Bundeswehr bald auf der Jagd auf deutsche Staatsbürger in Syrien?

Seite 3: Mandat des Bundestages?

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Am 1. Dezember 2015 entschied das Bundeskabinett über die Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Syrien. Nun soll der Bundestag der Bundesregierung ein entsprechendes Mandat gewähren. Allerdings fehlt bis heute ein tragfähiges internationales Konzept für eine politische Friedenslösung für den Bürgerkrieg. Daher wäre jeder Militäreinsatz ein zeitlich unbefristetes Unterfangen.

Die amtierende Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen begründete den Bundeswehreinsatz am 26. November gegenüber dem ZDF so: "Um diese Mörderbande zu stoppen, dieses brutale Töten und das Schinden der Menschen in dieser Region zu beenden, braucht es militärische Mittel. (…) Die bittere Wahrheit ist, dass der IS unmissverständlich ja bereits klar gemacht hat, dass auch Deutschland in seinem Fadenkreuz steht." Dennoch sei dieser Krieg deshalb kein Krieg, da der Islamische Staat kein Staat sei, schwadronierte Frau Doktor. Immerhin räumte sie ein: "Das ist ein gefährlicher Einsatz, ganz ohne Zweifel."

Außerdem fehlt für die alliierten Militäroperationen gegen den Islamischen Staat seit 2014 ein Mandat des UN-Sicherheitsrates. Es gibt lediglich die UN-Resolution Nr. 2249 vom 20. November 2015, die nur Maßnahmen zur Terrorabwehr erlaubt:

Der Sicherheitsrat (….) fordert die Mitgliedstaaten, die dazu in der Lage sind, auf, unter Einhaltung des Völkerrechts, insbesondere der Charta der Vereinten Nationen sowie der internationalen Menschenrechtsnormen, des Flüchtlingsvölkerrechts und des humanitären Völkerrechts, in dem unter der Kontrolle des ISIL, auch bekannt als Daesh, stehenden Gebiet in Syrien und Irak alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und ihre Anstrengungen zu verstärken und zu koordinieren, um terroristische Handlungen zu verhüten und zu unterbinden, die insbesondere vom ISIL, auch bekannt als Daesh, sowie von der Al-Nusra-Front und allen anderen mit Al-Qaida verbundenen Personen, Gruppen, Unternehmen und Einrichtungen und anderen terroristischen Gruppen begangen werden.

UN-Resolution Nr. 2249

Schon in Afghanistan waren fünf Dschihadisten aus der BRD durch US-Drohneneinsätze getötet worden: Ahmad B., Shahab Dashti Sineh Sar, Bünyamin Erdoğan Samir H. und "Abu Omar". Schon damals stellte sich die Frage, in welchem Umfang die deutschen Sicherheitsbehörden Information an die US-Streitkräfte weitergegeben hatten, die zur extralegalen Tötung der Dschihadisten aus Deutschland führten.

Die Ermordung des deutschen Staatsbürgers Bünyamin Erdoğan durch die US Regierung beschäftigte den Deutschen Bundestag. Zur Rechtslage der so genannten "gezielten Tötungen" führte der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Nešković (Die Linke), ein früherer BGH-Bundesrichter, folgendes aus:

Nach deutschem Recht ist ein Terrorist ein Straftäter. Und er muss wie ein Straftäter behandelt werden, man muss versuchen ihn festzunehmen und dann muss im Gerichtssaal geklärt werden, ob er wirklich ein Straftäter ist, ob es auch nur einen solchen Verdacht gibt. Und dann steht am Ende ein Urteil, das Urteil ist mit Sicherheit kein Todesurteil. Denn in deutschen Gerichtssälen ist der Tod nicht zu Hause, wir haben die Todesstrafe abgeschafft. Das ist die Grundlage im Grundgesetz und deswegen kann jemand nur als Terrorist vor Gericht verurteilt werden, aber nicht ermordet werden. (...)

