Bundeswehr im zunehmenden Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte

Geplante Dienstpostenkürzungen im neuen Stationierungskonzept der Bundeswehr

Das neue Stationierungskonzept ist für die Bundeswehr als Arbeitgeber eine schwere Hypothek

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Neuausrichtung der Bundeswehr ist in vollem Gange. Das im Zuge dessen neu entwickelte Stationierungskonzept legt fest, wo und in welchem Umfang die Bundeswehr künftig in Deutschland vertreten sein wird. Auffällig ist, dass vor allem im Westen Deutschlands Standorte geschlossen bzw. signifikant verkleinert werden. Dass das Gefahren birgt, soll der folgende Beitrag beleuchten.

Die Bundeswehr ist seit längerer Zeit darum bemüht, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, um im schärfer werdenden Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte bestehen zu können. So wurden über den Titel "Haushaltsmittel zur Nachwuchswerbung" in den Jahren 2005 bis 2009 etwa 17,6 Millionen Euro in den Aufbau einer Arbeitgebermarke investiert.1 Im Jahr 2010 waren es 12 Millionen und im Jahr 2011 bereits 16 Millionen Euro. Die (bisherige) Spitze wurde 2012 mit ca. 29 Millionen Euro erreicht.2

Vor allem Jugendliche mit höherem Bildungsniveau, insbesondere aus dem Süden der Republik, halten den Arbeitgeber Bundeswehr jedoch nicht für attraktiv und treten immer seltener in die Bundeswehr ein.3 Verteidigungsminister de Maizière bemängelte dies unlängst (indirekt):

Deshalb sage ich einigen süddeutschen Ländern allerdings auch: Gemessen am Bevölkerungsanteil muss euer Anteil an der Rekrutierung höher sein.

de Maizière 2012

Aus Sicht der Bundeswehr wäre dies durchaus wünschenswert, denn gerade in Süddeutschland sind die Bildungsstandards allgemein bildender Schulen im Vergleich zu den meisten anderen Bundesländern höher, sodass die Qualität des Personals steigen würde, was der als "Hochleistungsarmee" konzipierten Bundeswehr entgegenkäme. Doch "zum Dienst befehlen" lassen sich qualifizierte junge Erwachsene der Generation Y nach der Aussetzung der Wehrpflicht Mitte 2011 nicht mehr. Hier zählt allein die Attraktivität als Arbeitgeber.

Daher stellt sich die Frage, ob das am 26. Oktober 2011 von Verteidigungsminister de Maizière unterzeichnete neue Stationierungskonzept der Bundeswehr, das in den nächsten Jahren umgesetzt werden soll, einen Beitrag zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität leisten wird, oder damit auch Gefahren verbunden sind?

Das neue Stationierungskonzept

Mit dem neuen Stationierungskonzept möchte die Bundeswehr ihre Einsatzbereitschaft und Bündnisfähigkeit für die Zukunft sichern. Erklärtes Ziel ist es, dadurch "durchhaltefähig bis zu 10.000 Soldatinnen und Soldaten in zwei Einsatzgebieten bereitstellen zu können. Darüber hinaus soll die Beteiligung an einem maritimen Einsatz möglich sein".4

Die Erreichung dieses Zieles hängt jedoch ganz entscheidend davon ab, ob die Bundeswehr zukünftig das dafür notwendige (qualifizierte!) Personal gewinnen kann. Der jährliche Personalbedarf im Bereich Streitkräfte liegt auch weiterhin bei ca. 20.000 und ist somit im Vergleich zu anderen Arbeitgebern besonders hoch.

Bundeswehr verschwindet aus der Fläche.

Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des neuen Stationierungskonzeptes war die Bundeswehr noch an 394 Standorten vertreten. Zukünftig werden es lediglich noch 264 Standorte mit mindestens 15 Dienstposten sein.5 Die Bundeswehr wird in den kommenden Jahren immer mehr aus der Fläche verschwinden.

Die deutliche Standortreduzierung senkt die Bekanntheit des Arbeitgebers Bundeswehr, was sich negativ auf das Arbeitgeberimage auswirkt. In Bundesländern, die besonders stark von Standortschließungen bzw. -verkleinerungen betroffen sind, wird die Attraktivität des Arbeitgebers Bundeswehr aufgrund des verminderten regionalen Angebots an Arbeitsplätzen zurückgehen. Zudem sind die übrig bleibenden Standorte zwar aus militärischer Sicht größtenteils ideal gelegen, jedoch häufig in tiefster Provinz, was gerade qualifizierte jugendliche Bewerber (Generation Y) abschrecken dürfte.

