CRISPR-Genom-Editierung mit unerwünschten Nebenwirkungen
Die als Revolution gefeierte Präzisionstechnik der Genschere verursacht nach einer Studie Hunderte von unbeabsichtigten und bislang nicht bemerkten Mutationen
Die Möglichkeit, gezielt ins Erbgut eingreifen und einzelne Gene ausschneiden oder austauschen - das Genom "editieren" - zu können, ist vielversprechend und wird seit einigen Jahren als Revolution verkauft. Seit die Genschere CRISPR-Cas9 (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) erfunden wurde, gilt die billige und einfache Methode als Möglichkeit zur Behandlung von genetischen Erkrankungen und zur Herstellung von Designer-Babies, aber auch zur genetischen Umprogrammierung von auch freilebenden Populationen. Fügt man einzelnen Organismen ein neues Gen ein, kann es sich über den so genannten Gene Drive auf eine ganze Population ausbreiten, um so Schädlinge oder krankheitsübertragende Insekten auszumerzen oder Resistenzen zu verbreiten.
Aber was genau mit durch die Genschere veränderten Organismen geschieht, ist noch nicht abzusehen. Ein Problem ist auch, dass es bislang schwer sein dürfte, eine einmal über Gene Drive verbreitete Genmanipulation, die sich als unvorteilhaft erweist, schnell wieder rückgängig zu machen oder durch Verbreitung eines neuen Gens zu reparieren. Das ist auch deswegen dringlich, weswegen sich auch die Darpa dafür interessiert, weil Genveränderungen auch im Rahmen eines biologischen Kriegs oder einer Subversion eingesetzt werden könnten (Bioerror, kein Bioterror). Genveränderte Organismen müssten identifiziert und bekämpft werden können. Überdies wird die Wirksamkeit durch die Ausbildung von Resistenzen womöglich eingeschränkt (Genom-Editierung mit Hindernissen)
Wissenschaftler vom Columbia University Medical Centre wollen nun auf die Möglichkeit gestoßen sein, dass sich die berühmten Nebenwirkungen von Eingriffen bei CRISPR sehr schnell einstellen könnten. Dabei könne es zu Hunderten von nicht erwünschten Mutationen im Prinzip überall im Genom kommen. Die Wissenschaftler haben das erste Mal einen Organismus vollständig sequenziert, der mit CRISPR verändert wurde.
Bislang sei man womöglich nicht auf die durch den Eingriff mit der Genschere verursachten Mutationen aufmerksam geworden, weil in den Studien Programme verwendet wurden, mit denen nur die Regionen des Genoms untersucht wurden, die aufgrund der durchgeführten Genveränderung am wahrscheinlichsten betroffen sein könnten. Diese prädiktiven Algorithmen seien gut, so sagt Mitautor Stephen Tsang, wenn mit CRISP in Zellen oder Gewebe in einer Petrischale gearbeitet wird, aber man habe eben nicht das gesamte Genom von lebenden Organismen nach unintendierten Folgen sequenziert.
Die Genschere funktioniert selbst wie eine Mutation
Die Entdeckung ist eigentlich naheliegend, da CRISPR-Sonden und die Cas-Proteinscheren selbst wie eine Mutation funktionieren, bei der der DNA-Strang gebrochen, DNA-Bausteine eingefügt oder der Bruch fehlerhaft repariert wird. Zwar waren bereits Hinweise auf Verursachung durch Mutationen aufgetreten, aber der Überschwang, mit der neuen Technik gezielter Gentherapie betreiben zu können, wurde davon nicht gebremst, auch Versuche mit Menschen etwa zur Krebsbehandlung wie in China, den USA oder Großbritannien zu bewilligen. In China wurden bereits ersten Krebspatienten in einem klinischen Test Zellinfusionen verabreicht, zuvor waren die ersten menschlichen Embryos einer Genveränderung durch CRISPR unterzogen worden.
Es herrscht ein Wettlauf, wer als erster eine effiziente und sichere Behandlung durch Geneditierung durchführen und patentieren kann. Verglichen wurde dies bereits mit dem Wettlauf in den Weltraum während des Kalten Kriegs. Der Immuntherapeut sprach so von "Sputnik 2.0". Schneller wird erst einmal derjenige sein, der mit größerem Risiko spielt.
Wenn es zutreffen sollte, was die Wissenschaftler vom Columbia University Medical Centre herausgefunden haben, wären Gentherapien mit CRISPR bei weitem nicht so präzise, wie man dies bislang geglaubt hat oder wahrhaben wollte. Bei der Sequenzierung des ganzen Genoms von zwei Mäusen, die einer CRISPR-Gen-Editierung unterzogen worden waren, und einer gesunden Maus zur Kontrolle suchten sie nach Mutationen, die von der Technik verursacht wurden. Die Technik, so auch ein Ergebnis, war bei den beiden Mäusen erfolgreich angewendet worden. Hier war ein Gen, das Blindheit verursacht, korrigiert worden, aber gleichzeitig sind zudem unbeabsichtigt woanders auf dem Genom über 1500 Mutationen in einzelnen Nukleotiden (Punktmutationen) und mehr als 100 größere Veränderungen geschehen. Von Wissenschaftlern verwendeten Computeralgorithmen sei keine dieser Mutationen vorhergesehen worden.
Das heißt noch nicht, dass die Methode nicht tauglich ist, aber dass sie, so lange sie nicht verbessert wird, doch riskant sein könnte, schon die Veränderung eines einzigen Nukleotids kann schwere Folgen haben. Bei den beiden Mäusen mit den vielen Mutationen waren nach Angaben der Wissenschaftler keine negativen Folgen zu erkennen. Zunächst einmal wären aber Untersuchungen mit mehr Versuchstieren notwendig. Die Wissenschaftler sagen, sie seien noch begeistert von CRISPR, zudem wüssten alle Mediziner, dass eine neue Therapie Nebenfolgen haben kann, wichtig sei aber, dass man sie erst einmal bemerkt, was bislang nicht geschehen ist. Die Studie mit dem Titel "Unexpected mutations after CRISPR-Cas9 editing in vivo" erscheint in Nature Methods.