Bush attackiert "Old Europe"
Künstlich geschürte Angst vor "Frankenfood"?
Georges W. Bush braucht für den wirtschaftlichen Erfolg den Verkauf genetisch modifizierter Pflanzen und Produkte. Seine Klage vor der World Trade Organisation (WTO) gipfelt in der Behauptung, die Europäer seien von unbegründeter, unwissenschaftlicher Furcht getrieben. Dafür setzt er sich über "Frankenfood" und landeseigene Kritik am Postmarketing hinweg.
Die Küstenwache in New London kam zu ungeahnten Ehren: Georges W. Bush, der US Präsident, hat die Kadetten, die üblicherweise zur Seenotrettung und gegen Drogendealer eingesetzt werden, am Mittwoch über die Probleme der US Landwirtschaft aufgeklärt. Das Segelschulschiff "Eagle", eine Dreimastbark, 1936 als "Horst Wessel" in Dienst gestellt und von den USA am 15.Mai 1946 konfisziert, bot den rechten Hintergrund, um zu betonen:
Wir sind eine Nation, die Kontinente und KZs befreit hat. Wir sind die Nation des Marshall Plans, der Berliner Brücke und des Friedenscorps.
Doch die Deutschen und die Europäer sind undankbar, so der Tenor seiner weiteren Ausführungen, weil sie die Bekämpfung des Hungers in der Welt sabotieren. Wie? Seit vier Jahren stellen sie sich den überragenden Errungenschaften der amerikanischen Landwirtschaft entgegen, indem sie den Import GM modifizierter Produkte verhindern, und mit diesem schlechten Beispiel viele afrikanische Länder durch die künstlich geschürte Furcht vom Kauf abhalten, sei es weil sie sich ebenfalls durch die "fabrizierten" Argumente fürchten, sei es, weil sie annehmen, dass sie GM Produkte auf dem europäischen Markt nicht verkaufen können.
So untergraben unsere Partner in Europa unsere Bemühungen. Sie haben alle neuen Bio-Pflanzen durch unbegründete, unwissenschaftliche Furcht blockiert.
Georges W. Bush setzt fort, was er mit der Unterzeichnung der "Farmbill" (vgl. Furcht vor dem Nahrungsmittel-Bioterrorismus: real oder Mittel zum Protektionismus?) seinen Bauern versprochen hat: den Weltmarkt für amerikanische GM Produkte zu öffnen. Dazu nun vor einer Woche die Klage vor der World Trade Organisation (WTO), die sich auf unbegründete Handelsbeschränkungen stützt. Seine Rede wiederholt die bisher ziemlich unbemerkte Argumentation von Regierungsvertretern. Der US Handesbeauftragte bei der WTO, Robert B. Zoellick, schrieb im Wall Street Journal: "Biotech Food ernährt die hungernde Bevölkerung auf der Welt, eröffnet unvergleichliche Chancen für mehr Gesundheit und optimale Ernährung, und schützt den Boden vor Erosionen und den Gebrauch schädlicher Insektizide." Ann M. Veneman, Staatssekretärin des Landwirtschaftsministeriums ergänzte unverblümt: "Wir kämpfen für die Interessen der amerikanischen Landwirtschaft."
Für die EU erwiderte Pascal Lamy:
Die Regularien für die Zulassung genetisch modifizierter Produkte stehen in Übereinstimmung mit den WTO-Bestimmungen: sie sind klar, transparent und nicht diskriminierend.
David Byrne, EU Kommissar "for Health and Consumer Protection" betonte:
Wir haben in Europa intensiv daran gearbeitet, das Regelwerk an die neuesten wissenschaftlichen und internationalen Entwicklungen anzupassen. Das Ergebnis wird in Kürze vorliegen. Dabei geht es vor allem um das Vertrauen der Konsumenten in GM Produkte.
Die EU Kommissarin "for the Environment", Margot Wallstrom, sekundierte: "Der amerikanische Schritt macht die bereits schwierige Debatte in Europa noch schwieriger." Ferner wird darauf hingewiesen, daß sich die USA immer noch dem von mehr als 100 Nationen ratifizierten Cartagena Protocol on Biosafety verweigern, nach dem alle Informationen über GM Produkte schonungslos offen gelegt werden müssen.
Der Feldherr aus Washington übersieht allerdings, das in seinem Hoheitsgebiet im November vergangenen Jahres der Begriff "Frankenfood" Schlagzeilen machte. Die Wortschöpfung verbindet den Horror von "Frankenstein" mit "GM Food". Drei Anlässe, die das Vertrauen der Konsumenten erschütterten, waren zusammengekommen: Monarchfalter starben während ihrer Überwinterung in Mexiko. Bt Mais, der aus den USA die mexikanische Flora vergiftete, wurde als Ursache vermutet, dann aber tot geredet. GM StarLink Mais, der nur für die Tierzucht zugelassen war, fand sich trotz der Einschränkung in den Regalen der großen Lebensmittelketten. Und dann noch der "ProdiGene incident": GM Mais, der für die Entwicklung eines Schweineimpfstoffes produziert wurde, geriet mit Sojabohnen "geblendet" ebenfalls in die Nahrungskette amerikanischer Konsumenten. Die Diskussionen spülten viele weitere offene Fragen in die Öffentlichkeit: Ist GM Mais für Allergiker sicher? Kann die Ausbreitung in die Umgebung verhindert werden? Wird das Umfeld für Menschen und Tiere nachhaltig zum Guten oder zum Schlechten verändert?
Der erhobene Zeigefinger der US Regierung, weil die öffentlichen Diskussionen den wirtschaftlichen Erfolg außer Landes gefährdeten, und die Vorbereitungen zum Irakkrieg ließen die Medien verstummen. Immerhin hatte der Handel landwirtschaftlicher Produkte zwischen den Vereinigten Staaten und der EU im Jahr 2001 ein Volumen von 6,4 Milliarden US Dollar. 18 amerikanische Biotech Nahrungsmittel waren damals zugelassen; 13 weitere standen zur Entscheidung an. Im Februar dieses Jahres, als Georges W. Bush seine bis dahin zurückgestellte Intention wieder aufgriff, fand im National Press Club in Washington eine Diskussion über die Frage statt "Soll die USA vor der WTO eine Klage gegen die EU einbringen?". Regierungsfreundliche Vertreter nannten als wichtigsten Grund das Verlangen der EU, GM Nahrungsmittel müssten schonungslos deklariert werden. "Dieser Schritt ist diskriminierend und wird die US Produkte in die hintersten Regale verbannen."
Vertrauensbildend sind weder die Art des Vorgehens noch die Argumentation. Vielleicht sollte Deutschland wirklich die Förderung durch den Marshall-Plan zurückzahlen. Von einem einflussreichen Journalisten der New York Times während des Irakkrieges aufgebracht, lief die Forderung wie ein Echo durch die USA.