CDU-Parteitag: Der 120-Prozent-Kuchen
Der Leipziger Parteitag zeigt: AKK und CDU bleibt eine schwierige Beziehung
Annegret Kramp-Karrenbauer fing langsam an und wurde stärker. Die Rede der Bundesvorsitzenden der CDU auf dem CDU-Parteitag war zu lang, sie verlor sich in zu vielen Einzelheiten. Es war eine gute Rede, aber keine herausragende. Zukunft war eines der Leitmotive, aber die Frage ist natürlich die, ob, oder besser gesagt, wie diese Zukunft denn aussehen soll. AKK sprach auch als Verteidigungsministerin. Sie nannte den Angriff der Türken auf die syrischen Kurden einen völkerrechtswidrigen Einsatz, sie warnte vor der Ausbreitung der Islamisten in Afrika, sie forderte eine Aufstockung des Verteidigungsetats.
Vor allem aber sprach AKK als Bundesvorsitzende. Als umstrittene Parteichefin, die sich manche Blößen gegeben hatte, und die von vielen bereits abgeschrieben wurde. Der CDU ist in der Diktion ihre Anhänger der Mut abhandengekommen, der Mut zu klaren programmatischen Aussagen, zu Vorgaben, zu Bekenntnissen.
Partei des Mainstreams
Die CDU, die AKK charakterisierte, kann diese Defizite nur zum Teil ausgleichen. Diese CDU ist eine Partei der Mehrheit und des Mainstreams. Eine Partei, in der viel von Normalität geredet wird, und diese Normalität sich zwischen den zwei Säulen Arbeit und Kindheit bewegt. Die Kunst der Politik sei, "den Kuchen so verteilen, dass jeder das Gefühl hat, er habe das größte Stück abbekommen". Da wird AKK einen 120-Prozent-Kuchen backen müssen.
Sie skizzierte eine "Politik von Maß und Mitte". "Man ist heute sehr schnell radikal", sagte die Parteivorsitzende. Und: "Eine Mitte stark zu machen, ist das beste Mittel, um die Ränder schwach zu machen."
"Die Ränder", das sind für AKK AfD und Die Linke. Über diese Linke, genauer gesagt: gegen sie redet sie zuerst. "Die Sozialisten, die Kommunisten", eine Linke, "die sich weigert anzuerkennen, dass die DDR ein Unrechtsstaat war."
Dann aber geht es gegen "die Apokalyptiker von Rechts". Das Christliche sei bei denen schon lange untergegangen, "wenn man sich dafür entschuldigen muss, dass man Menschen rettet". Dann könne man mit diesen Leuten nicht zusammenarbeiten. Und dann zitierte die Parteivorsitzende den Unionspolitiker Erwin Teufel. Zu dessen 80. Geburtstag habe er davon erzählt, wie er von den Gräueltaten der Nazis erfuhr, als in Polen nach der Wehrmacht sofort Truppen der SS hinterher kamen und in den Dörfern die Lehrer, Pfarrer, den Arzt und die Juden erschossen.
Es war glaubwürdig, wie AKK skizzierte, dass auf der Rechten zuerst die Sprache verroht und dann notwendig der Respekt vor den Menschen verloren gehe, man diese angreife. Zur AfD: "Das sind die Brandstifter und wir dürfen nie die Biedermänner sein, die ihnen auch noch die Streichhölzer geben." Auf diese Bemerkung folgte langer, wohl der längste Beifall während der Rede.
Ansonsten versuchte sie sich innerhalb der Partei zu verorten, sich von den Sektierern abzusetzen, die vor allem in den Medien groß gemacht werden: "Es gibt nur eine Werteunion, und das sind wir."
Söder statt Merz
Am Ende war der Beifall höflich, respektvoll, aber nicht enthusiastisch. Annegret Kramp-Karrenbauer bleibt die personifizierte Personaldebatte. Es ist kein Zeichen der Stärke von AKK gewesen, am Ende der Rede die Vertrauensfrage zu stellen. Und die Frage, ob mit dem absehbaren vollständigen Abgang von Angela Merkel das SPD-Syndrom die Union zu infizieren droht, wird zur Schlüsselfrage für die CDU während der nächsten zwei Jahre. Dass der Zeitpunkt des Abgangs unklar ist, macht die Lage nicht besser.
Friedrich Merz, das wurde in Leipzig klar, ist keine Bedrohung mehr. Er hat mit seiner Fundamentalkritik überreizt und die Mehrheit der Partei genervt. März steht für eine CDU, wie sie mal war und wie sie nicht mehr sein kann, für eine CDU der einfachen und schematischen Antworten, für eine CDU der Bierdeckel-Politik. Das ist verführerisch, aber nicht genug, und das wissen die meisten Unionspolitiker auch. Was März eigentlich genau will, außer der Macht, weiß dagegen keiner.
Der wahre Herausforderer von AKK heißt nicht Merz und nicht Laschet, sondern Markus Söder.
Leipzig einst und jetzt
In Leipzig erinnert sich die Union fortwährend an die Vergangenheit, nicht zuletzt an Leipzig. Nicht an Leipzig 1989, sondern an Leipzig 2003. Damals fand in der sächsischen Metropole ebenfalls ein CDU-Parteitag statt. Damals formulierte eine umstrittene Vorsitzende namens Angela Merkel einen neuen Kurs. Es war ein Kurs des Aufbruchs und eine neoliberale Wende der bis dahin auf Soziale Marktwirtschaft hin ausgerichteten CDU - eine neoliberale Wende, der die bereits vollzogene neoliberale Wende der SPD nicht weit genug ging, der auch die "Agenda 2010" nicht weit genug ging.
Jetzt sechs Wochen vor dem Beginn des Jahres 2020 präsentiert sich die Union wieder als Veränderungs-Partei: Die Steuern müssen runter, die Sozialausgaben müssen auch runter, die Energiepreise sind zu hoch, die Bürokratie ist viel zu viel, man müsste die Hemmnisse in Deutschland beseitigen...
Wer das hört, fragt sich als allererstes, wer eigentlich die vergangenen 15 Jahre in Deutschland regiert hat? Leipzig 2003 steht für den Versuch, Angela Merkel zu einer Art "Eisernen Lady" von Deutschland zu stilisieren. Dieser Versuch ging krachend daneben: Nur knapp gewann Merkel 2005 die Bundestagswahl und wahrscheinlich hätte sie nicht gewonnen, wenn Kanzler Schröder nicht seinerzeit die Nerven verloren, die Koalition bis 2006 weitergeführt und mit Hilfe des "Sommer-Märchens" und einer besseren Stimmung Rot-Grün über die nächste Wahl gerettet hätte. Aber das ist eine andere Geschichte.
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