Brics: Verschlafen die USA den Untergang der unipolaren Welt?

Seite 2: Die Forderungen des Globalen Südens

Dieses Mal scheinen die USA jedoch eine vernünftigere Position einzunehmen. Vertreter der Biden-Administration haben in Südostasien und anderswo wiederholt erklärt, dass sie die Staaten des Globalen Südens nicht auffordern, zwischen sich und ihren Rivalen zu wählen, sondern stattdessen ihnen die Wahl überlassen.

Wie sollten die Vereinigten Staaten also auf wachsende und zusammenwachsende Initiativen wie die Brics reagieren? Ein guter erster Schritt wäre es, glaubwürdig gemäß der Versicherung zu agieren, dass man keine Wahl erzwingen werde.

Das scheint bei den Vertragsverbündeten der USA aber nicht der Fall zu sein, vor allem nicht in Bezug auf China. Dabei würde ein solches Handeln, dass die Nichtverbündeten im Globalen Südens nicht unter Druck setzt, in ihren Hauptstädten Wohlwollen erzeugen und die US-Softpower erhalten.

Die Vereinigten Staaten sollten auch das Unbehagen vieler asiatischer und afrikanischer Länder gegenüber aufdringlichen Aufforderungen ernst nehmen, die sie als Beeinträchtigung ihrer Souveränität empfinden. Dazu zählt das Vorantreiben des Schlachtrufts "Demokratie gegen Autokratie", die übergriffige Beurteilung fremder politischer Systeme und allgemein der Versuch, die eigenen Werte zu universalisieren.

Die Anwendung dieser Werte im Ausland ist stark von Inkonsequenz und Doppelstandards geprägt, so dass solche Bemühungen jede Glaubwürdigkeit verlieren. Einige dieser erklärten Werte sind auch im Inneren der Vereinigten Staaten selbst heftig umstritten. Daher ist es sowohl ein strategischer als auch (faktisch) ein moralischer Fehler, von anderen Nationen zu fordern, gemäß den Werten zu agieren.

Schließlich muss Washington zumindest auf einige der entwicklungsorientierten Forderungen eingehen, die von Koalitionen wie den Brics aufgestellt werden. Dazu gehören unter anderem die Reform der internationalen Finanzinstitutionen, eine stärkere Unterstützung internationaler Klimaschutzmaßnahmen und die Beendigung der derzeitigen Lähmung des WTO-Berufungsgremiums sowie die Rückkehr zu einem wirklich regelbasierten Handelsansatz.

Der Globale Süden begrüßt zunehmend die aufstrebenden Ost-Süd-Koalitionen wie die Brics und die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), und zwar nicht, weil er gegen eine wichtige Rolle der USA in der Welt ist. Weit gefehlt. Vielmehr geht es darum, sich gegen die abnehmende Unipolarität abzusichern und alternative Institutionen aufzubauen, um die Defizite der derzeitigen Ordnung zu beheben.

Der beste Weg für Washington, auf diese Botschaft zu reagieren, besteht darin, das Spiel mitzuspielen, statt es auszusitzen.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Medium Responsible Statecraft. Hier geht es zum englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.

Sarang Shidore ist Studiendirektor und Senior Research Fellow am Quincy Institute und Senior Non-Resident Fellow beim Council on Strategic Risks. Außerdem ist er Lehrbeauftragter an der George Washington University. Sarang hat mit zahlreichen Organisationen zusammengearbeitet und dort veröffentlicht, darunter das Asian Peace Program, Brookings Institution, Center for Strategic and International Studies, Council on Foreign Relations, Council on Strategic Risks, Oxford Analytica, Paulson Institute, Stimson Center, UK Ministry of Defense und Woodwell Climate Research Center. Er hat mehr als 90 Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, Sammelbänden und Medien in seinen Fachgebieten vorzuweisen. Vor seiner jetzigen Tätigkeit am Quincy Institute war Sarang Senior Research Scholar an der University of Texas in Austin und leitender globaler Analyst beim geopolitischen Risikokonzern Stratfor Inc.