Bundeskabinett debattiert Lobbyregister

Grafik: TP

"Einzelne Kontakte" sollen nicht dokumentiert werden müssen

Heute befasst sich das deutsche Kabinett mit einer geplanten neuen Vorschrift, die Interessensvertreter dazu verpflichten soll, sich registrieren zu lassen, wenn sie bei Regierungsmitgliedern, Ministerialbeamten bis hinunter zum Unterabteilungsleiter, Fraktionen und einzelnen Bundestagsabgeordneten für die von ihnen vertretenen Interessen werben. Das beim Bundestag geführte Register, in dem sie sich dann unter Androhung einer Strafe von bis zu 50.000 Euro eintragen müssen, soll der Öffentlichkeit zugänglich sein.

Nicht der erste Vorstoß

Dort können Bürger dann nicht nur die Namen der Interessensvertreter nachlesen, sondern auch ihre Auftraggeber und ihre "finanziellen Aufwendungen". Was sie dort nicht nachlesen können, sind dem SPD-Politiker Matthias Bartke nach die "einzelnen Kontakte" zu Politikern und Beamten.

Der Versuch, so ein Lobbyregister einzuführen, ist nicht der erste: Vor fünf Jahren lehnte die Koalition aus CDU, CSU und SPD einen solchen Vorstoß der Opposition noch ab. Der inzwischen ausgeschiedene CDU-Abgeordnete Bernhard Kaster sprach damals vom "Bild eines undurchsichtigen Parlamentes mit von Lobbyisten gesteuerten Abgeordneten", das "nichts mit der Wirklichkeit zu tun ha[be]".

Umgehungsmöglichkeiten

Dass die Koalitionsparteien sich nun doch zur Einführung eines Lobbyregisters bereit erklären, liegt allerdings nicht nur an den jüngst bekannt gewordenen Verdachtsfällen mit Politikern wie Georg Nüßlein und Nikolas Löbel (vgl. Maskenskandal in der Union: Von Unrecht und Moral): Ein gemeinsamer Gesetzentwurf von CDU, CSU und SPD wurde nämlich schon am 11. September 2020 an die Ausschüsse weitergeleitet.

Die Registrierungspflicht, die nun voraussichtlich kommt, könnte zwar die Transparenz heraufsetzen, wird geheime Absprachen aber wahrscheinlich nicht ganz verhindern. Es gibt schließlich auch "rein private Treffen", die sich "nicht im Terminkalender finden". Zudem dürften Interessensvertreter ihre offiziellen Rollen dann vermutlich noch etwas unschärfer gestalten, so dass noch etwas verschleierter bleibt, für wen sie wie agieren.

In den letzten Jahrzehnten hat sich hier vor allem das "Astroturfing" über NGOs als wirksame Methode erwiesen, Interessen ohne öffentliche Kritik durchzusetzen. Und schließlich gibt es da noch die Drehtüren zwischen Politik, Unternehmen und Stiftungen mit bemerkenswert hohen Vergütungen und locker sitzenden Abmahnanwälten (vgl. Nominierter EU-Kommissar unter Lobbyistenverdacht).

"Tyrannei" der Spezialinteressen

Warum ein Lobbyregister die Einflussnahme vielleicht umständlicher machen, aber nicht beenden wird, wird, erklärte der Fiskaltheoretiker Vilfredo Pareto bereits 1897, als er sich mit dem Phänomen der "rationalen Ignoranz" und seiner Rolle in der "Tyrannei" der Spezialinteressen beschäftigte. Pareto zeichnete dazu das imaginäre Beispiel eines Landes mit 30 Millionen Einwohnern: Unter einem beliebigen Vorwand wird in dem Beispiel jedem der Einwohner ein Franc jährlich genommen. Die dadurch zustande kommende Summe wird unter nur 30 Personen aufgeteilt. Jeder der Begünstigten erhält so eine Millionen Franc jährlich. Die beiden Gruppen - Zahler und Empfänger - werden sich in ihrer Reaktion auf die Maßnahme ganz erheblich unterscheiden.

Jene, denen die Million winkt, werden weder bei Tage noch bei Nacht ruhen, um ihrem Interesse Gehör zu verschaffen. Sie werden - legal oder illegal, offen oder verdeckt - massiven Einfluss auf Medien und auf Politiker nehmen, um ihre finanziellen Interessen durchzusetzen: "Eine diskrete Hand wird die Handflächen bedürftiger Gesetzgeber und Minister wärmen." Für denjenigen, der einen Franc verliert, lohnt sich ein entsprechender Aufwand nicht. Hinzu kommt, so Pareto, dass zahlreiche ökonomische Angelegenheiten so kompliziert sind, dass nur sehr wenige Leute sie halbwegs verstehen.1

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