Bündnis Sahra Wagenknecht: Eine Protestpartei – für einige Auserwählte?

Seite 2: "Angriffsfläche": Hält Wagenknecht frühere Gefährten auf Abstand?

Für wen die beiden Autoren diese Kritik noch formuliert haben, geht aus der Mail nicht hervor. Doch Unmut war in den zurückliegenden Monaten durchaus zu vernehmen. Aktivisten aus dem Umfeld von Wagenknecht schimpften im vergangenen Jahr über den aus ihrer Sicht schleppenden Parteigründungsprozess. Akteure aus der ehemaligen Linke-Fraktion, darunter mindestens zwei Abgeordnete, beklagten, nicht in den inneren Kreis der Neugründer aufgenommen worden zu sein.

Basisaktivisten aus dem Umfeld des Wagenknecht-Bündnisses hatten daher im vergangenen Jahr vor überzogenen Erwartungen gewarnt. "Neuformierungen, Umgruppierungen, Spaltungen sind (...) nie etwas Abruptes, das von heute auf morgen passiert", hieß es in einem Diskussionspapier der Bündnisses "Was tun?", das sich im Mai in Hannover konstituiert hatte und vor allem friedenspolitische Ziele verfolgt. Neue Formationen, so hieß es aus dieser Richtung, müssten erst ihre Stabilität unter Beweis stellen.

Das Dilemma des BSW im Umgang mit ehemaligen Gefährten

Das BSW startet also mit Wachstumsschmerzen. Was auch erwartbar war, immerhin hatte Wagenknecht selbst vor dem Schicksal anderer Parteien gewarnt, die gekapert und umgekrempelt worden seien.

So habe etwa die AfD heute nichts mehr mit der Idee ihrer Gründerväter Lucke und Henkel zu tun, sagte Wagenknecht der Berliner Zeitung. Die Linke wiederum habe sich von der einstigen Partei der sozialen Gerechtigkeit entfernt. Grundsätzlich will das BSW deshalb langsam und kontrolliert wachsen.

Die Frage ist aber, was auf lange Sicht verträglicher wäre: Hält man ehemalige Gefährten wie Diether Dehm fern vom BSW oder bindet man sie ein? Riskiert man andauernde Kritik aus den eigenen Kreisen oder nimmt man eine potenzielle "Angriffsfläche" in Kauf – gegenüber den Medien, der parteipolitischen Konkurrenz?

Ex-Abgeordnete Zimmermann: mit zweiter Welle nicht zufrieden

Viele stehen durch die Parteigründung im Licht der Öffentlichkeit. Wagenknecht und ihre Mitstreiter genießen das große Interesse, sie vermitteln Aufbruch, Geschlossenheit. Doch der Gründungsprozess wurde auch von Ärger begleitet, denn andere begehren auf: Sie wollen beim neuen Projekt dabei sein, einige am liebsten schon am 27. Januar.

Dann wird das Bündnis Sahra Wagenknecht seinen Gründungsparteitag in Berlin veranstalten. Im früheren DDR-Kino Kosmos sollen rund 450 Erstmitglieder zusammenkommen. Sie verabschieden das Programm für die Europawahl, stellen die Wahlliste auf. Es ist das erste große Partei-Event des BSW.

Ein historischer Tag – für die Anhänger von Wagenknecht

Pia Zimmermann war Bundestagsabgeordnete und Landesvorsitzende der Linken in Niedersachsen. Sie habe "viel für die Linke gegeben und hätte gerne zu den Erstmitgliedern des BSW gehört", sagt Zimmermann auf Anfrage. "Ich persönlich wäre überhaupt nicht zufrieden damit, erst in der zweiten oder dritten Welle aufgenommen zu werden."

Sie habe über Jahre für linke Politik gekämpft, immer an der Seite von Wagenknecht. "Sahra selbst hätte wohl kaum ein Problem damit, wenn Diether Dehm und ich der neuen Partei beitreten würden", sagt Zimmermann. Hinter der Entscheidung vermutet sie vielmehr die Co-Vorsitzende an der Seite Wagenknechts. "Offenbar führt Amira Mohamed Ali eine Liste, auf der Personen stehen, die keine Mitglieder werden sollen."

BSW reagiert nicht auf Anfragen zu angeblicher Liste, Dehm schweigt

Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat bis Redaktionsschluss nicht auf eine Anfrage zu dieser angeblichen Liste geantwortet. Diether Dehm wollte sich nicht öffentlich äußern.

Nach Informationen der Berliner Zeitung und von Telepolis hatte das BSW am 30. Dezember einem kleinen Kreis von künftigen Parteimitgliedern beziehungsweise Parteitagsdelegierten eine Mail gesendet – also wenige Tage, bevor das Schreiben von Dehm und Zimmermann an das Bündnis ging.

In der Rundmail heißt es: "Du bist bitte am 8. Januar um 13 Uhr an deinem Laptop." Also am Gründungstag des BSW. Dann würde, wie mittlerweile geschehen, der Mitgliedsantrag per eigens eingerichteter Adresse versendet.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.