Bundeswehr will mit "Reality-Doku" Rekruten werben

"Wird draußen gespielt." Aus dem Trailer "Die Rekruten".

Gezeigt werden soll auf YouTube, "wie es ist", nämlich die Grundausbildung, die aus Zivilisten Soldaten macht und natürlich höchst spannend sein soll

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Die Bundeswehr soll aufgerüstet werden, weil die Bundesregierung sie im Rahmen der Nato und der EU zunehmend auch bei Auslandseinsätzen gefordert sieht, dazu kommt die beschworene Bedrohung durch die russische Gefahr. Aber es fehlt nicht nur an Material, wie in letzter Zeit immer deutlicher wurde, sondern auch an Personal, um Deutschland irgendwo in der Welt zu verteidigen. Der Rüstungshaushalt müsste deutlich erhöht werden, zudem müsste die Bundeswehr für Rekruten attraktiver gemacht werden.

Die angestrebte Personalstärke der Bundeswehr sind 170.000 Frauen und Männer, die als Berufs- und Zeitsoldaten Deutschland dienen. Bislang sind es ein wenig mehr 167.000, erfüllen lässt sich das Soll irgendwie schon länger nicht. Trotz aller Werbekampagnen und mancher Reformen der Arbeitszeit oder der besseren Vereinbarkeit von Dienst und Familie.

Das hat die Bundeswehr mit anderen Berufsarmeen gemeinsam, die alle darum kämpfen, nicht nur ausreichend Personal zu werben, sondern vor allem auch kompetente Menschen, die für die steigenden technischen Anforderungen geeignet sind. Es muss nicht nur um die Gehälter und Karriereperspektiven mit der Privatwirtschaft gekämpft werden, sondern auch um den Arbeitsalltag, der vor allem durch Hierarchien und Befehls- und Gehorsamsstrukturen mitsamt Uniformen und Drill gekennzeichnet ist, die viele nicht gerade anziehend finden. Dazu kommt, dass man eben auch damit rechnen muss, im Ausland bei Kriegseinsätzen Dienst leisten zu müssen und damit im ausgerufenen postheroischen Zeitalter der westlichen Staaten auch mit Tod und Verletzung rechnen muss. Berufsarmeen senken daher die Erfordernisse, versuchen, die fehlenden männlichen Bewerber durch Frauen zu kompensieren, und verändern zumindest in Teilen die militärische Disziplin.

Werbung der Bundeswehr für den Start der Serie.

Jetzt will die Bundeswehr einen schon sich verschleißenden Trend aufnehmen und über YouTube eine "Reality-Doku" veröffentlichen - begleitet von einer Socialmedia- und Plakatkampagne, die noch einmal mit zusätzlichen 6,2 Millionen veranschlagt wird. Man will also Aufsehen erregen und die jungen Menschen auf ihren Kanälen (Facebook, YouTube, Instagramm etc.) abfangen, um sie ins richtige Leben als Soldaten zu führen. Ab 1. November werden "Die Rekruten" 3 Monate lang täglich in 5-Minuten-Clips ins Netz gestellt. Den Trailer gibt es schon.

Die Zuschauer können zwölf Rekruten - zehn Männer und zwei Frauen - bei ihrer Grundausbildung an der Marinetechnikschule Parow bei Stralsund verfolgen: "Die Serie zeigt hautnah, wie aus jungen Zivilisten junge Soldaten werden." Die Bundeswehr wirbt damit, dass hier gezeigt werden soll, "wie es ist", also Realität. Mit Reality hat ein Ausschnitt von 5 Minuten pro Tag allerdings von vorneherein wenig zu tun, geboten wird wohl eine Montage der Attraktionen, die die langweiligen und tristen Phasen der Ausbildung ausblendet. Mit dem Drehen wurde bereits im Oktober begonnen.

Aus dem Trailer.

"Wir zeigen die Höhen und bewusst auch die Tiefen. In den drei Monaten Grundausbildung kommt jeder Rekrut an seine Grenzen", sagt Dirk Feldhaus, Beauftragter für die Kommunikation der Arbeitgebermarke Bundeswehr. Die sollen eben mehr als nur eine Ausbildung bieten, irgendwie geht es um Drama, Selbstfindung, Abenteuer, Flucht aus dem Alltag - und das ausgerechnet in die Grundausbildung hinein - aber die soll ja "die intensivste Zeit" der Karriere" werden, so das Versprechen. "In zwölf Wochen durchleben die jungen Leute eine spannende Entwicklung, werden an ihre Grenzen geführt und entdecken ihre eigenen Stärken. Wir zeigen das auf Augenhöhe mit den jungen Menschen und räumen gleichzeitig mit den alten Klischees über die Bundeswehr auf."

Das deutet darauf hin, dass man das "echte Leben" zeigen will, also möglichst dramatische Szenen für die gelangweilten jungen Menschen, die man zum Abenteuer über die Bundeswehr verlocken will, indem dort gemacht werden kann, "was wirklich zählt". Krieg oder die Androhung von Waffengewalt soll der Kern der Wirklichkeit sein. Das Verteidigungsministerium und damit die Bundesregierung setzt damit Politik als die Kunst des Verhandelns und der Konsensfindung herab, um den Kampf um Leben und Tod als primär zu setzen. Naja, das auch nicht wirklich, denn mit dem Todesrisiko wirbt man auch nicht so viele Rekruten, sondern schon eher mit einer lukrativen Karriere.

Aus dem Trailer

Die Produktionskosten der Serie sind mit veranschlagten 1,7 Millionen ziemlich banal und eigentlich der Aufregung nicht wert. "Cooles projekt aber was kostet da 1.7 Millionen?", heißt es in einem Kommentar. Damit werden sicher keine wichtigen Investitionen in die Ausstattung der Bundeswehr verschoben, wie der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), kritisiert. Peter Ritter von den Linken bezeichnet das Vorhaben als : "Nach 'Bauer sucht Frau' kommt nun eine neue Show 'Uschi sucht Soldaten'". Und sagt: "Werbefilmchen fürs Sterben im Ausland braucht niemand", so Ritter.

Aber genau darum geht es. Schließlich ist das auch die Attraktivität von islamistischen Gruppen, die nicht nur die Ausführung von Massenmorde propagieren, sondern mit dem Kult von Waffen und Technik auch die Sehnsucht nach Wirklichkeit durch das Spiel mit der Gefahr und dem Tod, das einzige irreversible Ereignis, das jeder Simulation entgeht, sozusagen die blaue Blume von Digitalien.

"Wir haben gerade 5 Uhr." Aus dem Trailer