Busfahrer verzweifelt gesucht: Wer will den Job noch machen?
Kunden sind genervt, die Berufsgruppe ist am Limit. Dem ÖPNV fehlen Nachwuchskräfte – in Deutschland wie in Österreich. Gespräch mit einem Gewerkschafter.
In der kommenden Woche werden in Deutschland bundesweit Busse und Bahnen bestreikt. Die Arbeitsbedingungen stehen in der Kritik – und das bleibt nicht ohne Folgen: Rund 8.000 Busfahrerinnen und Busfahrer fehlen hier bereits, Tendenz steigend. Ähnliche Probleme gibt es im Nachbarland.
Fachkräftemangel im ÖPNV: Ursachen und Auswirkungen
Markus Petritsch leitet den Fachbereich "Straße" der österreichischen Gewerkschaft vida und zuständig für die Vertretung der Busfahrer. Ähnlich wie in Deutschland mit "Wir fahren zusammen" hat sich auch in Österreich ein Bündnis zwischen Gewerkschaften und Klimabewegung gebildet, das vor gemeinsamen Kampfmaßnahmen nicht zurückschreckt.
Mit Telepolis sprach Petritsch über die Lage des öffentlichen Personenverkehrs und der Berufsgruppe sowie die Notwendigkeit einer sozial-ökologischen Verkehrswende.
Busfahrer auf der Mangelberufsliste: Ein neues Phänomen
Busfahrer befinden sich 2024 erstmals auf der Mangelberufsliste in Österreich. Wie ist dies zu erklären?
Markus Petritsch: In den letzten Jahren sind die Arbeitsbedingungen schlechter geworden. Vor allem der Arbeitsdruck für die Busfahrerinnen und Busfahrer hat immer mehr zugenommen. Kürzere Taktungen des Linienverkehrs und ähnliches. Für jüngere Fahrerinnen und Fahrer ist der Job unattraktiv, weil Dienste bis zu 15 Stunden am Tag dauern und man 24/7 in der Woche unterwegs sein kann.
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Da leidet die Familie darunter. Das ist für junge Arbeitnehmende einfach uninteressant. Ich bin aber ein Kritiker der Mangelberufsliste, weil wir als Gewerkschaft seit Jahren daran arbeiten, dass es Verbesserungen im rahmenrechtlichen Bereich gibt.
Das wird aber von der Wirtschaft nicht gewünscht. Man will aus Drittländern Leute herkarren. Aber das funktioniert nicht, denn viele Berufe sind seit vielen Jahren auf der Mangelberufsliste und es gibt keine Verbesserungen. Ohne Attraktivierung des Berufsbildes, Verbesserungen des Kollektivvertrages und im Rahmenrecht wird sich nichts tun.
Frauen im ÖPNV: Wege zur Gleichstellung
Der Beruf ist sehr männlich dominiert. Wie kann mehr Busfahrerinnen der Einstieg geebnet werden?
Markus Petritsch: Da muss ich sagen, hat sich das Blatt in den letzten Jahren gewendet. Wir sehen, dass die Frauenquote steigt. Zwar nur langsam, aber sie steigt. Das ist sehr interessant. Sie steigt in allen Bereichen. Auch in der Güterbeförderung genauso.
Gibt es spezifische Maßnahmen zur Verbesserung?
Markus Petritsch:: Wir haben ein großes Problem mit der sozialen Infrastruktur. Das heißt fehlende Pausenräume und Toilettenanlagen. Es muss einfach der Beruf familienfreundlicher gestaltet werden.
"Eher skeptisch, was E-Busse betrifft"
Wie steht die Gewerkschaft vida zu einer Umstellung auf E-Mobilität?
Markus Petritsch: Die Stadt Wien ist hier sicherlich Vorreiter. Die Einrichtung von E-Bussen ist im städtischen Bereich sicherlich sinnvoll. Obwohl die Einrichtung von Oberleitungsbussen wie in Salzburg und anderen großen europäischen Städten sinnvoller ist, weil die E-Busse in Wien über Oberleitung nur aufgeladen werden.
Dadurch entstehen langen Ladezyklen. Gleichzeitig ist Wien auch Vorreiter bei Wasserstoffbussen. Ich bin, was E-Busse betrifft, eher skeptisch und denke, dass die Wasserstoffbusse zukunftsweisender sind. Insbesondere im ländlichen Raum, wo einfach größere Distanzen mit dem Bus zurückgelegt werden, müssen. Die Taktungen auf dem Land sind mit E-Mobilität aus meiner Sicht nicht zu erreichen.
Gewerkschaft und Klimabewegung: Eine notwendige Allianz
Gewerkschafts- und Klimabewegung erkennen zunehmend die Notwendigkeit, wie in Deutschland. Im Januar hat die vida das Bündnis "Wir fahren gemeinsam" gestartet. Wie kam es dazu und was sind die Forderungen?
Markus Petritsch: Das war durchaus ein wenig ein Zufall. Ich habe die Klimaaktivisten persönlich beim ÖGB-Kongress im Juni 2023 kennengelernt und wir haben kurze Gespräche geführt. Wir haben dann ein Treffen bei der vida vereinbart, wo wir die gemeinsame Interessenlage ausgelotet haben.
