Bulgariens Rosenkrieg der Oligarchen

Banker Vassilev vs. Politiker und Medienmogul Peevski: Aus engen Geschäftspartnern wurden Todfeinde, im Hintergrund dürfte es auch um die russische Pipeline South Stream gehen

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Wo ist Tsvetan Vassilev? Das letzte Lebenszeichen hat der Mehrheitseigner der Korporativna Targovska Banka (KTB), Bulgariens viertgrößter Handelsbank, am 23. Juni 2014 aus Wien gegeben, wo er erklärtermaßen wegen dringender Geschäfte weilte.

Hauptsitz der KTB in Sofia. Bild: F. Stier

Eine Woche nachdem die Bulgarische Nationalbank seine KTB wegen drohender Zahlungsunfähigkeit unter ihre Kontrolle genommen hatte, zeigte Vassilev der österreichischen Polizei an, sein früherer Geschäftspartner Deljan Peevski habe ihm eine als Morddrohung zu verstehende SMS gesandt: "Ich gebe dir eine letzte Chance. Ich weiß, wo du bist. Lass mich keine dummen Sachen machen. Ich finde dich", so ihr Wortlaut.

Wenige Tage zuvor hatte die bulgarische Polizei drei Männer unter dem Verdacht festgenommen, sie sollten in Vassilevs Auftrag Peevski ermorden. Tsvetan Vassilev hat seit seinem Signal zu Peevskis vermeintlicher Morddrohung nichts mehr von sich hören lassen, sein Kontrahent Deljan Peevski dagegen gab sich gesprächiger: "Vassilev soll endlich herkommen und sagen, was mit dem Geld der Leute ist. Er hat sich genug versteckt wie eine Maus", giftete der Abgeordnete der "Bewegung für Rechte und Freiheiten" (DPS), der Partei der bulgarischen Türken.

Jahrelang bildeten Vassilev und Peevski ein mächtiges Gespann mit großem Einfluss in Bulgariens Politik, Wirtschaft und Medien. Vassilev nutzte das auf seiner Bank liegende Geldvermögen staatlicher Unternehmen vor allem der Energiewirtschaft für seine Expansion in Branchen wie Telekommunikation und Energiewesen. Auch soll er Peevskis Mutter Irena Krasteva die zum Aufbau der Nova Bulgarska Mediina Grupa (NBMG) nötigen Kredite gewährt haben.

Seit den Übernahmen der Tageszeitungen Telegraph, Monitor und dem Wochenblatt Politika im Sommer 2007 hat sich die NBMG durch rasche Übernahme weiterer Print- und Online-Medien sowie Druckereien und Großunternehmen zum mächtigsten Medienkonzern des Balkanlandes entwickelt. Alle von Krasteva und Peevski aufgekauften Medien zeichneten sich redaktionell dadurch aus, dass sie den Geschäftsinteressen Vassilevs unzweideutig dienten und dessen Konkurrenten und politische Gegner bei Bedarf gnadenlos diskreditierten.

Warum aus den erfolgreichen Geschäfts- und Bündnispartnern Vassilev und Peevski plötzlich Todfeinde wurden, die sich gegenseitig Mordabsichten unterstellen, darüber darf gerätselt werden. Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem auf Druck der Europäischen Kommission eingefrorenen Projekt der russischen Gaspipeline South Stream gelten als eine mögliche Ursache.

"Uneins über die Aufteilung einiger Gazprom-Milliarden"

Der frühere Chef der Gegenaufklärung General Atanas Atanasov vertritt die Hypothese, Vassilev und Peevski seien "uneins über die Aufteilung einiger Gazprom-Milliarden" bei dem Projekt. Wie andere Kommentatoren auch glaubt Atanassov, Russland habe den Erstellungspreis für das bulgarische Teilstück der Pipeline South Stream von ursprünglich 1,8 Mrd € künstlich auf aktuell 3,5 Mrd € hochgerechnet, um mit dem Aufpreis die üblichen Kommissionen bzw. Schmiergelder an bulgarische Politiker zu bezahlen.

"Nicht umsonst hat Europa den Ausgang des Ausschreibungswettbewerbs für die Bauarbeiten für das Projekt attackiert", kommentiert Methodi Andreev, ein früherer Vorsitzender der Kommission für die Unterlagen der kommunistischen Staatssicherheit, den Zuschlag für das russische Bauunternehmen Strojtransgaz des russsischen Milliardärs Genadii Timtschenko. Der Putin-Vertraute ist von der EU im Zuge der Krimkrise auf ihre Sanktionsliste gesetzt worden. www.stg.ru/en/company/company-profile.html Eine der bulgarischen Unternehmen, die South Stream errichten sollten, ist die Promishleno Stroitelstvo Holding. Sie ist nach Recherchen des Wochenblatts Kapital Deljan Peevski zuzuschreiben.

In einem Interview für den Fernsehsender bTV hat Tsvetan Vassilev bestritten, etwas mit South Stream zu tun zu haben. Zwar halte er South Stream für ein für Bulgarien und Europa nützliches Projekt; die Art und Weise aber, wie die ausführenden Unternehmen ausgewählt worden seien, halte er für intransparent und skandalös. "So wie South Stream in Bulgarien konstruiert ist, würde ich nicht wollen, dass meine Bank mit dem Projekt etwas zu tun hat", beteuerte Vassilev gegenüber bTV.

