Britisches Defizit explodiert mit zweitem Bankenrettungspaket

Die unbegrenzte Bankenrettung könnte die Steuerzahler erneut hunderte Milliarden Pfund kosten

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Wie in Deutschland, wo bei Banken ein Link auf /tp/blogs/8/121915 fauler Krediten in einer geschätzten Höhe von 200 – 600 Milliarden Euro besteht, reißt auch die Finanzkrise in Großbritannien immer neue und große Finanzlöcher auf. Die britische Regierung schnürt deshalb nach dem ersten Bankenrettungspaket in einer Höhe von 500 Milliarden Pfund ein zweites Paket. Unter anderem will der Staat die Banken gegen die Risiken ihrer faulen Kredite versichern, um die Stabilität des Finanzsystems zu stärken und die Kreditklemme zu bekämpfen.

Der Staat will für sogenannte "toxische Papiere" mit bis zu 90 Prozent ihres Wertes garantieren und nimmt den Banken damit die faulen Kredite und Wertpapiere praktisch fast vollständig ab. Premierminister Gordon Brown hofft, dass die Banken nun "endlich alle Karten auf den Tisch legen", denn das sei Vorraussetzung für neue Finanzhilfen. Eine Obergrenze will Brown nicht nennen. Allgemein wird das Risikovolumen bisher auf 200 Milliarden Pfund geschätzt. Einzelheiten für die Versicherung müssten noch geklärt werden. Klar ist, dass die Banken nur eine kleine Gebühr bezahlen sollen. Völlig offen dagegen ist, wie die faulen Papiere bewertet werden sollen. Zudem soll die britische Notenbank einen Fonds über 50 Milliarden Pfund einrichten, um "gute" Unternehmenswerte anzukaufen und Firmen damit Liquidität zu verschaffen.

In die Ankündigung neuer Staatshilfen fiel eine neue Hiobsbotschaft. So gab die Royal Bank of Scotland (RBS) für 2008 einen Verlust bekannt, der alle Rekorde in der britischen Wirtschaftsgeschichte sprengt. Die RBS erwartet einen Verlust von 28 Milliarden Pfund, das ist noch ein deutlich größerer Verlust als der bisherige Rekord (22 Milliarden Pfund), den der Mobilfunkkonzern Vodafone 2006 aufgestellt hatte. Die RBS hat sich an der Teilübernahme des Konkurrenten ABN Amro übernommen. Hier zeigt sich, welche Gefahren auch für deutsche Steuerzahler aus den staatlich gestützten Übernahmen der Dresdner Bank durch die Commerzbank und Link auf /tp/blogs/8/121770 drohen.

Wie in Großbritannien bei der RBS, Northern Rock, Lloyds TSB und HBOS haben auch die Milliardenspritzen aus dem Steuersäckel für den Münchner Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) keine Stabilisierung gebracht (Bundesregierung verstaatlicht Commerzbank für eine zweifelhafte Übernahme), weshalb auch bei der HRE nun eine Verstaatlichung ansteht. Die Lage muss dramatisch sein, denn eine Commerzbank-Lösung, mit einer Bundesbeteiligung von 25 %, Sperrminorität inklusive, ist nicht drin. HRE-Chef Axel Wieandt hatte "erheblichen Kapitalbedarf" angemeldet und vor weiteren hohen Verlusten gewarnt. Die bisher gewährten Hilfen von 50 Milliarden Euro und Staatsgarantien in einer Höhe von 30 Milliarden Euro reichen längst nicht aus.

Nun wird über Summen verhandelt, die so groß sind, dass die Staatsbeteiligung deutlich höher als ein Drittel ausfallen müsste. Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz, in dem die Hilfen für die Bankenbranche geregelt sind, lässt aber eine Beteiligung des Staates über den Stabilisierungsfonds Soffin nur zu einem Drittel zu. Das Gesetz müsste also geändert werden, um weitere Milliarden in die HRE zu schießen, um deren Zusammenbruch zu verhindern.

