China à la carte
Seite 2: Von der verlängerten Werkbank zum systemischen Herausforderer
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Wie so oft setzen sich Entwicklungen und Trends aus den USA mit Verzögerung in Europa fort. Der wirtschaftliche und technologische Fortschritt Chinas, der alle bisherigen Aufholjagden der Geschichte übertrifft, wurde eher als in Europa als Bedrohung erkannt.
Die aus chinesischer Sicht zur Verteidigung notwendig gewordene Modernisierung der Armee war nicht zuletzt eine Antwort auf die US-Militärbasen in unmittelbarer Nähe, 73 in Südkorea und 120 in Japan, mit zusammen rund 80.000 dort stationierten Truppen. Dieses Netz expandiert weiter, zuletzt vor ein paar Wochen mit der Öffnung von weiteren vier Marinebasen in den Philippinen.
Das US-amerikanische Militär ist nicht nur durch die weltweit rund 800 Stützpunkte und das ausgefeilte Spionage- und Überwachungssystem seiner Satelliten gut über die chinesischen Rüstungsanstrengungen informiert. Entscheidender für die Politik ist die Lobbyarbeit verschiedener Anti-China-Gruppierungen.
Das "Committee on the Present Danger: China" (CPDC)
Nach vorbereitenden Diskussionen wurde das Komitee im März 2019 offiziell gegründet. Es sieht sich als überparteiliches (non-partisan) Gremium, das die US-amerikanische Öffentlichkeit und die politischen Entscheidungsträger vor den drohenden Gefahren warnen will, die aus seiner Sicht vom Missmanagement der kommunistischen Regierung Chinas ausgehen. Auf der Website heißt es:
Its purpose is to explain these threats that range from: the PRC’s accelerating military build-up; its active information and political warfare that targets the American people and our business, political and media elites; cyber warfare; and economic warfare.
Es geht also um Aufrüstung, Informationskrieg und Wirtschaftskrieg, die zusammen die Geschäftsinteressen und die Sicherheit der amerikanischen Bevölkerung bedrohen. Trotz massiver Investitionen in neue Waffensysteme liegen die chinesischen Militärausgaben tatsächlich noch unter einem Drittel der amerikanischen, und von Angriffsplänen auf die USA ist bisher nichts zu hören gewesen.
Aber der primär inneramerikanisch kritisierte "endlose Krieg" weltweit, Afghanistan ist eine noch zu frische Wunde, hat offenbar zu einem erhöhten Bedrohungsgefühl geführt. Vorsitzender des CPDC ist Brian T. Kennedy, der auch Präsident der American Strategy Group ist, einer ähnlichen Organisation, die aber noch Russland, die islamische Welt und den Verlust der US-Gründungsprinzipien in das Bedrohungs-Szenario einbezieht.
In Deutschland vermutlich am bekanntesten unter den Mitgliedern aus Militär, Geheimdiensten und Diplomatie ist der umstrittene Steve Bannon, ehemaliger Chefstratege von Donald Trump.
Europa übernimmt das Bedrohungs-Szenario
Noch sorgt der Export in den boomenden chinesischen Automarkt für satte Gewinne der deutschen Prestigemarken. Aber auch für viele kleinere deutsche Unternehmen ist China wichtig. Regierungsauflagen und vor allem der Transfer von Fertigungsmethoden und Patenten haben immer wieder Sorgen bereitet. Aber die chinesischen Verhandlungspartner sind oft genug einfach clever und möchten aus der Rolle als verlängerte Werkbank herauskommen, bei der die Gewinne nicht gerade fair verteilt werden.
Bei den Mobiltelefonen und Computern, die in China gefertigt und weltweit vermarktet werden, kann man die ungleichen Profitraten studieren. Technisch entsprechende Geräte ohne Marke sind für einen geringen Bruchteil der offiziellen internationalen Verkaufspreise zu haben.
Abgesehen von diesen eher technisch-betriebswirtschaftlichen Differenzen ist in Deutschland von einer Bedrohung durch China bisher nie die Rede gewesen. Die "wertebasierte Außenpolitik" der Ampelkoalition hat Menschenrechtsfragen und vor allem die Lage der muslimischen Uiguren in Xinjiang in den Vordergrund gerückt. Damit haben die Uiguren zu einer Grundüberzeugung der deutschen Öffentlichkeit und der Medien beigetragen, die das China-Bild massiv ins Negative veränderten.
Harte Fakten bleiben zwar weitgehend unbekannt, aber die Meinungen sind gefestigt: China ist eine Einparteien-Diktatur und die Menschenrechte werden mit Füßen getreten. Dass ein Viertel der jüngeren Afroamerikaner im Gefängnis sitzt oder vorbestraft ist, oder die USA die weltweit mit Abstand höchste Inhaftierungsrate haben, wird als "Whataboutismus" abgetan, das könne man doch nicht vergleichen.
Die deutsche und die europäische Politik haben das bedrohliche China-Bild der USA übernommen. Außenministerin Baerbock warnt China ausgerechnet bei einem Besuch in Peking vor einer Invasion Taiwans und die dann drohenden Konsequenzen aus Europa. Und Kommissionschefin von der Leyen versucht gerade noch bei aller China-Kritik die wichtigsten wirtschaftlichen Interessen zu retten.
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