Britische Regierung will gegen Adoptions-Websites vorgehen

Populistische Hauruck-Politik angesichts der Kilshaw-Affäre um Adoption

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Die Affäre rund um die Adoption zweier amerikanischer Kinder durch ein britisches Ehepaar, die über das World Wide Web vermittelt worden war, veranlasste nun das Gesundheitsministerium zu einem Vorschlag, der ebenso schwer durchführbar wie im Widerspruch zu europäischen Gesetzen zu stehen scheint. Internet Service Provider (ISPs) sollen strafrechtlich verantwortlich gemacht werden, wenn sie durch ihre Tätigkeit Kontakte zu ausländischen Websites von Adoptionsagenturen herstellen.

Der Fall von Alan und Judith Kilshaw, welche die Zwillings-Babies Beverly und Kimberley über eine kalifornische Adoptionsagentur gefunden und dann adoptiert - man könnte auch sagen entführt - haben, löste nun eine Reihe gesetzgeberischer Initiativen aus. Die britischen Adoptionsgesetze sollen so geändert werden, dass es ein strafrechtliches Delikt werden soll, Kinder aus dem Ausland an den Adoptionsbehörden vorbei zu adoptieren. Gefängnis- und hohe Geldstrafen sollen dafür verhängt werden können. Das Anbieten von Kindern zur Adoption via Zeitungsinseraten ist bereits seit dem Adoptionsgesetz von 1976 verboten. Die neue Gesetzgebung sei keine ad-Hoc-Reaktion auf den Kilshaw-Fall, sondern Teil einer seit 1999 vorbereiteten Novelle, die nun einfach schneller durch das Parlament gebracht werden soll, sagt die Regierung.

Ein hoher Beamter des Gesundheitsministeriums, John Hutton, hat nun gefordert, dass auch ISps strafrechtlich belangt werden sollen, da sie ja den ursprünglichen Kontakt herzustellen helfen - in seinem Sinne eine Beihilfe zu einer Straftat. Herr Hutton ist mit der Forderung an die Internet Service Provider Association (ISAP) herangetreten, dass deren Mitglieder den Zugang zu Websites von Adoptionsvermittlern sperren. Herr Hutton ist überzeugt, dass eine Lösung gefunden werden kann und behauptet, seine Abteilung unterhalte gute Beziehungen zur ISPA.

Dort ist man moglicherweise anderer Ansicht. Der Vorschlag wird als kaum durchsetzbar bezeichnet. Einerseits müssten Beamte des Gesundheitsministeriums beständig das Web nach Adoptionssites absuchen, um die ISPs mit einer aktuellen Liste zu sperrender Sites zu versorgen. Nicht zuletzt verstoße der Vorschlag gegen den Grundgedanken einer EU-Direktive zum E-Commerce, wonach ISPs nur den technischen Zugang herstellen, wie etwa eine Telefongesellschaft auch, und nicht für Inhalte verantwortlich gemacht werden können, die irgendwo anders im Internet, und nicht auf ihren eigenen Rechnern, gespeichert sind, sagte ein Sprecher der ISPA.

Der Vorschlag zeigt einmal mehr den Unterschied zwischen einer durchdachten politischen Linie bezüglich der Internetregulierung und wilden Hauruck-Aktionen von Politikern und Behörden aus kurzsichtiger, tagespolitischer Aktualität heraus. Da das Internet nun nicht mehr ganz so neu ist, sollten Politiker eigentlich schon aus vergangenen Fällen gelernt haben. Doch möglicherweise hat die Affäre um Yahoo! und die Auktion von Nazi-Memorabilia den populistischen Zensurwünschen mancher Politiker wieder Auftrieb gegeben. Zudem hat Großbritannien zwar enorme gesetzgeberische Anstrengungen unternommen, die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden zu aktualisieren, aber noch keine gültige Rechtsgrundlage für das weite Gebiet der kommerziellen Internetaktivitäten geschaffen.