CSU-Politiker Söder: "Sichere Gebiete in Afghanistan und in Syrien"

Achivfoto, Konar Provinz Afghanistan, 2010. Bild: U.S. Army/gemeinfrei

Der bayerische Finanzminister macht sich für die Rückführung von Hunderttausenden Flüchtlingen stark. Ist das eine Unterstützungsbotschaft an die syrische Regierung?

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Der CSU-Politiker Söder konnte darauf vertrauen, dass seine Forderung ein großes Echo bekommt: "Konkret brauchten wir statt des Familiennachzugs die Rückführung mehrere Hunderttausend Flüchtlinge in den nächsten drei Jahren", sagte er dem Spiegel1. Er begründete dies damit, dass es beim besten Willen nicht gelingen könne, so viele Menschen aus einem fremden Kulturkreis erfolgreich zu integrieren.

Nun kann man Asylbewerber nicht einfach wieder zurückschicken, das weiß auch Söder, weswegen er damit argumentierte, dass es laut Bundesinnenministerium in Afghanistan und Syrien "bereits heute sichere Gebiete" gebe.

Der Satz erntete viel Aufmerksamkeit Ende der vergangenen Woche. Rückführung ist ein Thema, mit dem man bei der verunsicherten Bevölkerung punkten kann oder es zumindest versucht, wie zum Beispiel AfD-Chefin Petry. Sie verschärft das Rückführungsthema noch um ein paar harte Zacken.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) soll Petrys Vorstellungen in eine "Rückwanderungsbehörde" umgewandelt werden. "Abgelehnte Asylbewerber sollten auf Inseln oder einem anderen Territorium außerhalb Europas untergebracht werden." (Rheinische Post).

Von Inseln spricht der CSU-Politiker Söder nicht, aber er meint Inseln außerhalb der Wirklichkeit. Die Härten, denen er die abgeschobenen Flüchtlinge aussetzen will, sind nicht so leicht erkennbar wie bei Petrys Fan-Kopie des "Australienmodells" (vgl. Nauru: Die Kehrseite der Flüchtlingspolitik Australiens), aber es gibt sie. So entsteht der Eindruck, Söder wirft solche Sätze einfach mal hin, ohne sich um die Durchführbarkeit in der Wirklichkeit zu kümmern, als ob die Öffentlichkeit immerzu nur eine Talk-Show wäre.

Wohin in Syrien?

Nimmt man Söders Vorschlag beim Wort, so hieße das zum Beispiel, dass sich die Bundesregierung im Fall Syriens um bessere Beziehungen, auf jeden Fall um eine Zusammenarbeit mit der syrischen Regierung bemühen müsste, um die sicheren Gebiete in dem Land stabil zu halten oder auszuweiten. Oder will man Flüchtlinge aus Syrien in IS-Gebiete oder von al-Qaida kontrollierte Areale zurückschicken?

Die "sicheren Zonen" derzeit sind Gebiete in Syrien, etwa an der Mittelmeerküste, die von der Regierung kontrolliert und von der russischen Luftwaffe beschützt werden. Söders Vorschlag steht damit im Widerspruch zur offiziellen Haltung der deutschen Regierung und zum Mainstream der hiesigen politischen Aufbereitung des Syrienkonflikts. Ob der bayerische Finanzminister soweit gehen will mit seinem Vorschlag? Vermutlich geht es ihm nur um deutsche Umfragenwerte und eigene Profilschärfung.

Afghanistan: Für Anhänger der Taliban sieht es gut aus

Auch im Fall Afghanistan verträgt sich Söders flott dahingesagte Forderung schlecht mit der Realität. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei "prekär", so die schönfärberische Einschätzung des US-Präsidenten Obama, mit der er begründete, dass der Abzug der US-Truppen verzögert werde.

Dies kann man freilich auch als taktische Begründung dafür interpretieren, dass die USA ihre militärische Präsenz aus strategischen und geopolitischen Gründen dort stark halten will. Nichts desto trotz sind die Nachrichten zur gegenwärtigen Lage in Afghanistan nicht gut, außer man ist ein Anhänger der Taliban (was ganz sicher nicht der Fall bei den Hazara ist, die einen beträchtlichen Teil der Flüchtlinge aus Afghanistan stellen. Die Schiiten werden von den Taliban wie vom IS gnadenlos verfolgt IS: Massenmord an Schiiten in Afghanistan).

Ihre Milizen erobern Distrikt um Distrikt, berichtet die Publikation Long War Journal seit Wochen. In der Provinz Helmand tut sich die afghanische Armee trotz Unterstützung durch US-Militärs schwer, den Vormarsch aufzuhalten. Kürzliche militärische Erfolge der Taliban im Osten ergänzen Berichte über eine Krise in Kunduz und den Versuch der Taliban, eine bedeutende Versorgungsstrecke zwischen dem Norden und Kabul ("North-South Highway") unter Kontrolle zu bekommen.

Ein detailliertes Großbild der Lage im afghanischen Nordosten widerspricht ebenfalls der Einschätzung oder Suggestion, dass es in Afghanistan genug sichere Gebiete für Zigtausende rückgeführte Flüchtlinge gebe.

Pakistan will eine Million nach Afghanistan zurückschicken

Zur schwierigen militärischen Lage kommt noch, dass Afghanistan mit der massiven Rückführung von Flüchtlingen aus Pakistan nicht zurechtkommt. Wie pakistanische Medien und humanitäre Organisationen gleichermaßen berichten, kann Afghanistan den Andrang von größtenteils erzwungenen Rückführungen aus Pakistan, der weit über die Hundertausende hinausgeht, nicht bewältigen.

Mangelhafte Versorgung und die oft miserable Unterbringung der Zurückgeschickten, die nicht selten ihr ganzes Leben in Pakistan verbracht haben, sorgen für große Empörung. Pakistan will bis Ende des Jahres über eine Million Flüchtlinge nach Afghanistan zurückschicken.