Brexit: Großbritannien vor dem Großen Sprung
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Die EU stellt sich derweil auf Austrittsverhandlungen ein. EU-Ratspräsident Donald Tusk hat angekündigt, "binnen 48 Stunden" nach der Austrittsmitteilung Leitlinien für die Austrittsverhandlungen vorzulegen. Diese sollen am 6. April auf einem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs verabschiedet werden. Die EU-Kommission solle ein Mandat der Mitgliedsländer bekommen, die Verhandlungen zu führen.
Streitpunkte gibt es jetzt schon. Neben dem Zugang zum EU-Binnenmarkt geht es auch ums Geld, zum Beispiel bei EU-Projekten in Großbritannien oder bei der Frage, wer die Pensionen von EU-Beamten bezahlt, die in ihrer Dienstzeit auch für Großbritannien gearbeitet haben. In der Diskussion ist hier eine Summe von 60 Milliarden Euro.
Die europäischen Konservativen drängen ihre britische Parteifreundin May inzwischen, schnell eine Einigung zu finden, um das viel wichtigere Freihandelsabkommen nicht zu behindern. Geregelt werden muss auch, ob EU-Bürger, die in Großbritannien leben, bleiben können und umgekehrt.
Grenzkontrolle und Bankgeschäfte
Und schließlich gibt es da noch Nordirland. Die Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland wird nach dem Brexit zur Außengrenze der EU und einzigen Landgrenze zwischen EU-Europa und Großbritannien. Erste Annäherungen gibt es hier bereits. Irland hat signalisiert, dass es Großbritannien bei der Grenzkontrolle entgegenkommt. Die irischen Häfen und Flughäfen sollen besser kontrolliert werden. Im Gegenzug würde Großbritannien auf eine "harte Grenze" zwischen Irland und Nordirland verzichten.
Entgegengekommen ist den britischen Banken jetzt die Europäische Zentralbank. Für diese gelten längere Fristen, wenn sie ihre Geschäfte in den Euro-Raum verlagern wollen, teilte die EZB mit. Die zwei Jahre im Falle eines harten Brexit gelten als zu kurz für die Kreditinstitute. Um danach noch Kunden aus der EU zu betreuen, brauchen sie rechtlich selbstständige Tochterinstitute in einem EU-Land. Die Bank of England rief derweil die Banken des Landes auf, sich beim Brexit auf alle Option vorzubereiten.
Kommt der Brexit wirklich?
Aber vielleicht kommt ja doch noch alles anders. Denn Artikel 50 des EU-Vertrages beinhaltet zwar einen Automatismus: Zwei Jahre nach der Austrittsmitteilung finden die Verträge nach Absatz 3 automatisch keine Anwendung mehr. Allerdings kann der Europäische Rat "im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat" einstimmig beschließen, die Frist zu verlängern. Möglichkeiten gäbe es also, den Brexit noch abzuwenden.
Und Juristen würden bestimmt noch weitere finden. So argumentiert zum Beispiel der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio, es spreche alles dafür "dass die Erklärung über die Absicht eines Austritts im Unionsrecht noch selbst gar keine Kündigung wäre, sondern jederzeit bis längstens zur Unanwendbarkeit der Verträge widerrufen oder für gegenstandslos erklärt werden kann". Die eigentliche Kündigung müsse also noch kommen, die Frist betrage 12 Monate nach Art. 56 Abs. 2 der Wiener Vertragsrechtskonvention.
Ganz offen plädiert taz-Redakteurin Ulrike Herrmann dafür, das Volksvotum für den Brexit nicht umzusetzen. Die Schweiz führe jedes Jahr elf Volksabstimmungen durch, umgesetzt werde davon längst nicht alles. Man muss Hermanns Ansicht, dass man Volksabstimmungen einfach auch mal ignorieren oder kreativ neu auslegen sollte, nicht teilen. Aber ganz treffend ist ihre Analyse, dass Theresa May mit ihrem Mantra "Brexit heißt Brexit" einen schweren Fehler begangen hat: "Sie lässt keinen Raum für inhaltliche Manöver. Dieser Fehler wäre einer Schweizer Regierung nie passiert. Dort wird stets flexibel austariert - und im Zweifel nochmals abgestimmt."