Bye-bye, Glitzer: Warum das EU-Verbot von Mikroplastik nur der Anfang sein kann
Mikroplastik – Teilchen mit erheblicher Wirkung. Inzwischen sind sie überall und können sogar das Wetter beeinflussen. Doch wie wirksam ist das Verbot wirklich?
Die Europäische Union hat ein Verbot von Mikroplastik beschlossen, das am 15. Oktober in Kraft tritt. Im Fokus stehen nun die Auswirkungen auf Make-up, denn Glitzerstoffe fallen unter das Verbot. Von der Landwirtschaft über die Medizin bis zu Spielzeug – das Verbot hat Auswirkungen auf viele Bereiche.
Mikroplastik, also Kunststoffpartikel mit einem Durchmesser von weniger als fünf Millimetern, stellt eine zunehmende Belastung für die Umwelt dar und sollte daher möglichst vermieden werden. Aufgrund unzureichender Erhebungs- und Analysemethoden ist das gesamte Ausmaß sowohl hinsichtlich der Menge als auch der Auswirkungen bislang nicht absehbar.
Mikroplastik wurde an Land und im Wasser gefunden und mittlerweile auch in Regenwolken sowie in Tierkörpern und im menschlichen Körper nachgewiesen. Mikroplastik wird einerseits in Wandfarben, Kosmetika und Kunstrasenplätzen verwendet, andererseits entstehen die kleinen Partikel durch Abrieb von ausgerüsteten Baumwollfasern, Reifen und Straßenbelägen.
Mikroplastik wurde lange Zeit gar nicht wahrgenommen
Der Eintrag von Mikroplastik wurde zunächst nicht wahrgenommen und dann lange Zeit nicht als mögliche Gefahr erkannt. Inzwischen ist Mikroplastik allgegenwärtig und man beginnt, sich mit den Folgen auseinanderzusetzen. Und die Auswirkungen von Mikroplastik in der Umwelt scheinen keine Grenzen zu kennen.
Japanische Forscher haben Mikroplastik sogar in Wolken nachgewiesen. Bisher nicht erforscht ist, ob Mikroplastik Wolken zum Abregnen bringen und so Sturzfluten auslösen kann, die in den Wettervorhersagemodellen bisher nicht berücksichtigt sind.
So wird allmählich der Einfluss von Mikroplastik auf die Umwelt entdeckt. Dabei stellt sich Mikroplastik als komplexes Problem dar, da es auf verschiedenen Wegen in die Umwelt gelangt. Es kann als direktes Mikroplastik in die Umwelt gelangen oder während des Gebrauchs durch Abrieb entstehen.
Zur ersten Gruppe gehören beispielsweise Kunstraseneinstreuungen oder Pelletverluste. Zur zweiten Gruppe gehören unter anderem Reifen- und Straßenabrieb, Verwitterung von Farben und Beschichtungen, Verluste aus Dämmstoffen und Faserfreisetzung aus Textilien. Die Reduktion von Kunststoffemissionen kann daher nicht durch Einzelmaßnahmen erreicht werden, sondern erfordert ein breites Bündel von Maßnahmen.
Ähnlich wie bei PFAS ist Mikroplastik meist dem Fortschritt und der Bequemlichkeit geschuldet. Baumwollkleidung gilt als natürlich, doch wenn sie auf vielfachen Kundenwunsch bügelfrei ausgerüstet wird, besteht die Faser nur noch aus einem Baumwollkern, der von Kunststoff umhüllt ist, der durch die Bewegung beim Tragen und Waschen abgerieben wird.
Vermeidbarem Mikroplastik geht es zuerst an den Kragen
Die EU verbietet jetzt Produkte mit absichtlich zugesetztem Mikroplastik. Erste Produkte wie Kosmetika mit losem Glitzer dürfen bereits ab Mitte Oktober nicht mehr verkauft werden. Neben den genannten Kosmetika sind auch Waschmittel, Dünge- und Pflanzenschutzmittel, Spielzeug und Arzneimittel von dem Verbot betroffen. Mit der neuen Regelung soll verhindert werden, dass fast eine halbe Million Tonnen der winzigen Plastikteilchen in die Umwelt gelangen.
Für Arzneimittel, nicht zu verwechseln mit Medizinprodukten, sowie für Lebens- und Futtermittel gibt es bestimmte Ausnahmen für die weitere Verwendung von Mikroplastik.
In Lebensmitteln ist Mikroplastik bereits seit einem Jahrzehnt bekannt. Sogar das bayerische Reinheitsgebot erlaubt die Verwendung von PVPP auf Basis einer Ausnahmegenehmigung von 1993 in der Brauerei.
Auch im Weinbau ist Polyvinylpolypyrrolidon (E1202) zur Schönung und Stabilisierung zugelassen. Der synthetische Kunststoff wird auch bei der Herstellung von Säften aller Art verwendet. Außerdem findet man ihn als Trägerstoff in Nahrungsergänzungsmitteln und Süßstofftabletten.
Mikroplastik einsammeln
Dort, wo sich Mikroplastik derzeit aus technischen Gründen nicht vermeiden lässt, wie bei Baumwollkleidung oder dem Abrieb von Autoreifen, muss in bestehenden Kläranlagen eine vierte Reinigungsstufe eingebaut werden, die die Mikropartikel aus dem Abwasser abscheidet.
Betrachtet man den Reifenabrieb als Hauptverursacher des Mikroplastikaufkommens, dann muss konsequenterweise auch bei einer fortgeschrittenen Trennkanalisation das von den Straßen abgeleitete Regenwasser der Kläranlage zugeführt werden. Und es darf nicht ungereinigt in den Vorfluter gelangen, wo es dann von Fischen und anderen Wasserlebewesen als Nahrung aufgenommen wird.
Für Mikroplastik in Speisefischen mag der Verzicht auf die davon ausgehende Belastung der Menschen vergleichsweise einfach zu bewerkstelligen sein, weil aufgrund der weltweiten Überfischung der Meere die Fangmengen inzwischen immer mehr reduziert werden. Ob sich die Fischbestände unter der Mikroplastikbelastung erholen können oder ob Fisch in Zukunft hierzulande nicht mehr verkauft werden darf, ist derzeit allerdings noch nicht absehbar.
Die Kosten für die vierte Stufe der kommunalen Abwasserreinigung sollen nach aktuellen Überlegungen in Brüssel nicht den Kommunen und ihren Einwohnern über die Abwassergebühren aufgebürdet werden, sondern von den Unternehmen getragen werden, die die derzeit als unvermeidbar angesehenen Mikroplastikmengen produzieren.
Ähnlich wie die CO₂-Abgaben auf Kraftstoffe werden auch die anstehenden Abgaben für eine verbesserte Abwasserreinigung über die Produktpreise an die Verbraucher weitergegeben. Die Tatsache, dass die Verbraucher von heute die Rechnung für die Fortschritte der Vergangenheit bezahlen müssen, ist zwar ärgerlich, aber unvermeidlich.
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