China à la carte

Seite 3: China à la carte?

Bisher ist die Frage zu kurz gekommen oder nie gestellt worden, wie China eigentlich regiert werden müsste, um als demokratisch, gleichberechtigt und nicht bedrohlich akzeptiert zu werden.

Im Gegensatz zu der antikommunistischen Rhetorik des amerikanischen Anti-China-Komitees spielt die ideologische Frage in Deutschland keine besondere Rolle. Von einer geschlossenen sozialistischen Ideologie wie in sowjetischen Zeiten vor dem Ende des Kalten Krieges kann kaum die Rede sein. Die Frage wurde schon bei der deutschen Wiedervereinigung hervorragend zu "What is left?" kondensiert.

Der chinesische Pragmatismus hat neben dem kommunistischen Parteinamen immerhin einen egalitären Anspruch aufrechterhalten, der die historisch überkommene Armut, vorrangig auf dem Land, zu reduzieren und auszurotten versucht. Auch auf diesem Gebiet hat China deutlich mehr erreicht als die meisten westlichen oder prowestlichen Staaten.

Wie könnte eine Demokratie chinesischer Prägung, im Vergleich mit dem "Sozialismus chinesischer Prägung", aussehen, wie ihn Deng Xiaoping auf dem XII. Parteitag 1982 einführte?

Der Begriff ist seitdem nicht intensiv theoretisch oder systematisch ausgebaut worden, aber auch vonseiten westlicher oder exilchinesischer Theoretiker sind keine Konzepte für eine Art "Demokratische Republik China" oder "Federal Republic of China" bekannt geworden. Wäre Taiwan dabei ein mögliches Modell? Taiwan hat lange auf einem Alleinvertretungsanspruch für ganz China bestanden und tritt seit den diktatorischen Zeiten des Staatsgründers Chiang Kai-Shek als "Republic of China" auf.

Die internationale Anerkennung, obwohl informell, und die demokratische Legitimation Taiwans stehen außer Frage, aber die Ein-China-Politik der USA, die in den vergangenen Jahren mit der Anti-China-Stimmung in Politik und Medien relativiert wird, haben Taiwan intern belastet. Als die Nationalchinesen Chiang Kai-Sheks 1949 die Insel übernahmen, waren sie keineswegs bei der einheimischen Bevölkerung willkommen und ihre äußerst autoritäre und brutale Herrschaft änderte daran nichts.

Erst die Aufhebung des Kriegsrechts und die demokratische Öffnung Ende der 1980er-Jahre etablierten ein demokratisches System, allerdings mit Schwachstellen. So bleibt etwa die Anhängerschaft der beiden Hauptparteien DPP und KMT in der Bevölkerung geteilt und strittig.

Im entscheidenden Disput über Unabhängigkeit oder größere Nähe zu China sind die Meinungen im langjährigen Durchschnitt fast hälftig geteilt und die Wahlausgänge schlagen wegen anderer Themen, etwa Korruption, einmal zugunsten der DPP aus und dann wieder für die KMT. Im Demokratie-Index der Economist Intelligence Unit für 2022 rangiert Taiwan auf Platz zehn und China auf Platz 156.

Zusammen mit Japan und Südkorea zählt Taiwan zu den drei einzigen entwickelten Demokratien in Asien. Eindeutiger kann es nicht beschrieben werden, obwohl bestimmte Mitbestimmungsrechte der Bevölkerung in China auch Beachtung verdienen würden. Aber solange es um den Machterhalt der Staatspartei geht, darf man sich keine Illusionen über eine Demokratisierung im westlich-internationalen Sinne machen.

Allerdings ist im Westen die Euphorie über einen Sieg demokratischer Systeme inzwischen abhandengekommen. Fukuyamas Theorie vom "Ende der Geschichte" mit einer weltweiten Verbreitung liberaler Demokratien war zu optimistisch, die "Dritte Welle der Demokratisierung" ist endgültig vorbei.

Im Gegenteil, es entstehen mehr autokratische Systeme als solche überwunden werden. Die teilweise missionarische Demokratieförderung amerikanischer und europäischer Organisationen steckt in einer Sackgasse.

Geopolitisch sind die Verschiebungen zugunsten Chinas in Eurasien, Afrika und Lateinamerika so eindeutig, wie sie zulasten der traditionellen amerikanischen Vormachtstellung gehen. Nach den Kriegen im Irak und in Afghanistan haben die unterschiedlichen Strategien der Großmächte im Globalen Süden folgenden Slogan generiert "Die USA bombardieren und China baut", nämlich mit dem Großprojekt Belt and Road Initiative (BRI) Transportinfrastruktur durch Eisenbahnen, Häfen und Flughäfen, die dem eigenen Handel dienen, aber auch den Partnerländern.

Den Mangel an Modellen und theoretischen Vorarbeiten für eine künftige Demokratie der Volksrepublik China komplizieren zunehmend die militärischen Spannungen mit den USA, die Europa weitgehend unterstützt.

Die dabei benutzte Kriegsrhetorik und lange Debatten über eine vermeintliche Thukydides-Falle, die einen Krieg mit China so unvermeidlich macht wie die Kriege zwischen Athen und Sparta vor mehr als 2.000 Jahren, dürften weder zur Reformbereitschaft des Regimes noch zu entsprechenden Forderungen in der Bevölkerung beitragen. China und viele seiner 1,3 Milliarden Menschen fühlen sich vermutlich stärker bedroht als die amerikanischen Durchschnittsbürger und stellen sich eher hinter die wirtschaftlich so überaus erfolgreiche Regierung.

Hinzu kommt, dass die allzu sichtbaren demokratischen Schwachstellen in den USA und in den zunehmend zersplitterten Parteiensystemen Europas allemal kein attraktives Vorbild für China ergeben. Das Fatale an der Situation ist, dass die Konfrontation, besonders die militärische, keine tragfähige gemeinsame Zukunftsvision ergeben kann.

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