Bushs Veto und die Ambivalenz der Demokraten
Für die Demokratische Partei in den USA ist Folter vor allem ein Image-Problem
Am 8. März legte US-Präsident George W. Bush sein Veto gegen ein Gesetz ein, mit welchem dem Auslandsgeheimdienst CIA die Anwendung bestimmter Foltertechniken untersagt werden sollte. Mit seinem Veto verwies Bush das erst vor kurzem von den beiden Häusern des US-Kongresses verabschiedete Haushaltsgesetz für die Geheimdienste und das darin enthaltene Anti-Folter-Gesetz an den Kongress zurück. Der Intelligence Authorization Act for Fiscal Year 2008 (H.R.2082) hätte die CIA in Sec. 327 dazu verpflichtet, nur die 19 Techniken anzuwenden, die nach dem Feldhandbuch der Armee (Army Field Manual) erlaubt sind. Auch die Technik des so genannten „Waterboarding“, des simulierten Ertränkens von Gefangenen, und andere Formen der Folter wären der CIA damit verboten gewesen.
In seiner wöchentlichen Radioansprache verteidigte Bush seine Entscheidung mit dem üblichen Mix aus Lügen und Panikmache. „Das mir vom Kongress übermittelte Gesetz nimmt uns eines der nützlichsten Werkzeuge im Kampf gegen den Terror“, sagte er. Ohne jeden Beweis deklarierte Bush, das CIA-Verhörprogramm habe mehrere terroristische Anschläge verhindert. Weiter behauptete er, dass die von der CIA angewandten „besonderen Verhörmethoden“ – also Waterboarding und andere Formen der Folter – allesamt „sichere und gesetzliche Techniken“ seien.
Eine offenkundige Lüge. All diese Maßnahmen sind illegal nach internationalem als auch nach US-amerikanischem Recht. Der UN-Sonderberichterstatter über die Folter Manfred Nowak bestand vergangenen Monat darauf, dass Waterboardimng „absolut inakzeptabel unter internationalen Menschenrechtsgesetzen“ sei. Zur angeblichen Sicherheit dieser Methode hat selbst National-Intelligence-Direktor Mike McConnell eingeräumt, dass „[die Konsequenz von Waterboarding] im Extremfall der Tod sein kann; man kann jemanden ertränken.“
Demgegenüber beharrte Bush darauf, die CIA benötige eine große Bandbreite von Techniken. Nicht nur Waterboarding würde durch das Gesetz verboten, sagte er, sondern „alle alternativen Verfahren, die wir entwickelt haben, um die gefährlichsten und gewalttätigsten Terroristen der Welt zu befragen“. Das Feldhandbuch der Armee verbietet ausdrücklich Scheinhinrichtungen, erzwungene Nacktheit und sexuelle Misshandlungen, Elektroschocks sowie Schlafentzug und sensorische Deprivation. Bush verschwieg indes, welche dieser Techniken er als notwendig betrachtet.
„Wir haben keine größere Verantwortung als diejenige, terroristische Anschläge zu verhindern“, schloss der US-Präsident. „Und dies ist nicht die Zeit, dass der Kongress Praktiken aufgibt, die nachweislich zu Amerikas Sicherheit beitragen.“
Gebetsmühlenhaft argumentiert Bush, die „höchste Verantwortung“ des US-Präsidenten bestehe darin, das amerikanische Volk zu beschützen und terroristische Anschläge zu verhindern, während doch gleichzeitig die US-Kriegspolitik im Nahen und Mittleren Osten entscheidend dazu beiträgt, eben diese Gefahr zu vergrößern. Die Bewerberin um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten, Hillary Clinton, hat sich inzwischen die gleiche Rhetorik zu eigen gemacht.
Zwiespältige Haltung der Demokraten
In den letzten Monaten seiner Amtszeit setzt Bush alles daran, die anrüchigsten und illegalsten Praktiken zu verteidigen, die in den letzten acht Jahren entwickelt wurden. Vergangenen Monat hatte die Regierung erstmals eingeräumt, dass die CIA Waterboarding an drei Gefangenen angewandt hatte. Gleichzeitig setzt die Bush-Administration den Kongress unter Druck, ein Gesetz zu verabschieden, das die Befugnisse zum Ausspionieren der Bevölkerung dauerhaft ausweitet, während es gleichzeitig Telekommunikationsunternehmen, die sich am Spionage-Programm der Regierung beteiligen, Immunität zusichert.
Die zwiespältige Haltung der Demokratischen Partei gegenüber dieser Offensive ist Ausdruck der Gespaltenheit der herrschenden Klasse in diesen Fragen. So hält eine starke Fraktion innerhalb der Demokraten die offene Verteidigung der Folter (in verdeckter Form wurde diese in unterschiedlicher Weise unter den Regierungen beider Parteien angewandt) für das Image der Vereinigten Staaten sowohl im In- als auch im Ausland für extrem schädlich.
Bezeichnender Weise bezogen sich führende Demokraten in ihren Stellungnahmen gegen Bushs Veto wiederholt auf die Unterstützung, die das Anti-Folter-Gesetz von 43 Generälen a. D. und von 18 früheren Spitzen-Regierungsbeamten erhielt. Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein, ein Mitglied des Geheimdienstausschusses des Senats, kritisierte, dass Bush den Rat dieser Personen ignoriert hätte. „Folter ist ein Minuspunkt gegen die Vereinigten Staaten“, sagte sie.