Hinzu kommen die internen Auswirkungen der Standortreduzierung. Viele Bundeswehrangehörige werden künftig weitere Anfahrtswege auf sich nehmen oder gar umziehen müssen - die Arbeitgeberattraktivität wird das nicht erhöhen.

Dienstpostenkürzungen verstärkt im Westen

Ein Blick auf die Abbildung macht deutlich, dass vor allem im Westen Dienstposten gestrichen werden: prozentual am stärksten in Schleswig-Holstein, Bremen, Hessen, Saarland, Baden-Württemberg und Bayern. Insgesamt umfassen die Kürzungen im Westen 74.000 Dienstposten, im Osten sind es lediglich 10.000.

Es werden daher erhebliche Anstrengungen erforderlich sein, um die Bundeswehr attraktiver erscheinen zu lassen. Angesichts der (erneut gestiegenen) Abbrecherquote von knapp einem Drittel (30,4 %) bei den freiwillig Wehrdienst Leistenden oder von durchschnittlich nicht einmal drei Bewerbern pro Stelle für die Laufbahnen der Zeit- und Berufssoldaten bleibt auch nicht mehr viel Zeit.6

Vor allem in Bayern und Baden-Württemberg dürfte es zukünftig noch schwerer werden, qualifizierte Jugendliche für den Dienst in der Bundeswehr zu gewinnen, so dass der Wunsch des Verteidigungsministers nach einem künftig höheren Anteil Süddeutscher in der Bundeswehr unerfüllt bleiben wird.

Geplante Dienstpostenkürzungen im neuen Stationierungskonzept der Bundeswehr

"Demografiefest"?

Den einführenden Worten zum neuen Stationierungskonzept folgend gilt es, "die Struktur demographiefest zu gestalten".7 Dies macht auf einen zentralen limitierenden Faktor für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr aufmerksam. Neueste Berechnungen haben ergeben, dass die deutsche Bevölkerung von ca. 81,5 Millionen Menschen im Jahr 2010 auf ca. 64,6 Millionen im Jahr 2060 zurückgehen wird. Die Jugendbevölkerung - und damit die Hauptzielgruppe der Bundeswehr - wird im gleichen Zeitraum um ein Mehrfaches zurückgehen. Beispielsweise sinkt die Zahl der 18-19-jährigen deutschlandweit um 37% von 848.000 im Jahr 2010 auf 536.000 im Jahr 2060.8.

Vor diesem Hintergrund wäre es daher naheliegend, gerade dort Dienstposten zu streichen, wo die rekrutierungsrelevante Bevölkerung am stärksten zurückgeht. Da die Zahl der rekrutierungsrelevanten Jugendlichen in den ostdeutschen Bundesländern schneller sinkt als in westdeutschen, wird deutlich, dass solche Überlegungen bei dem neuen Stationierungskonzept keine wesentliche Rolle gespielt haben. Gerade für die Länder Bayern, Hessen und Baden-Württemberg fällt die Prognose vergleichsweise günstig aus.9, so dass es besonders gefährlich ist, gerade in diesen Ländern derart viele Dienstposten zu streichen.

Fazit

Betrachtet man das neue Stationierungskonzept, scheint bei den Entscheidern noch nicht vollständig angekommen zu sein, dass die Bundeswehr zumindest hinsichtlich der Personalbeschaffung ein normaler Arbeitgeber geworden ist.

Der hohe jährliche Personalbedarf kann nicht mehr rekrutiert werden - er muss in Konkurrenz mit anderen Unternehmen vielmehr akquiriert werden. Das stellt die Bundeswehr vor große Herausforderungen, und die Standortreduzierung lastet als schwere Hypothek auf den Bemühungen, die Arbeitgeberattraktivität zu steigern.

Andreas Fölsing (Dipl.-Kfm.), Lehrstuhl für BWL, insb. Organisation und Planung, Fakultät für Wirtschaftswissenschaft an der FernUniversität in Hagen.

Literatur