Chancen für AfD-Verbot: Das sagt ein Verfassungsrechtler
Brisante Äußerungen von "Geheimtreffen" in Parteikreisen teils bekräftigt. Trotz offizieller Dementis. Was laut einem Ex-Verfassungsrichter verbotsrelevant sein könnte.
Durch den Correctiv-Bericht über ein Treffen von AfD-Politikern, "Identitären" und Unternehmern Ende November in Potsdam sehen sich viele bestätigt, die schon seit längerer Zeit ein Verbot der AfD fordern. Was dort laut den Recherchen diskutiert wurde, riecht nach "ethnischer Säuberung" und Massenvertreibungen.
Verfassungsrechtliche Bedenken: Wächst der Druck auf die AfD?
Von Opferanwälten in Strafverfahren gegen Rechtsterroristen über SPD-Chefin Saskia Esken bis zum CDU-Politiker und früheren Ostbeauftragten Marco Wanderwitz sehen viele in der Veröffentlichung nur einen weiteren Beleg dafür, dass die AfD verfassungsfeindliche Ziele verfolgt.
"Wir sollten nicht so lange warten, bis die AfD zu relevant ist", sagte Esken am Donnerstag in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv und warnte davor, ein Parteiverbot auszuschließen.
NPD-Verbot 2017: ein Vergleich mit der AfD
Zu wenig relevant für ein Verbot war dagegen 2017 die neofaschistische NPD – verfassungsfeindlich genug wäre sie gewesen, das hielt das Bundesverfassungsgericht damals ausdrücklich fest.
Der NPD hätte es "das Genick gebrochen", dass sie einen rassistischen Begriff des Deutschen einführen wollte, erklärt der Juraprofessor Peter Michael Huber, der damals als Verfassungsrichter in Karlsruhe am Urteil im zweiten NPD-Verbotsverfahren mitgewirkt hat, gegenüber Telepolis.
Die Begründung könnte auch im Fall der AfD eine Rolle spielen, wenn sich die von Correctiv berichteten Inhalte des Treffens in Potsdam als Parteilinie herausstellen.
AfD-Führung kontert: Offizielle Positionen und interne Diskrepanzen
Die AfD-Führung bestreitet dies, verweist auf ihre offizielle Programmatik und gibt an, der persönliche Referent ihrer Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel habe auf dem Treffen nur ein Social-Media-Projekt vorgestellt, das er im Aufbau begleite.
Provokative Aussagen: AfD-Abgeordneter über Ausländerpolitik
Parteimitglieder wie der AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer bekräftigen dagegen auf Kanälen wie der Plattform X: "Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen."
Laut Correctiv hatten sich bei der Zusammenkunft in Potsdam auch die anwesenden AfD-Mitglieder "frei zu völkischen Idealen" bekannt – es ließen sich demnach "keine wesentlichen Unterschiede zu den Positionen extremistischer rechter Ideologen feststellen".
Auch deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund müssten demnach befürchten, durch "maßgeschneiderte Gesetze" aus dem Land gedrängt zu werden, wenn das in Potsdam versammelte Netzwerk seine Pläne umsetzen könnte.
Staatsbürgerschaft und Ethnizität: Die AfD und das Grundgesetz
Martin Sellner als einer der Hauptreferenten widerspricht in diesem Punkt der Darstellung von Correctiv: Niemandem solle aufgrund von ethnischen Kriterien die Staatsbürgerschaft entzogen werden.
Im Fall eines Verbotsverfahrens müsste verwertbares Beweismaterial vom Verfassungsschutz kommen, der nun in Brandenburg die Correctiv-Recherchen mit eigenen Erkenntnissen abgleicht. Die Frage wäre dann aber auch noch, ob und wie die dort anwesenden AfD-Mitglieder von Führungsgremien oder Parteichefs instruiert waren.
"Wenn ein Treffen mit solchen Zielen der AfD als Partei, dem Vorstand oder Frau Weidel zugerechnet werden könnte, wenn sie ihrem Referenten den Auftrag gegeben hätte, es inhaltlich mitzugestalten, dann hätte dies in der Tat Auswirkungen auf ein mögliches Parteiverbot", sagt der frühere Verfassungsrichter Huber.
Menschenwürde und Ewigkeitsgarantie
Das geltende Recht ermögliche zwar den Entzug der Staatsangehörigkeit, "wenn Doppelstaatler eine schwere Straftat begangen haben".
Aber: "Artikel 16 GG verbietet einen Entzug der Staatsangehörigkeit, wenn Betroffene dadurch staatenlos werden. Gesetze, die gegen die Menschenwürde bzw. die Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes verstoßen, können auch mit absoluter Mehrheit im Bundestag nicht beschlossen werden." Auch eine AfD-Mehrheit im Bundestag könnte das also laut Grundgesetz nicht.
Öffentliche Meinung: Die gespaltene Haltung zum AfD-Verbot
Eine andere Frage ist die der Umsetzbarkeit eines Verbots, wenn eine Partei bereits im Bundestag sitzt und in Umfragen zweitstärkste Kraft ist. "Das ist eine Aporie, weil man den ‚richtigen‘ Zeitpunkt für ein Verbot erwischen sollte – vorausgesetzt, die AfD will unsere Verfassungsordnung tatsächlich überwinden. Ob dies der Fall ist, bedarf gründlicher und verlässlicher Recherchen und einer möglichst objektiven Bewertung."
Laut einer Umfrage ist die Bevölkerung tief gespalten, was ein mögliches Verbotsfahren gegen die AfD betrifft: Jeweils 42 Prozent sprechen sich dafür und dagegen aus.