Und da kann man nicht einfach sagen, das ist für mich ein Kampfgebiet und da töte ich, so wie ich es will. Das ist eben alttestamentarische Willkür, das hat mit Recht nichts zu tun. Das Recht ist eine zivilisatorische Errungenschaft, die verteidigt werden muss, weil wir uns da vor Willkür schützen. Hier wird hinter verschlossenen Türen über Leben und Tod eines Menschen entschieden. Ohne das feststeht, ob dieser Mensch überhaupt schuldig ist.

Kampfdrohnen in der Hand von Militärs, Agenten, Terroristen und Familienvätern

Mit dem Tornado-Einsatz will die deutsche Bundesregierung erneut den amerikanischen, französischen und möglicherweise auch britischen Luftstreitkräften Informationen liefern, um deutsche Staatsbürger zu töten, zumindest nimmt die Bundesregierung dies billigend in Kauf. Wenn nur wenige Deutsche getötet werden, dann war der Tornado-Einsatz ein militärischer Misserfolg und somit militärpolitisch überflüssig. Wenn aber der Tornado-Einsatz zum militärischen Erfolg werden würde, bedeutete dies, dass mit der steigenden Opferzahl auch entsprechend viele Dschihadisten aus Deutschland unter den Toten sein werden.

Mit einer steigenden Zahl von "Märtyrern" steigt wiederum die Gefahr, dass die in der BRD lebenden Syrien-Rückkehrer Blutrache nehmen. Auch Bundeswehrkasernen könnten ins Visier der Dschihadisten geraten. Es wäre das erste Mal, dass deutsche Zivilisten in der BRD deutsches Militär bewaffnet angriffen. Auch könnten Dschihadisten unter den Bundeswehrsoldaten die eigene Truppe angreifen. In den letzten Jahren wurden bereits mehrfach Dschihadisten innerhalb der Bundeswehr identifiziert und aus der Truppe entfernt. Insgesamt handelte es sich um 140 Verdachtsfälle; bei 18 Soldaten bestätigte sich der Verdacht.

Angesichts dieser Umstände erklärte der Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter André Schulz: "Wenn Deutschland und die Bundeswehr in Syrien aktiv tätig werden, rückt Deutschland noch eher in den Fokus für Anschläge." Es heißt, nach einem islamistischen Terroranschlag wäre die Bundesrepublik eine andere Republik. Schon schwärmen rechtsgerichtete Politiker wie Bundesminister Wolfgang Schäuble von einem Einsatz der Bundeswehr im Innern.

Der Grüne-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele kündigte an, er werde eine Mandatierung ablehnen: "Ich werde diesem Kriegseinsatz nicht zustimmen, weil er brandgefährlich und falsch ist. Ich habe das schon einmal erlebt, vor fast 14 Jahren. Auch der damalige Afghanistan-Einsatz wurde damit begründet, dass wir uneingeschränkte Solidarität mit den USA üben müssen. Das allein reicht als Kriegsgrund nicht aus."

Gegen einen Beschluss des Bundestages wird die Links-Partei möglicherweise vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe klagen. Dennoch gab sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann optimistisch: "Ich habe keinen Zweifel, dass dieses Engagement auch vor dem Bundesverfassungsgericht bestehen wird."

Laut einer ZDF-Umfrage sind 47 Prozent der Befragten für einen deutschen Militäreinsatz gegen den IS, dagegen sind 46 Prozent. Nicht weniger als 74 Prozent der Deutschen befürchten, dass es in nächster Zeit auch in Deutschland zu Anschlägen kommt.

Neben der Intervention in den syrischen Bürgerkrieg will die Bundesregierung bis zu 650 Soldaten zur "Mission multidimensionnelle intégrée des Nations Unies pour la stabilisation au Mali" (MINUSMA) und zur "EU Training Mission" (EUTM) nach Mali entsenden, um die dortigen Bundeswehrkräfte (z. Zt. maximal 350 Soldaten) zu verstärken und die französischen Streitkräfte zu entlasten.