Wir haben die Kooperation in Deutschland von ver.di mit Fridays for Future und System Change not Climate Change mitverfolgt und uns gedacht, das ist wirklich eine gute Geschichte. Die vida fordert nicht erst seit diesem Jahr den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, sondern schon seit vielen, vielen Jahren.
Voraussetzung für jeden Ausbau: "Genug zufriedenes Personal"
Nur heirbei gibt es ein Faktum, das wir als Gewerkschaft nicht genug betonen können: Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs funktioniert nur, wenn wir genügend Personal haben. Und genug zufriedenes Personal! Ich kann gerne heute 5.000 Busse bestellen, aber wenn ich nicht 5.000 Fahrerinnen und Fahrer habe, dann wird dieser Wandel nie gelingen. Wir haben gemeinsame Interessen.
Fridays for Future und System Change wollen den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. In dieser Konstellation sollten dann auch Protestmaßnahmen möglich sein, wenn wir uns am Verhandlungstisch nicht einigen können.
Green Jobs: Voraussetzung für eine erfolgreiche Verkehrswende
Nur wenn Green Jobs auch gute Jobs sind, wird der Umbau gelingen?
Markus Petritsch: Absolut. Da helfen auch keine Mangelberufslisten. Es gibt da gewisse Agenturen, denen zahlen die Busunternehmen pro Fahrer 7.000 Euro, damit die Agentur im Ausland nach geeigneten Fahrern sucht. Das zeigt doch eindeutig, die Unternehmen sind bereit Geld zu investieren. Aber warum nur für Mitarbeiter aus Drittländern? Warum nicht in bessere Bedingungen in Österreich investieren?
Nur dann hat man auf dem nationalen und auch auf dem europäischen Markt die Möglichkeit, Leute zu rekrutieren. Diplomatisch ausgedrückt finde ich es sehr bedenklich, dass man irgendwie für alles Geld hat – und das sind übrigens öffentliche Gelder. Also man buttert Steuergelder in Agenturen für Mitarbeiter, bei denen man nicht weiß, ob die belieben werden, bevor man die Arbeitsbedingungen in Österreich verbessert.
Außerdem fehlen die Arbeitskräfte dann in den Ländern, in denen sie abgeworben wurden. Dort besteht auch die Notwendigkeit eines Umbaus – nicht wahr?
Markus Petritsch: Genau so ist es. Zudem zeigt sich beispielsweise in der Gastronomie, dass die Arbeitnehmer einfach nicht in Österreich bleiben. Man muss sich auf die Arbeitsbedingungen konzentrieren und dann kann man Menschen begeistern, den Beruf zu machen.
Kollektivverhandlungen im ÖPNV: Was steht auf dem Spiel?
Im Frühjahr beginnen die Arbeitsgruppe für die kommenden Kollektivverhandlungen im Autobusbereich. Welche Schritte sind bis dahin geplant?
Markus Petritsch: Im Jahr 2023 hat es leider keine Einigung gegeben, da hat man hauptsächlich über die geteilten Dienste diskutiert. Es gab keine Bereitschaft der Arbeitgeber, die abzuschaffen oder zu korrigieren.
Was bedeutet "geteilte Dienste"?
Markus Petritsch: Das sind Dienste, wenn ich in der Früh den Schülerverkehr mache, so zwischen fünf und sieben Uhr, dann bin ich meistens sechs bis sieben Stunden irgendwo stationiert. Diese Pause wird mir aber nicht bezahlt! Am Nachmittag bringe ich die Schüler dann wieder nach Hause. De facto wird nur die Lenkzeit, aber nicht die Wartezeit bezahlt.
Mangelhaft: Regelungen für Nacht- und Sonntagsarbeit
Verstehe, zurück zu den Kollektivverhandlungen.
Markus Petritsch: Anfang März gibt es eine entscheidende Sitzung. Neben der Abschaffung der geteilten Dienste sollte die Loyalität zum Unternehmen muss finanziell abgegolten werden. Also belohnt wird, wenn man viele Jahre im gleichen Unternehmen tätig ist.
Heute ist es so, dass wenn ich als Busfahrerin oder Busfahrer beginn, dann erhalte ich de facto den gleichen Lohn wie jemand, der bereits zwanzig Jahre im Unternehmen tätig ist. Da sind genau 17 Euro brutto Unterschied. Wir brauchen vernünftige Regelungen für die Nacht- und Sonntagsarbeit, mit entsprechenden Zuschlägen, um diese Tätigkeit attraktiver zu machen.
Wie könnten gemeinsame Aktionen mit der Klimabewegung aussehen? Oder darf das noch nicht verraten werden?
Markus Petritsch: Wir haben über gewisse Themen geredet. Vieles ist noch offen, ich darf aber definitiv sagen, es werden Protestmaßnahmen im Vorfeld zu den nächsten Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst 2024 stattfinden. Natürlich warten wir erst die Verhandlungsrunde im März ab, aber wir sind kampfbereit. Es sind Aktionen vor der Wirtschaftskammer geplant und dergleichen.
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