Vassilev begründet den Bruch mit Peevski damit, dass dieser beim ehemals staatlichen Tabakkonzern Bulgartabak riesige Summen entwende und ins Ausland transferiere. "Warum interessiert sich die Staatsanwaltschaft nicht dafür, wer der wirkliche Eigentümer von Bulgartabak ist", wundert er Vassilev. Tatsächlich ist Bulgartabak offiziell im Besitz der Liechtensteiner Offshore-Gesellschaft Livero Establishment, als eigentlich starker Mann im Tabakkonzern gilt aber Deljan Peevski. Der kontert seinerseits mit dem Vorwurf, Tsvetan Vassilev schröpfe seine KTB durch Kreditvergaben an mit ihm selbst verbundene Unternehmen. "Es geht um über eine Milliarde", behauptet Peevski. Seiner Aussage nach ist es zum Verwürfnis mit Vassilev auch deshalb gekommen, weil er dessen politische Ambitionen auf das Amt des Ministerpräsidenten nicht unterstützt habe.

Deljan Peevski ist die verhassteste Person der bulgarischen Politik

Der dreiunddreißigjährige Deljan Peevski ist das Wunderkind der bulgarischen Politik, ohne jegliche Ausbildung war er mit einundzwanzig Jahren bereits parlamentarischer Staatssekretär im Transportministerium und mit fünfundzwanzig stellvertretender Minister für Katastrophenschutz.

Spätestens seit dem Juni 2013 kann der dreiunddreißigjährige Politiker und Medienmagnat als die verhassteste Person der bulgarischen Politik gelten. Damals wollte ihn die Koalitionsregierung aus Sozialisten und Türken www.government.bg zum Chef der Staatlichen Agentur für Nationale Sicherheit (DANS) machen. Seine Ernennung zum Chef des wichtigsten Geheimdienst des Landes löste regierungsfeindliche Massenproteste aus, die das Kabinett von Ministerpräsident Plamen Orescharski monatelang wackeln ließen.

Inzwischen hat Orescharski seinen Rücktritt für Ende Juli angekündigt, dazu haben ihn aber nicht die Demonstranten bewegt, sondern das schlechte Abschneiden der Sozialisten bei der Europawahl Ende Mai. Am 5. Oktober wird es vorgezogene Wahlen zur Bulgarischen Volksversammlung geben.

Das Protestna Mrescha (Protestnetz), der aktive Kern der Protestbewegung gegen Peevskis Ernennung zum Geheimdienstchef, hat im Februar bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen Tsvetan Vassilev, Deljan Peevski und den früheren TV-Moderatoren und jetzigen EU-Abgeordneten Nikolai Barekov wegen Bildung einer Gruppe der organisierten Kriminalität erstattet.

In ihrer Anzeige werfen sie Vassilev, Peevski und Barekov vor, politische, wirtschaftliche und mediale Macht auf unrechtmäßige Weise verknüpft zu haben. Auch gebe es ein auffälliges Auseinanderklaffen zwischen offiziell deklarierten Vermögensverhältnissen und zur Schau gestelltem Lebensstil. Tatsächlich hat Deljan Peevski in den vergangenen Jahren stets bescheidene Einkünfte aus seiner Abgeordneten-Tätigkeit deklariert und angegeben, als Fahrzeug einen Opel für eintausend Lewa (500 €) zu besitzen. Im öffentlichen Raum bewegt er sich jedoch stets umgeben von mehreren Leibwächtern und einer Kolonne aus Luxuslimousinen.

Nikolai Barekkov war bis vor einigen Monaten als Moderator im von Vassilev finanzierten Fernsehsender TV 7 so etwas wie der mediale Anchorman des Tandems Peevski und Vassilev. Dann beendete er seine Fernsehkarriere, um mit der von ihm gegründeten Partei "Bulgarien ohne Zensur" (BBZ) für das Europa-Parlament in Straßburg zu kandidieren. Мit 10% der Wählerstimmen wurde Barekovs BBZ auf Anhieb viertstärkste politische Kraft. Tsvetan Vassilev hat inzwischen bestätigt, den Start von Barekovs politischer Karriere finanziert zu haben. Barekov indes distanziert sich seit Ausbruch des Konflikts zwischen Vassilev und Peevski von beiden, um seine politische Haut zu retten.

Wo ist Tsvetan Vassilev? Bulgariens auflagenstärkstes Boulevarblatt Weekend glaubt seinen Aufenthaltsort und seine Fluchtpläne zu kennen, Die dem Medienimperium Peevskis zugeschriebene Weekend vermutet Vassilev "in der Präsidenten-Suite des Grand Hotel Vienna, dem luxuriösesten Hotels in Wien". Anfang Juni habe Vassilev Bulgarien mit einem Koffer voller 500 €-Scheine im Wert von fünf Millionen Euro verlassen, will Weekend von den üblichen gut unterrichten Kreisen erfahren haben. Nun bemühten sich seine Anwälte für ihn um die englische Staatsbürgerschaft, damit der Bankier über London nach Südafrika fliehen könne. Mit seinen auf Offshore-Konten in der ganzen Welt gebunkerten 300 Millionen Euro, werde Vassilev "keinerlei Probleme haben, gut zu leben, bis ans Ende seiner Tage". In den vergangenen Jahren hat Weekend unzählige Male in ähnlich despektierlicher Weise über Vassilevs Widersacher geschrieben, nun hat sich das Blatt gegen ihn gewendet.