Bundesregierung verstaatlicht Commerzbank für eine zweifelhafte Übernahme
Der deutsche Staat wird größter Aktionär bei der Commerzbank und übernimmt 25 % der Aktien
Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang. Der Bund greift mit insgesamt mehr als 18 Milliarden Euro der Commerzbank mit Steuergeldern unter die Arme, damit die Commerzbank die umstrittene Übernahme der Dresdner Bank schultern kann. Vor allem in deren Bilanzen sollen noch immer faule Kredite in Milliardenhöhe schlummern. Es gibt aber auch Hinweise darauf, dass sich die Dresdner Bank kurz vor der Übernahme noch Gelder aus dem Bankenrettungspaket sichern will. Die Bundesregierung schwenkt nun auf den britischen Weg der Teilverstaatlichungen ein, die sie bisher heftig kritisierte. Sie behauptet gleichzeitig, obwohl sogar eine komplette Verstaatlichung nicht ausgeschlossen wird, es sei gar keine Verstaatlichung.
"Ich hätte mir natürlich viel lieber gewünscht, das Geld privat organisieren zu können, aber das Leben ist kein Wunschkonzert", sagte Commerzbank-Chef Martin Blessing. So kommentierte er die Tatsache, dass der Staat die Hilfen aus dem Rettungspaket an das zweitgrößte deutsche Kreditinstitut um zehn Milliarden Euro auf 18,2 Milliarden aufstocken wird. Damit hat der Bund künftig eine Sperrminorität von 25 % plus eine Aktie an dem neuen Institut.
Bereits im November hatte die Regierung aus dem Rettungsfonds der Commerzbank mit einer Eigenkapitalspritze von 8,2 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen. Dazu kamen schon damals weitere Garantien in einer Höhe von Link auf /tp/blogs/8/118304. Zuvor war die Commerzbank auf einer Liste von Merril Lynch aufgetaucht. Die Analysten hatten errechnet, dass die Commerzbank 6,2 Milliarden Euro Link auf /tp/r4/artikel/28/28981/1.html. Sie hatten also deren tatsächlichen Finanzbedarf noch viel zu niedrig eingeschätzt, wie wir heute wissen.
Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die Deutsche Bank Staatshilfe beantragt. Denn die stand mit einem geschätzten Kapitalbedarf von 8,9 Milliarden Euro ganz oben auf dieser Liste. Obwohl sich deren Chef Josef Ackermann abfällig über Staatshilfe geäußert hat, öffnet er längst Hintertüren. Im November sagte er, man müsse beobachten, "ob sich aus der staatlichen Hilfe nicht am Ende doch Wettbewerbsnachteile ergeben". Eingeweihte gehen davon aus, dass unter diesem Deckmantel der Sprung des Marktführers ins staatliche Rettungsnetz vorbereitet wird.
Allgemein wird erklärt, die neue Hilfe für die Commerzbank begründe sich vor allem aus den hohen Risiken bei der Dresdner Bank. Deren Übernahme werde nun über die Kapitalspritze staatlich abgesichert. Vor allem in den Bilanzen der Allianz-Tochter schlummerten noch immer ungeahnte Risiken. Dabei gibt es auch Hinweise darauf, dass vor der Übernahme auch die Dresdner Bank noch Staatshilfe erhalten will. Das berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit Bezug auf Insider.. Mit Hochdruck arbeiteten die künftige Eignerin Commerzbank und die Noch-Mutter Allianz SE an einer Lösung über eine finanzielle Unterstützung für die Dresdner Bank. Gespräche von Commerzbank und Allianz fänden mit der Finanzaufsichtsbehörde BaFin statt, bei denen auch ein Vertreter des staatlichen Banken-Rettungsfonds SoFFin anwesend sei.
Und alles weist darauf hin, dass die Commerzbank für das vierte Quartal erneut ein schlechtes Ergebnis verkünden muss. Vor allem sorgt man sich um gewerbliche Immobilienkredite, die weiteren Abschreibungsbedarf bringen dürften. Mindestens 18 Milliarden benutzt der Staat an Steuergeldern also dazu, damit eine umstrittene Übernahme umgesetzt wird. Eine Bank übernimmt genau in dem Moment eine andere, wenn sie wegen eigenen Problemen zum zweiten Mal auf staatliche Hilfe erhält. Kein normales Unternehmen würde oder könnte das machen. Wäscht hier also eine Hand die andere?
