Butscha: Schwache Entgegnungen der russischen Regierung

Seite 2: Kein Gegensatz: Grausamkeit und Hilfsbereitschaft russischer Soldaten

Was Röper und ähnliche Stimmen dabei jedoch verschweigen, ist die große Menge aus Augenzeugenberichten von Anwohnern der betroffenen Gegend. Sie erzählen nicht nur westlichen Medien von Gräueltaten und Tötungen, die es tatsächlich während der russischen Besatzungszeit gab. So sagt eine Bewohnerin gegenüber der oppositionellen russischen Zeitung "The Insider" über russische Soldaten:

Posts [in Sozialen Netzwerken], Telegramkanäle – wenn du etwas geschrieben hast, das ihnen nicht gefiel, dann warst du tot.

Christina in The Insider vom 03.04.2022

Dabei war die betreffende Ukrainerin nicht so ideologisiert, dass sie alle russischen Soldaten für "Bestien" hielt, sondern weiß aus eigener Erfahrung zu differenzieren.

Wir hatten Glück. Wir haben einen Kommandanten bekommen, der Kinder liebt. Da er wusste, dass meine dreijährige Tochter im Keller war, befahl er, Dinge zu reparieren und das Kind nicht zu erschrecken. Sie brachten Essen, Wasser und Süßigkeiten für die Kinder.

Christina in The Insider vom 03.04.2022

Wie dieser Augenzeugenbericht zeigt, ist es an sich kein Widerspruch, dass in der Besatzungszeit die einen russische Soldaten Menschlichkeit zeigten, die anderen Gräuel begingen. Besagter Kommandant hätte sie auch beschützt, als eines Tages Anhänger des tschetschenischen Machthabers Kadyrow durch die Straßen gingen und Leute töteten.

Kadyrow gilt innerhalb der russischen Führungsspitze als Hardliner, der auch weiter eine komplette Eroberung der Ukraine befürwortet. Weitere Augenzeugen gegenüber "The Insider" berichten ebenfalls von toten Zivilisten auf der Straße in der Zeit der russischen Besetzung, was der offiziell-russischen Darstellung widerspricht.

Die Schilderung besagter Christina stimmt mit Augenzeugenberichten aus anderen Quellen überein. Etwa dem des örtlichen Gemeinderatsmitglieds Katerina Ukrainzewa gegenüber der russischsprachigen Onlinezeitung Meduza, die ebenfalls während der russischen Besetzung in der Stadt war. Sie macht auch näheren Ausführungen zu den viel zitierten Toten auf der Jablonskaja-Straße

Diejenigen, die auf der Jablonskaja liegen, starben bei chaotischen Schießereien. Diejenigen, die von dort herausgekommen sind, sagen, es sei die Hölle gewesen. Es herrschte Panik. Vom ersten Tag [der russischen Besetzung] an haben mir Leute von dort geschrieben. Sie saßen in den Kellern und baten darum, abgeholt zu werden (…) Wir haben das Gefühl, dass verschiedene Einheiten um Butscha verstreut lagen, sie haben sich sehr unterschiedlich verhalten (…) Es waren etwa junge Leute da, die wie Studenten wirkten. Sie gaben uns Dieselkraftstoff und meinte, sie sollen weiter nach Kiew, wollen aber nicht und würden den Behörden sagen, dass alles verbraucht sei. Unter ihnen waren auch welche, die gar nicht kämpfen wollten. Aber diejenigen, die ganz am Anfang der Besetzung kamen, waren Tiere. Viele Menschen sind verschwunden. Wir wissen nicht, was mit ihnen geschah.

Katerina Ukrainzewa in Meduza vom 03.04.2022

Katerina Ukrainzewa berichtet daneben von mehreren Todesfällen unter Zivilisten, die eindeutig durch russische Soldaten verursacht wurden, etwa weil Personen verdächtig waren, Funktionäre der ukrainischen Regierung zu sein.

Ähnlich wie die andere Augenzeugin beschreibt sie russische Soldaten nicht generell als "Bestien", sondern differenziert, bestätigt Lebensmittellieferungen ebenso wie Gewalttaten. Keiner der Zeugen bei The Insider oder Meduza zweifelt daran, dass die gefilmten Toten durch die Russen umgebracht wurden.