Auch die Argumentation des demokratischen Mehrheitsführeres im Senat, Harry Reid, verrät ein ausgesprochen instrumentelles Verhältnis zur Frage der Folter. Reid warf Bush vor, Warnungen zurückgewiesen zu haben, wonach die CIA-Techniken „unzuverlässige Informationen hervorbtingen, die US-Truppen Risiken aussetzen und unsere Anti-Terror-Bemühen unterminieren“. Reid ist lediglich besorgt, dass die offene Anwendung von Folter den Hass von Millionen Menschen im Irak, in Afghanistan und in anderen Ländern, die Ziele des US-Militarismus wurden, hervorrufen und damit die militärischen Anstrengungen der USA unterlaufen könnten. In ähnlicher Weise warnte die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, dass Techniken wie das Waterboarding „die moralische Autorität unserer Nation unterminieren“.
Interesse der herrschenden Klasse
Wenn die US-Regierung darauf insistiert, der CIA-Verhörpraxis dürften keinerlei Beschränkungen auferlegt werden, so hat das mehrere Gründe. Zum einen ist es die reale Befürchtung, dass jeder Schritt zum Verbot gewisser Methoden die öffentliche Diskussion über deren frühere Legalität entfachen könnte. Indem sie Waterboarding anordneten, haben sich Bush und andere Mitglieder seiner Regierung der Verletzung amerikanischer und internationaler Gesetze schuldig gemacht - Verbrechen, für die der US War Crimes Act empfindliche Strafen vorsieht. „Wenn jemals festgestellt werden wird, das es sich [beim Waterboarding] um Folter handelt, wird damit eine sehr große Strafe verbunden sein, die jeder zahlen muss, der darin verwickelt ist“, sagte US-Geheimdienstdirektor Mike McConnell gegenüber dem New Yorker.
Zweitens hofft die Republikanische Partei, die Wahlen mit den Themen „nationale Sicherheit“ und Terrorismus für sich zu entscheiden. Es ist bezeichnend, dass der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain sein früheres Eintreten für ein gesetzliches Verbot der Folter ins Gegenteil verkehrt hat, indem er gegen das Anti-Terror-Gesetz votierte, weil dieses den Handlungsspielraum der CIA beschnitten hätte.
Auf einer grundsätzlicheren Ebene verteidigt die US-Regierung das Prinzip der unbeschränkten Macht der Exekutive - das letztlich auf eine Präsidialdiktatur hinausläuft (Das Gesetz bin ich) – , indem sie das US-Militär und die Geheimdienste von der Bindung an geltende Gesetze befreit.
Innerhalb des amerikanischen politischen Establishments sind Phrasen wie der „Krieg gegen den Terror“ und „nationale Sicherheit“, auf die sich die Bush-Administration bei jeder Gelegenheit beruft, Codewörter für den Willen, die Interessen der herrschenden Klasse Amerikas durch den rücksichtslosen Gebrauch militärischer Mittel weltweit zu verteidigen. Die Anwendung von Folter dient in diesem Kontext weniger dem Zweck, Informationen von mutmaßlichen Terroristen zu gewinnen, sie ist vor allem ein probates Werkzeug bei der Unterdrückung und Einschüchterung jedweder Opposition gegen den amerikanischen Militarismus – zu Hause und im Ausland.
Der große Vorteil der Bush-Administration in ihrem Konflikt mit den Demokraten besteht darin, dass die Bush-Regierung die Interessen des US-Kapitalismus unmittelbarer vertritt. In der Rücksichtslosigkeit, mit der die Bush-Regierung auf dem internationalen Parkett agiert, spiegelt sich die Bereitschaft der US-Elite, angesichts der ökonomischen Krise und der wachsenden Schwierigkeiten bei der Durchsetzung amerikanischer Interessen im Ausland auf Unterdrückung und Gewalt zu setzen, wo immer und wann immer es ihr nötig erscheint.
Die Demokraten fühlen sich der Verteidigung dieser Interessen nicht weniger verpflichtet als die Republikaner, aber sie sind bemüht, sich als Kritiker der Regierung darzustellen. Sie wollen das Gleiche, aber sie sind besorgt über die nationalen und internationalen Konsequenzen der zur Erreichung dieses Ziels angewendeten Mittel. Aus diesem Grund befinden sich die Demokraten beständig im Zwiespalt, sind aber stets zur Stelle, wenn es darum geht, den Krieg und die Überwachung zu unterstützen. Führende Demokraten waren von Anfang an Komplizen bei der Durchsetzung der Politik der Folter. Bis heute sind sie unnachgiebige Gegner aller Maßnahmen, die irgendjemanden für diese Verbrechen zur Rechenschaft ziehen könnten, falls sie nicht sogar selbst in diese involviert sind.
Bush kann aus gutem Grund darauf vertrauen, dass er die Demokraten mit der Wiederholung des Mantras vom „Krieg gegen den Terror“ dazu bringen wird, dass sie ihre Versuche aufgeben werden, die Macht des Präsidenten zu beschneiden.
Führende Demokraten im Repräsentantenhaus haben angedeutet, dass es noch in der laufenden Woche zu einer Vereinbarung über die Abhörgesetze kommen kann – unter Berücksichtigung sämtlicher Forderungen der Regierung. Und während manche Demokraten damit drohen, sie würden versuchen, Bushs Veto gegen das Anti-Folter-Gesetz abzuwenden, wissen sie doch, dass ihnen dazu die nötige Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern des US-Kongresses fehlt. Am Ende werden die Demokraten aller Wahrscheinlichkeit auch einem Geheimdienst-Gesetz zustimmen, in dem von Folter keine Rede mehr sein wird.