Nach der derzeitigen Lage spricht alles dafür, dass es für den Steuerzahler noch deutlich teurer werden wird. Der finanzpolitische Sprecher der Union, Otto Bernhardt räumt das mehr oder weniger offen ein. Gegenüber dem Handelsblatt erklärte er: "Mein Eindruck ist, dass die Commerzbank noch mehr Probleme hat als bislang zugegeben." Er hält auch eine vollständige Verstaatlichung für angemessen: "Notfalls müsste der Staat die Bank auch komplett übernehmen.". Die Allianz, als bisherige Dresdner-Mutter, stiehlt sich billig aus der Affäre. Sie wird eine stille Einlage von 700 Millionen Euro leisten und kauft der scheidenden Tochter für 1,1 Milliarden Euro illiquide Wertpapiere ab und künftig noch 14 % an dem neuen Institut halten
Sehr teuer kann die neue Bank den Steuerzahlern auch deshalb zu stehen kommen, weil deren Erfolgschancen finster sind. So wird kritisiert, dass sich die Commerzbank mit der im vergangenen September angekündigten Übernahme völlig vertan habe. Die Neue Züricher Zeitung meint, es sei von Beginn an "realitätsfremd" gewesen, "unter schwierigsten Rahmenbedingungen aus zwei ertragsschwachen Banken mit sich stark überlappenden Geschäftsfeldern eine schlagkräftige Einheit zu formen". Es handele sich um eine "stille Kapitulation" weil die Bank nun eingeräumt habe, sie aus eigener Kraft nicht mehr realisieren zu können. Der Staat springe ein um die Übernahme zu finanzieren, und sorge dafür, "dass eine wenig überzeugende Fusion mit unsicheren Zukunftsperspektiven doch noch zustande kommt".
Merkwürdige Diskussion über Teilverstaatlichung
Angesichts der Tatsache, dass Teile der Regierung sogar zu einer vollständigen Verstaatlichung bereit wären, um ein Zusammenbruch a la Lehman in Deutschland mit allen Mitteln zu verhindern, nimmt sich die Debatte reichlich merkwürdig aus. Bisher wurde lediglich mitgeteilt, die Regierung werde "sobald wie rechtlich möglich" zwei Staatssekretäre in den Aufsichtsrat der Bank schicken, die ihm nach Angaben des Finanzministeriums zustünden.
Der Staat wird nicht nur eine Sperrminorität erhalten, sondern er ist der größte Einzelaktionär. Keiner in der Regierung will aber zugeben, dass man sich nun mit der ersten Teilverstaatlichung in der Nachkriegsgeschichte auf den britischen Weg begeben hat, den man im Herbst noch heftig kritisiert hatte. Die Beteiligung des Bundes sei "keine Teilverstaatlichung, sondern Wahrnehmung unserer Verantwortung für einen der großen deutschen Akteure am Finanzmarkt", sagte der Sprecher von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Steinbrück, der mehrfach mit Link auf /tp/blogs/8/118763 und Prognosen ins Fettnäpfchen getreten ist, bleibt merkwürdig still. Sein Sprecher Torsten Albig fügte an, man wolle ins operative Geschäft nicht eingreifen: "Es wäre völlig fatal und dumm, wenn eine Regierung in so einer Situation Einfluss nehmen würde." Warum man dann aber so schnell wie möglich in den Aufsichtsrat will, bleibt das Geheimnis der Regierung.
Ähnlich wie Albig äußerte sich auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU). "Damit ist jetzt ganz klar, dass wir eine weitere leistungsfähige Großbank haben, die wieder oder noch stärker in der Lage ist, Kredite an die produzierende Wirtschaft zu vergeben." Das müsse auch kein Minusgeschäft werden, denn der Bund könne seine Beteiligung auch wieder verkaufen und vielleicht sogar Gewinn machen, meint Glos. Auch SPD-Chef Franz Müntefering will von einer Teilverstaatlichung nichts wissen: "Der Staat tritt auf Zeit ein, aber er wird sich auch in einem baldigen und vernünftigen Augenblick wieder lösen." Auch er betonte, man wolle keinen Einfluss auf die Geschäfte nehmen, aber "Stabilität in die ganze Situation bringen, damit unsere deutsche Wirtschaft auch funktioniert".
Fragen darf man, ob die Bundesregierung ihren Einfluss wenigstens dazu nutzt, um zu verhindern, dass die Missmanager von der Dresdner Bank auch noch hohe Boni erhalten. Der Allianz-Chef Michael Diekmann hatte ein Paket von mehr als 400 Millionen Euro geschnürt, welche die "Kapitalmarkt-Spezialisten an Boni für 2008" erhalten sollen. Rund 70 Top-Banker hätten feste Zusagen, der Rest werde auf die übrigen Mitarbeiter verteilt. Statt einer Zusatzprämie, wenn die "Ertragsprognose noch übertroffen" werde, sollten die Investmentbanker angesichts der schlechten Ergebnisse und staatlichen Hilfen nun auf Boni verzichten oder gezahlte Prämien zurückerstatten.