China-Strategie der Bundesregierung: Die zweite Front

Seite 2: Abschied von der Völkerrechtsordnung

Bewusst wird hier der im atlantischen Bündnis übliche Begriff der "regelbasierten Ordnung" und nicht die allein maßgebliche "Völkerrechtsordnung" benutzt.

Denn diese "regelbasierte Ordnung" enthält die ideologischen Standards der kapitalistischen Wirtschaft wie Freiheit des Marktes, Unantastbarkeit des Eigentums und Menschenrechte, die den ökonomischen Interessen der Marktbeherrschung und globalen Expansion normativen Charakter verleihen sollen.

Doch wer darauf besteht, dass "die universellen Menschenrechte nicht relativierbar (sind), sondern unveräußerlich und weltweit gültig", sollte wissen, dass den ökonomischen und sozialen Menschenrechten im kapitalistischen Westen nicht die gleiche Verbindlichkeit zuerkannt wird, wie den politischen und kulturellen Menschenrechten.

Schon der britische Premier Winston Churchill hat in den Beratungen über die UNO-Charta gegenüber Stalin darauf hingewiesen, dass die ökonomischen Menschenrechte nicht mit der eigenen Wirtschaftsordnung vereinbar seien, weswegen sie in der Charta ausgelassen wurden.

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Erst 1967 wurden sie in zwei getrennten Abkommen kodifiziert, mit Verbindlichkeit für beide, was sich jedoch bis heute nicht durchsetzen konnte.

Die auch von der Weltbank anerkannte Leistung, in den letzten 20 Jahren rund 800 Millionen Menschen aus der Armut geführt zu haben, bleibt unerwähnt.

Dafür wird auch in dem Strategiepapier die angebliche Zwangsarbeit der Uiguren in Xinjiang, Menschenrechtsverletzungen in Tibet und andere ethnische Minderheiten, die politische Säuberung gegen Oppositionelle in Hongkong, der Umgang mit Meinungsfreiheit und Bürgerrechtlern, aber auch mit Frauen und marginalisierten Gruppen als Standardvorwurf gegen die chinesische Regierung wiederholt, allerdings mehrfach ohne konkreten Nachweis.

Die alte koloniale Attitüde der Belehrung und Einmischung in fremde Gesellschaften ist mit der "grünen" Regierungsbeteiligung als besonders unangenehme Eigenschaft in die deutsche Außenpolitik zurückgekehrt – und wird zu Recht nicht nur von der chinesischen Regierung kritisiert. Zumal der verbündete atlantische Westen davon nicht betroffen ist.

Das macht sich besonders bemerkbar bei der Taiwan-Frage. Insgesamt 13-mal wird sie erwähnt, allerdings wird die Ein-China-Politik nicht in Frage gestellt und betont, dass diplomatische Beziehungen nur mit der Volksrepublik China bestehen.

Doch im Abschnitt 5.7 wird sie dann ermahnt: "Eine Veränderung des Status quo in der Taiwan-Straße dürfe nur friedlich und im gegenseitigen Einvernehmen erfolgen." Damit bürdet sich die Bundesregierung einen zweiten großen Konflikt auf.

Es bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung dies auch bei ihrem geplanten stärkeren militärischen Auftritt im indopazifischen Raum immer berücksichtigt und sich nicht an den provokativen Aktivitäten ihres besten Verbündeten USA beteiligt, sondern ihn davon abhält.

Und darin liegt das größte Problem dieser neuen China-Strategie. Sie hätte schärfer und konfrontativer formuliert werden können und ist in Deutschland wie in Europa mit Wohlwollen aufgenommen worden.

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