Chemiekeule auf dem Kartoffelacker

Seite 2: Kleine Kartoffeln fallen durch das Raster

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Kartoffeln, die in den Handel kommen, müssen bestimmten Anforderungen in Form und Größe genügen. Was die Natur ansonsten an seltsam geformten Früchten hervorbringt, wird aussortiert. Die EU bestimmt, wie eine Kartoffel auszusehen hat und wie groß sie sein muss - idealerweise 65 Millimeter.

In dieser Größe würden sich Kartoffeln nicht nur am besten verpacken lassen, sondern seien sie auch bei Verbrauchern besonders beliebt. Für kleinere Kartoffeln wird kaum Geld gezahlt. Diese Vorgaben setzen vor allem die kleineren Betriebe unter Druck, die ohnehin mit Kartoffel-Importen aus südlichen Ländern konkurrieren müssen.

Jedes Jahr werden tausende Tonnen Obst und Gemüse vernichtet, weil sie nicht den von der EU vorgegebenen Maßen entsprechen. Laut einer Studie des Thünen-Institutes von 2013 liegen die Kartoffelverluste hierzulande bei rund fünf Prozent. Das entspricht etwa 537.000 Tonnen.

In der Schweiz gehen mehr als die Hälfte der Kartoffelernten entlang der Wertschöpfungskette verloren. Das zeigt eine Studie von 2015 an der Forschungsanstalt ETH. 25 Prozent wurden bereits bei der Ernte aussortiert, unter anderem solche, die nicht der Norm an Größe und Gewicht entsprachen.

Beim Großhandel fielen 12 bis 24 Prozent durchs Raster. Im Einzelhandel gingen etwa ein bis drei Prozent verloren. Beim Konsumenten hingegen landeten 15 Prozent im Abfall. Unterm Strich war mehr als die Hälfte der Erntemengen verloren gegangen. Während aussortierte Kartoffeln in der Landwirtschaft oder beim Großhändler noch als Tierfutter dienten, würden sie in Privathaushalten auf den Müll geworfen.

Lösungsansätze sehen die Wissenschaftler beispielsweise in der Züchtung neuer Sorten Vor allem aber müssten die Konsumenten umdenken und auch kleinere oder verformte Kartoffeln akzeptieren.

Kartoffelanbau ökologisch

Manche Bio-Bauern nennen ihre Unkräuter Beikräuter. Und diese werden nicht "bekämpft", sondern reguliert, meistens mechanisch, manchmal auch thermisch. Doch egal, wie oft gehackt oder gestriegelt wird, es gibt immer einige blühende Wildkräuter, die trotzig auf dem Acker zurückbleiben und die eine oder andere Wildbiene erfreuen. Das Geheimnis liegt in der richtigen Sortenwahl und dem Anbau geeigneter Zwischenfrüchte mit diversen Getreidearten und einem hohen Anteil an Leguminosen.

Diese erhöhen die Fruchtbarkeit im Boden, der wiederum zahlreichen Bodenorganismen einen attraktiven Lebensraum bietet. Und nebenbei bringt ein gesunder Boden gesunde, unbelastete Früchte hervor.

Sofern das Kraut überhaupt entfernt werden muss, geschieht dies durch eine Kombination aus Abschlegeln und Abflammen, ist dem Bericht zum Einsatz verschiedener Krautregulierungsverfahren bei Bio-Kartoffeln der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zu entnehmen. Neben den Beikräutern wird auch der Stärkegehalt in der Kartoffel reguliert.

Natürlich ist es am einfachsten, mit der 24-Meter-Spritze ein paar Mal über den Acker zu fahren. Doch geht das letztendlich zu Lasten von Menschen, Tieren, Böden, Luft, und Grundwasser. Immer mehr Ackergifte lassen unsere Lebensgrundlagen nach und nach erodieren. Schöner und schneller konsumieren für noch mehr vergiftete Böden, Gewässer und immer weniger Artenvielfalt in den Agrarlandschaften?

Angesichts abnehmender Artenvielfalt und zunehmender Zivilisationskrankheiten stellt sich die Frage, wie lange wir uns die chemische Vernichtung der Natur noch leisten können. Und wollen wir wirklich nur normgerechte Kartoffeln essen?

Die Natur, die unsere Nahrungsmittel hervorbringt, ist vielfältig. Sie lässt sich nicht auf Normgrößen reduzieren. Es braucht einen grundsätzlichen Wandel der Wertvorstellungen - beim Handel, beim Verbraucher und auch beim Bauern. Kleine wie große Kartoffeln verdienen dieselbe Wertschätzung, genauso wie die vielen anderen Lebensmittel, die normalerweise im Müll landen.