China: Es boomt noch nicht genug

Eröffnungssitzung des 13. Chinesischen Volkskongresses. Bild: 叶兵/VOA, Public domain

Die Entwicklung von Solar- und Windenergie im Land der Mitte ist rasant, aber noch viel zu langsam

Ist China auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft? Xi Jinping, chinesischer Präsident und KP-Chef, hatte im September vergangenen Jahres vor der UN-Generalversammlung angekündigt, die Wirtschaft seines Landes bis 2060 klimaneutral zu gestalten. Das war das bisher weitgehendste Versprechen Beijings (Pekings) in Sachen Klimaschutz.

Bis dahin hatte man sich im Rahmen der Pariser Klimaübereinkunft von 2015 lediglich dazu verpflichtet, bis 2030 den Höhepunkt seiner Treibhausgasemissionen zu erreichen und sie danach absenken zu wollen.

Nun diskutiert das Land auf seinem jährlich tagenden Nationalen Volkskongress noch bis Ende der Woche den neuesten Fünfjahresplan. Viele Beobachter hatten gehofft, in ihm einen klaren Weg zum Ausstieg aus den fossilen Energieträgern zu finden.

Doch danach sieht es im Entwurf der Regierung nicht aus. Ohnehin sind die heutigen chinesischen Pläne nicht mit der einstigen Praxis der Sowjetunion, der DDR oder den ersten Jahrzehnten der Volksrepublik zu vergleichen, die in ihrer zentralen Planung allerlei Produktionszahlen konkret vorgaben. Heutzutage werden eher allerlei makroökonomische Kennzahlen fixiert.

Zum Beispiel bisher auch das Wirtschaftswachstum. In der zurückliegenden Planperiode wurden etwa 6,5 Prozent jährlich anvisiert und meist erreicht oder übertroffen. Das Ergebnis: China schätzt sich inzwischen selbst als eine "mäßig wohlhabende Gesellschaft" ein, die einen großen Teil ihrer Mitglieder aus der Armut ziehen konnte.

Zwischen 2010 und 2019 hat sich durch die hohen Wachstumszahlen das Pro-Kopf-Bruttonationaleinkommen mehr als verdoppelt und lag im vorletzten Jahr bei 10.263 US-Dollar (8.606 Euro). In den letzten 15 Jahren ist Chinas Anteil an der weltweiten Wirtschaftsleistung von 5,3 auf inzwischen rund 17 Prozent gestiegen.

2020 gehörte das Land zu den wenigen größeren Volkswirtschaften, die trotz weltweiter Pandemie und Rezession weiter angewachsen sind. Um immerhin 2,3 Prozent legte nach einem Bericht des US-Senders CNN die chinesische Wirtschaft im vergangenen Jahr zu. Und das, obwohl - anders als hierzulande - in vielen Provinzen für mehrere Wochen Fabriken und Betriebe gänzlich geschlossen wurden.

Beim Wachstum wählerischer

Eine gewisse Überraschung war es für manchen Beobachter, dass der neue Fünf-Jahres-Plan keine konkreten Wachstumsziele für die Wirtschaftskraft mehr enthält. Für den Klimaschutz ist das eine gute Nachricht, weil es Anreize für Provinzverwaltungen abschafft, das Wirtschaftswachstum und damit den Treibhausgas-Ausstoß mit allerlei Großprojekten in die Höhe zu treiben.

Motiv für den Verzicht auf eine feste Wachstumsvorgabe ist allerdings wohl eher der Wunsch nach mehr Flexibilität für die Regierung und der Versuch, die Verschuldung im Schach zu halten. Manches von dem, was in letzten Jahren als prestigeträchtige Infrastruktur entstanden ist, wurde mit Krediten finanziert und hat die Verschuldung in die Höhe getrieben.

Schon seit längerem kündigt sich zudem an, dass die chinesische Führung eine größere Betonung auf die Qualität des Wirtschaftswachstums legen will. Auch die gesteigerten Ausgaben für Forschung und Entwicklung, die der neue Fünf-Jahres-Plan vorsieht, sprechen dafür.

Kein Durchstarten

Doch wie sieht es nun mit dem Klimaschutzziel für 2060 aus? China hat zwar in den vergangenen Jahren so viele Solaranlagen und Windräder installiert wie kein anderes Land, doch derzeit liegt der Anteil von Sonne und Wind an der Energieversorgung (Strom, Wärme und Antriebsenergie) des Landes erst bei knapp drei Prozent.

Zusammen mit anderen nicht fossilen Energieträgern sind es 15,9 Prozent. Dieser Anteil, so sieht es der Planentwurf vor, bis 2025 auf 20 Prozent angehoben werden.

Das wären vier Prozentpunkte in fünf Jahren. Bis 2060 gibt es insgesamt acht Fünfjahresperioden. Im gleichen Tempo wäre man also 2060 erst bei einem Anteil von knapp 50 Prozent der klimaneutralen Energieträger an der Energieversorgung.

Es sieht also nicht danach aus, als ob China mit dem neuen Fünfjahresplan in Sachen Klimaschutz richtig durchstartet. Andererseits sind aber in der Vergangenheit die Pläne für die Solar- und Windenergie eher bescheiden formuliert und dann meist erheblich übererfüllt worden.

Mehr Atomkraft für China

Auf jeden Fall werden diese beiden Sektoren die Hauptlast der Transformation tragen müssen, denn die anderen erneuerbaren Sektoren – vor allem die Nutzung biogener Abfälle und die Wasserkraft – sind nicht beliebig ausbaubar.

