Bündnis Sahra Wagenknecht: Eine Protestpartei – für einige Auserwählte?

Wagenknecht auf einer von ihr organisierten Friedensdemonstration in Berlin. Bild: Ferran Cornellà, CC BY-SA 4.0

Viele setzen Hoffnung in das Bündnis Sahra Wagenknecht. Ablauf der Gründung sorgt aber auch für Frust. Das belegt eine interne Mail an das Büro der Namensgeberin.

Der Name der neuen Partei setzt auf den Markenkern: Anfang dieser Woche wurde mit dem "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) eine neue Formation aus der Taufe gehoben. Wie erfolgreich diese Partei sein wird, ob die Abspaltung von der "Linkspartei" richtig war und ob die Demoskopen das Wählerpotenzial richtig erfasst haben - das wird sich spätestens bei der Europawahl zeigen.

Einige ehemalige Mitstreiter der 54-Jährigen werden allerdings bis auf weiteres nicht dabei sein. 450 Abgeordnete hat die parlamentarische Geschäftsführerin der Wagenknecht-Gruppe im Bundestag am Montag dieser Woche angeschrieben. Die meisten von ihnen werden am Gründungsparteitag der BSW Ende Januar in Berlin teilnehmen. Einige haben die Mail nicht erhalten – und sind darüber nicht glücklich.

Dabei hat Wagenknecht in den vergangenen Wocheneinen vorsichtigen Umgang im Aufbau der neuen Partei oft beschrieben: in Interviews, auf Pressekonferenzen oder in Talkshows. Die meisten ihrer Aussagen dazu betreffen ihre neue Partei, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Einer dieser Sätze lautet: Das BSW dürfe nicht "von Spinnern" gekapert werden.

Dieser Text erscheint in Kooperation mit der Berliner Zeitung.

Das sagte Wagenknecht auch in einem Interview mit unserer Partnerredaktion, der Berliner Zeitung. Und: "Gerade junge Parteien ziehen leider oft auch Glücksritter, Narzissten oder Extremisten an."

Die Vermutung liegt nahe, dass Wagenknecht und ihre Mitstreiter damit vor allem radikale Rechte meinen, etwa Überläufer aus der AfD. Oder eben gänzlich unpolitische Menschen, die Aufmerksamkeit suchen.

Doch das greift zu kurz. Auch einstige Weggefährten fühlen sich ausgegrenzt, darunter langjährige Mitglieder der Linken. Mittlerweile ist mindestens ein Protestbrief in Wagenknechts Bundestagsbüro eingegangen.

Wagenknecht-Anhänger: "Kränkung keine unpolitische Kategorie"

Telepolis und der Berliner Zeitung liegt das Schreiben vor, eine E-Mail mit dem Betreff: "Sind wir etwa Glücksritter?". Sie ist adressiert an "liebe Sahra" und "liebe Amira", also Sahra Wagenknecht und Amira Mohamed Ali, die beiden Frauen an der Spitze des BSW.

Datiert ist die Mail auf den 3. Januar. Fünf Tage später, am vergangenen Montag, wurden Wagenknecht und Ali zu den Vorsitzenden der gerade gegründeten Partei gewählt. Bemerkenswert ist vor allem der Absender der Mail.

Dabei handelt es sich um Diether Dehm, also um den 73-jährigen Liedermacher, Musikproduzenten und ehemaligen Bundestagsabgeordneten, den eine lange gemeinsame Vergangenheit mit Wagenknecht verbindet, politisch wie persönlich. Doch mit dem Neuanfang hat Wagenknecht die engen Bande offenbar gekappt.

Dehm hat die Mail gemeinsam mit der früheren Linke-Abgeordneten Pia Zimmermann verfasst, nach eigenen Angaben im Namen von "27 Genossinnen und Genossen". Sie schrieben aus "Angst, unter die Räder Eures Top-Down-Prozesses zu kommen, den Ihr eigentlich gegen ‚Glücksritter und Extremisten‘ ausgerufen hattet".

Ihre Kritik: Dieser Prozess werde nun "willkürlich gegen seit Jahrzehnten zuverlässige Mitstreiterinnen" gewendet. "Gerade dann, wenn diesen von Medien 'zuviel (sic!) Angriffsfläche' vorgeworfen" werde.

Ob im Bündnis Sahra Wagenknecht nun "Querfront, Kontaktschuld und Verschwörungstheorie" zu "Ausgrenzungsmodi" geworden seien, fragen die Autoren. Das kommt nicht von ungefähr, denn zumindest Dehm eckt immer wieder an.

Alte Mitstreiter begehren Einlass in neue Partei

Er hat sich bereits selbst als "Verschwörungstheoretiker" bezeichnet, brachte einige Medien mit Geheimdiensten in Verbindung. Manche seiner Positionen sind auch in linken Kreisen umstritten. Doch er ist gut vernetzt.

"Nun sagt Ihr: Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Und wir wären ja bloß gekränkt", heißt es in der Mail. "Das mag sein", so Dehm und Zimmermann. "Aber Kränkung (das sehen wir beim deutschen Umgang mit Russland in den letzten 20 Jahren) ist auch keine ganz unpolitische Kategorie."

Ihr Fazit: Alte Mitstreiter "begehren Einlass in die neue Partei, die auch ohne uns nie zustande gekommen wäre. Bei aller Anerkennung der großen Leistungen von Sahra und Amira."

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