Chagos-Inseln: Entkolonialisierung light und ein Abhörskandal

Luftbild einer tropischen Insel mit Flughafen

Diego Garcia. Foto: Kev1ar82, shutterstock

Mauritius bekommt die Chagos-Inseln zurück – ein historischer Schritt. Einigung auf Ende eines 99-jährigen US-Militärpachtvertrags. Gefährdet ein Skandal den Deal?

Die Veröffentlichung von Gesprächsaufzeichnungen auf einer mauritischen Facebook-Seite schürt Befürchtungen, dass die Telefone der britischen Botschaft in Mauritius zur Zeit der Chagos-Verhandlungen gehackt wurden. Das britische Außenministerium bestätigte polizeiliche Ermittlungen, nachdem Audioclips von Gesprächen zwischen Botschafterin Charlotte Pierre und politischen Persönlichkeiten auf der Seite Missie Moustass aufgetaucht waren.

Laut Quellen sollen die Gespräche im Herbst 2022, zu Beginn der Chagos-Verhandlungen, stattgefunden haben. Die Chagos-Inseln sind aufgrund des geheimen britisch-amerikanischen Luftwaffenstützpunkts auf Diego Garcia ein sensibles Thema. Das jüngste Abkommen sichert Großbritannien die Nutzung für weitere 100 Jahre, weckt aber Bedenken bezüglich chinesischer Einflussnahme.

Mehrere Opfer des mutmaßlichen Abhörskandals, darunter Journalisten und Oppositionspolitiker, bestätigten die Echtheit der Aufnahmen. Ex-Premierminister Pravind Jugnauth wies eine Verantwortung seiner Regierung zurück und sprach von "fabrizierten Verschwörungen". Er behauptete, die Gespräche seien KI-Manipulationen. Opfer wie der Anwalt und ehemalige Oppositionsführer Shakeel Mohamed halten dies für unwahrscheinlich, da die Technologie für die lokale Sprache Kreolisch nicht präzise genug sei.

Warnung von der Polizei in Mauritius

Die Polizei in Mauritius hat eine Warnung vor illegalem Abhören herausgegeben und Ermittlungen zur Authentifizierung der Stimmen und Identifizierung der Urheber eingeleitet. Dies deutet darauf hin, dass die Abhöraktion von lokalen Amateuren durchgeführt worden sein könnte. Eine FCDO-Quelle bestätigte gegenüber The Independent die laufenden Ermittlungen, schloss aber weder Telefonüberwachung noch KI-Manipulation aus.

Der Skandal wirft Fragen zur Sicherheit diplomatischer Kommunikation auf und könnte die ohnehin heiklen Chagos-Verhandlungen weiter verkomplizieren.

Abschluss der Entkolonisierung

Als "Abschluss der Entkolonialisierung" lobten die Premierminister von Mauritius, Pravind Jugnauth und Großbritannien Keir Starmer eine Übereinkunft, die die Übergabe der Inselgruppe Chagos aus britischen Besitz an Mauritius regelt. Starmer und Jugnauth erklärten gemeinsam, dass sie eine "historische politische Vereinbarung über die Ausübung der Souveränität" über die Inselgruppe getroffen haben.

Ein förmlicher Vertrag ist bisher nicht ausgefertigt, aber beide Seiten sicherten dessen zügige Niederschrift zu. Wie die Washington Post berichtet, wird Großbritannien Mauritius finanziell unterstützen, was die Form von jährlichen Zahlungen in nicht bekannt gegebener Höhe und einer Partnerschaft zum Aufbau von Infrastruktur annehmen soll.

Wofür? Nun, Starmer und Jugnauth erklärten, dass sie sich für den "langfristigen, sicheren und effektiven Betrieb des bestehenden Stützpunkts auf Diego Garcia" einsetzen, der ebenfalls zu der Inselgruppe gehört. Dafür werden man einen 99-jährigen Pachtvertrag für die Insel vereinbaren. Die Vereinigten Staaten und Großbritannien würden die operative Kontrolle über den Stützpunkt behalten.

99-jähriger Pachtvertrag

Der Stützpunkt ist von entscheidender Bedeutung für die Luft- und Seeoperationen der USA im gesamten indopazifischen Raum, insbesondere für Einsätze von Langstreckenbombern. Überdies bietet die Militärbasis logistische Unterstützung für Streitkräfte, die im und um den Persischen Golf und den Indischen Ozean operieren, und beherbergt eine ganze Palette an militärischen US-Einrichtungen.

Für Mauritius war der Verlust der Chagos-Inseln schon immer Unrecht, da London dies 1968 zur Bedingung für die Unabhängigkeit gemacht hatte. Zu dieser Zeit hatte Downing Street bereits ein Geheimabkommen mit den USA ausgehandelt, in dem sie sich bereit erklärte, das größte Atoll, Diego Garcia, als Militärbasis zu verpachten.

Jahrzehntelang gekämpft

Großbritannien entschuldigte sich später für die gewaltsame Vertreibung von mehr als 1.000 Inselbewohnern und versprach, die Inseln an Mauritius zu übergeben, wenn sie nicht mehr für strategische Zwecke benötigt würden.

Die BBC merkt an, dass Mauritius jahrzehntelang dafür gekämpft habe, in dieser Frage internationale Unterstützung zu erhalten. Zudem verklagten vertriebene Chagos-Insulaner, die britische Regierung wiederholt vor unterschiedlichen Instanzen. Später begannen afrikanische Staaten das Vereinigte Königreich in der Frage der Entkolonialisierung unter Druck zu setzen.

Doch den Ausschlag gab der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag, als er 2019 die rechtlichen Folgen zur Abtrennung des Chagos-Archipels von Mauritius begutachtete. Darin stellte der IGH nicht nur fest, dass die Entkolonialisierung von Mauritius 1968 nicht rechtmäßig abgeschlossen wurde, sondern auch, dass London verpflichtet ist, die Verwaltung Archipels so schnell wie möglich zu übergeben.

Eindeutige Stellungnahme des IGH

Die fortgesetzte Verwaltung des Chagos-Archipels durch Großbritannien stelle eine völkerrechtswidrige Handlung dar, so der IGH. Da mussten London und Washington einem möglichen, völkerrechtlich dann verbindlichen Urteil aus Den Haag selbstverständlich zuvorkommen.

Die verbliebenen britischen Überseegebiete sind: Anguilla, Ascension und Tristan da Cunha, Bermuda, Britisches Antarktis-Territorium, Britische Jungferninseln, Falklandinseln, Gibraltar, Kaimaninseln, Montserrat, Pitcairn, St. Helena, Südgeorgien und die Südlichen Sandwichinseln, Turks- und Caicosinseln. Auch auf Zypern stehen zwei Häfen unter britischer Gerichtsbarkeit.

Die meisten von ihnen werden zur Steuervermeidung missbraucht.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.