In China wird als weitere Option auf den Ausbau der Atomkraft gesetzt. Nach den Zahlen der Internationalen Atomenergieagentur in Wien liefern Atomkraftwerke in der Volksrepublik derzeit nicht ganz fünf Prozent des Stroms oder 2,4 Prozent des gesamten Energiebedarfs, wie es bei der Internationalen Energieagentur in Paris heißt.

Derzeit laufen in China 50 Atomkraftwerke (AKW), von denen die allermeisten erst im vergangenen Jahrzehnt ans Netz gegangen sind. Zwölf weitere sind im Bau und wenn der neue Plan verabschiedet und erfüllt wird, gehen bis 2025 acht bis zehn weiteren Anlagen ans Netz.

Die gesamte Kapazität der AKW-Flotte soll von derzeit knapp 50 auf 70 Gigawatt erhöht werden. Womit sich das Ausbautempo im Vergleich zum zurückliegenden Jahrzehnt deutlich verlangsamen würde.

Das mag auch damit zusammenhängen, dass es günstigere Alternativen gibt. Insbesondere Solarstrom ist inzwischen erheblich billiger als Atomstrom, wenn man jeweils neue Anlagen vergleicht. Außerdem sind Solarzellen schneller zu installieren und können, sofern sie dezentral und verbrauchernah installiert werden, auch noch das Netz entlasten.

Umstellung auf Strom

Zur großen Herausforderung dürfte für China wie auch für andere Länder die Umstellung eines großen Teils des Energieverbrauchs auf Strom werden. China ist bereits weltweit führend in der Nutzung der sogenannten Solarthermie für Warmwasser. Vor allem in seinen südlichen Städten sind entsprechende Anlagen auf den Hausdächern ein alltäglicher Anblick.

Ansonsten wird der Wärmebedarf aber meist genauso wie der Energieeinsatz im Transportsektor durch das Verbrennen fossiler Energieträger gedeckt. Bei den Heizungen und in Heizkraftwerken ist es bisher vor allem die Kohle, die aber gerade in einigen Provinzen im großen Stil durch Erdgas ersetzt wird.

Dies ist jedoch genauso wie Kohle und Erdölprodukte nur sehr begrenzt durch erneuerbare Alternativen wie Holz, Abfälle aus der Landwirtschaft oder Biogas ersetzbar. Auch der zurzeit mal wieder hierzulande beworbene Einsatz von synthetischen Kraftstoffen ist wegen der hohen Umwandlungsverluste und im Falle von Biokraftstoffen wegen des hohen Flächenbedarfs keine großskalige Alternative.

Rasch, aber nicht schnell genug

Immerhin boomt in China, wie berichtet, der Ausbau von Wind- und Solarenergie gewaltig. Im ersten Fall kamen 2020 rund 45 und im Letzteren 48 Gigawatt (GW) hinzu. Zum Vergleich: Das ist jeweils fast so viel wie in Deutschland bisher insgesamt installiert wurde.

Um aber Xi Jinpings Ankündigungen gerecht zu werden, müsste das Tempo noch beschleunigt werden. Unter anderem hatte er im vergangenen Jahr auch angekündigt, dass China bis 2025 Solar- und Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 1.200 Gigawatt haben würde.

Das wäre ein Schritt nach vorn, der aber noch immer nicht recht zu seinem Ziel der Klimaneutralität in 2060 passt. Mit einer solchen Leistung könnte 2025 ein gutes Fünftel des weiterwachsenden chinesischen Strombedarfs gedeckt werden. Vorausgesetzt, dass je etwa die Hälfte der Gesamtleistung von Windrädern und die andere Hälfte Solaranlagen gestellt wird und der Bedarf bis 2025 um drei bis vier Prozent jährlich wächst.

Um die angekündigten 1.200 GW Gesamtleistung bei Solar und Wind bis zur Mitte des Jahrzehnts zu erreichen, müssten in China aber jährlich Windräder mit einer Leistung von 60 GW und Solaranlagen mit zusammen 70 GW ans Netz gehen.

Das würde selbst alle chinesischen Rekorde in den Schatten stellen. Aber die chinesische Wirtschaft war bisher immer für Überraschungen gut und die Ausbauziele für Sonne und Wind wurden in den letzten zehn Jahren regelmäßig übererfüllt.

Genau das wird auch nötig sein. Denn wenn man davon ausgeht, dass eine Windkraftanlage nur 20 und eine Solaranlage bestenfalls 30 Jahre Strom liefert, dann kommt man auch mit diesem enormen Ausbautempo auf "nur" 3.100 GW.

Das ist zwar eine gewaltige elektrische Leistung – die gut dem 14-fachen der gesamten deutschen Kraftwerkskapazitäten entspricht – aber sie wird bei weitem nicht ausreichen, den chinesischen Energiebedarf im Jahre 2060 abzudecken. Dafür wäre – ganz grob geschätzt – das Acht- bis Neunfache notwendig.

Zur Einschätzung, wie realistisch oder unrealistisch ein entsprechender Ausbau der Erneuerbaren ist, hilft gibt ein Vergleich zwischen Deutschland und China Anhaltspunkte: Deutschland hat in Spitzenzeiten über sieben GW im Jahr an Solaranlagen sowie über fünf GW an Windkrafträdern installiert und könnte sicherlich auch noch deutlich mehr leisten – wenn es denn den politischen Willen dazu gäbe.

Chinas arbeitende Bevölkerung ist hingegen rund 20 Mal so zahlreich wie die hiesige, das Land fast so groß wie Europa und die (weiter wachsende) Wirtschaft bereits etwa 3,8 Mal so stark wie die deutsche.