren Fisch größtenteils aus der eigenen AWZ beziehen und nur zu kleinen Teilen aus anderen Gewässern, während alle anderen sich hauptsächlich in den britischen Gewässern bedienten.

Armstrong sieht sein Land bei den anstehenden Post-Brexit-Verhandlungen gut positioniert. Das Ziel sollte die Wiedererlangung des alleinigen Zugangs zu allem Fisch in den britischen Hoheitsgewässern sein. Wenn der nicht gewährt würde, sollten die Briten die Verhandlungen verlassen. Armstrong unterlegt seine Argumentation mit Daten einer Studie der Universität Aberdeen zur räumlichen Verteilung wirtschaftlich relevanter Fischarten, die zeigten, dass der britische Quotenanteil deutlich unter dem durchschnittlichen Anteil dieser Fische in der britischen AWZ läge. Zum Beispiel der Hering: Großbritannien hält eine Quote von 15% an seinen Beständen, doch in der britischen AWZ lebten 88% der fischbaren Herings-Biomasse.

Für Barrie Deas, Geschäftsführer der National Federation of Fishermen's Organisations, ist vor allem der Handel wichtig. Zwischen dem Vereinigten Königreich und dem Kontinent soll der so frei und mit so wenigen Hindernissen wie möglich vor sich gehen. Der Beauftragte der EU-Kommission für die Austrittsverhandlungen mit Großbritannien, Michel Barnier, hat einem solchen Ansinnen jedoch erst jüngst eine klare Absage erteilt.

Auch Andrew Kuyk, Geschäftsführer der UK Seafood Industry Alliance, würde am liebsten möglichst nah am EU-Markt verbleiben. Er will gute Handelsbeziehungen mit der EU, die für den britischen Fischverarbeitungssektor sehr wichtig sind. Denn der schafft den Mehrwert und gibt vielen Menschen Arbeit, mindestens ebenso viele Arbeitsplätze wie die 11.000, die direkt im Fischfang angesiedelt sind. Der Jahresumsatz liegt bei 4.2 Milliarden Pfund Sterling. Für ihn ist klar: selbst wenn die Briten plötzlich die Herren über den Fisch in ihren Territorialgewässern würden, bliebe immer noch die Importabhängigkeit, da die Nachfrage auch dann noch das tatsächliche Angebot übersteigen würde.

Die Aussichten: Brexit-Chancen am Horizont?

Sollte der Brexit tatsächlich durchgezogen werden, sehen optimistische Beobachter Chancen, die der Austritt für die britische Fischerei und den Zustand der Bestände bringen könnte. Dafür wird ein durchdachter Neubeginn gebraucht, der aus den Fehlern der verhassten Gemeinsamen Fischereipolitik Europas und den eigenen Verfehlungen in der Vergangenheit richtige Schlüsse zieht und zwischen den Interessen aller Beteiligten ausgleicht.

Um eine Überfischung der Bestände zu vermeiden, kann sich das Herangehen an die Probleme nicht darin erschöpfen, wer welche Zone befischt - noch dazu bei Beständen, die sich nicht um Grenzen kümmern und wandern. Diese Fischbestände werden mit den anderen Anliegern geteilt. Hier sind Kooperation und ein gemeinsames Managment gefragt sowie weitere Details zu klären - wie etwa Entnahmemengen, die eine Erhaltung der Fischbestände gewährleisten.