Wie weit das gehen kann, zeigt sich nun in Großbritannien bei der RBS. Dort muss der britische Staat nun seinen Anteil von bisher 58 auf sogar 70 Prozent erhöhen, um den Absturz zu verhindern. "Ja, ich bin verärgert", erklärte Brown. "Fast alle Verluste stammen aus dem Subprime-Markt in den USA und aus der Übernahme von ABN Amro. Dies sind unverantwortliche Risiken, die die Bank mit dem Geld ihrer Kunden aus Großbritannien eingegangen ist." Die Übernahme von ABN Amro sei "falsch" gewesen, fügte er an.

Dabei hatte seine Regierung erst im Oktober mit den Teilverstaatlichungen begonnen und Großbanken mit 37 Milliarden Pfund gerettet. Die große Barclays und HSBC kamen allerdings bisher ohne Staatshilfen aus. Sie wollen ihren guten Ruf nicht ruinieren und greifen deshalb nicht auf Staatshilfen zurück. Allerdings wird auch für sie ständig schwieriger, ihren Kapitalbedarf weiter über private Quellen zu decken.

Wütend sollten eigentlich die Bürger auf die Regierung sein, denn die Steuerzahler müssen mit immer neuen Milliarden-Garantien für die Versäumnisse der Banken einstehen. Tatsächlich, so berichten diverse britische Zeitungen, fürchtet Brown inzwischen den Unmut der Wähler vor den Wahlen, die bis spätestens Juni 2010 abgehalten werden müssen. Deshalb verkündete er auch als Erfolg, dass für die noch größere Staatsbeteiligung an der RBS das Institut sechs Milliarden Pfund an Unternehmenskrediten bereitstellen werde. Auch damit soll der Kreditklemme begegnet werden, damit das Land wegen fehlender Kredite an die Unternehmen nicht noch stärker in die Rezession abstürzt und weitere Arbeitsplätze vernichtet werden.

Nicht nur nach Meinung der oppositionellen Tories handele die Labour-Regierung aber unverantwortlich und stelle den Banken einen "Blankoscheck" aus, die sich selbst in die Krise geritten hätten. Der Schattenfinanzminister der oppositionellen Konservativen, George Osborne, warnte davor, dass sich Großbritannien nun noch höher verschulden müsse. Er warf Brown vor, das Land "an den Rand des Bankrotts" zu führen.

Wurde schon bisher erwartet, dass auf Großbritannien eine Neuverschuldung von 8 % des Bruttoinlandsprodukts zukomme, dürfte die Neuverschuldung noch deutlich höher ausfallen. Die Grenze von 3 % des BIP, die der EU-Stabilitätspakt erlaubt, reißt Brown damit mehr als deutlich. Die Europäische Union schätzt, dass mit Irland, Großbritannien und Spanien die drei EU-Länder das deutlichste Defizit haben werden, in denen, wie in den USA fulminant Immobilienblasen geplatzt sind. Link auf /tp/blogs/8/121977 werden Defizite von bis zu 13 % in Irland, knapp 10 % in Großbritannien und über 6 % in Spanien. Insgesamt werden 17 von 27 Ländern nach der Prognose der EU deutlich die Maastricht-Grenze reißen, auch Deutschland. Deshalb muss die EU-Kommission Defizitverfahren gegen diese Länder eröffnen, womit ihnen zudem Strafzahlungen drohen.

Allgemein wird erwartet, dass die britische Regierung nun die Notenpresse anwirft. Gelddrucken sei "das letzte Mittel einer verzweifelten Regierung", warf der oppositionelle Osborne der Brown-Regierung vor. Alles spricht dafür, dass nach den USA nun auch Großbritannien zur "unkonventionellen Geldmengensteuerung" übergeht, die letztlich auch das Gelddrucken einschließt, um Liquidität zu schaffen. Das Vertrauen in die britische Währung, die schon im letzten Jahr gegenüber dem Euro abgestürzt ist, nimmt dadurch weiter ab. Nach dem Ausverkauf am Montag geht auch am heutigen Dienstag der Kurssturz des Pfund gegenüber dem Euro weiter.