China setzt auf die Bahn
Nach mobilen elektronischen Produkten und E-Mobilen hat die Volksrepublik China auch den Bahnbereich für Nah- und Fernverkehr mit Riesenschritten entwickelt. Ausgehend vom Binnenmarkt strebt man jetzt in den Export
Nachdem im Jahr 1881 in China die Xugezhuang Machinery Works gegründet wurden und eine erste Dampflokomotive mit dem Namen "Rocket of China" produziert wurde, kam erst 1952 Bewegung in die chinesische Bahntechnikindustrie, als das "Rolling Stock Manufacture Bureau" und das "Rolling Stock Repair Bureau" des damaligen Eisenbahnministeriums (MOR) ins Leben gerufen wurde, dem 20 Fabriken unterstanden.
Das MOR wurde im Jahr 2013 aufgelöst. Seine Verwaltungsfunktionen wurden ins Transportministerium verlagert und für den Bahnbetrieb wurde die China Railway Corporation gegründet.
Know-how ausbauen
1986 wurde der industrielle Bereich neu strukturiert und als "China National Railway Locomotive & Rolling Stock Industry Corporation" mit 35 Fabriken und vier Entwicklungsbüros neu aufgestellt. Im Jahre 2000 erfolgte die Trennung in die zwei staatseigenen Unternehmen: "China North Locomotive and Rolling Stock Corporation" (CNR) und die "China South Locomotive and Rolling Stock Corporation" (CSR). Offizielle Begründung war, dass man durch die Auftrennung in zwei Gesellschaften den Wettbewerb ankurbeln wolle.
In der Realität bot der Split die Möglichkeit, getrennte Jointventures mit verschiedenen Partnern einzugehen und so das eigene Know-how auszubauen. So gründete CNR ein Gemeinschaftsunternehmen mit Siemens für den Bau von Velaro-Hochgeschwindigkeitszügen, das inzwischen aufgelöst ist. Siemens Mobility ist heute nur noch ein Komponentenzulieferer.
Kawasaki wiederum half CSR mit seinem Know-how. Auch die inzwischen fusionierten Bahntechnikbereiche von Bombardier und Alsthom suchten ihr Glück in chinesischen Jointventures.
Nachdem CSR und CNR 2008, bzw. 2009 an der Börse gelistet waren, kam 2014 ein Gemeinschaftsunternehmen von CSR mit General Electric Co zustande, bevor sich die jeweiligen westlichen Partner 2015 nach der Fusion von CNR und CSR zur "China Railway Rolling Stock Corp" (CRRC), die an den Börsen von Shanghai und Hongkong gelistet ist, gegenüber sahen.
CRRC will den Weltmarkt erobern
Nachdem man im Heimatmarkt inzwischen einen Marktanteil von 90 Prozent erreicht hat, drängt man mit seiner Technik, die nach eigener Aussage den europäischen Standards entspricht, einerseits auf den südostasiatischen, aber auch auf den europäischen Markt. Hier sind vorwiegend die privaten Wettbewerber der staatlichen Bahngesellschaften im Fokus.
So hat die österreichische Westbahn beim chinesischen Werk CRRC Zhuzhou Locomotive Co., Ltd. vier Triebwagenzüge bestellt, die man jedoch nicht kaufen, sondern mieten will. Es handelt sich um Doppelstockzüge, die aus jeweils sechs Wagen mit insgesamt 571 Sitzplätzen bestehen. Am 31.05.2021 wurde das zum Export nach Europa produzierte Doppelstock-Rollmaterial auf einer Video-Konferenz vorgestellt. Die Zulassung soll bis Sommer oder Herbst 2023 erfolgen.
Die ebenfalls von CRRC stammenden Sirius-Züge des tschechischen Bahnbetreibers Leo Express, der hälftig zum staatlichen spanischen Eisenbahnverkehrsunternehmen RENFE gehört, befinden sich schon im Genehmigungsprozess. Leo Express war vor Corona in Deutschland für Flixtrain unterwegs.
Die nicht in erster Linie staatlich kontrollierten privaten Bahngesellschaften sind zusammen mit attraktiven Finanzierungskonzepten ein kaum zu kontrollierendes Einfallstor für chinesische Bahntechnik.
Schutz der europäischen Eisenbahnhersteller vor unfairem Wettbewerb
Nachdem die westlichen Bahnhersteller mit ihren Expansionsplänen in China krachend gescheitert sind, ist man jetzt bestrebt, zumindest den europäischen Heimatmarkt gegen den anrollenden chinesischen Wettbewerb zu verteidigen und nimmt dabei Anleihen vom chinesischen Entwicklungsprogramm.
So formulierte man schon 2018 die Vorstellung, dass bei öffentlichen Ausschreibungen nur Unternehmen zum Zuge kommen dürften, die einen europäischen Wertschöpfungsanteil von 50 Prozent garantierten. Dies basiert auf einer EU-"Kann-Bestimmung", nach welcher Angebote mit einem europäischen Wertschöpfungsanteil unter 50 Prozent von der Ausschreibung ausgeschlossen werden können.
Hier will man den sogenannten Local-Content-Anteil wie in den USA auf 70 Prozent erhöht sehen und wünscht sich statt der Kann- eine Muss-Bestimmung.
Dies könnte jedoch unterlaufen werden, wenn CRRC sich in die europäische Eisenbahnindustrie einkauft, wofür die damalige Bundesregierung keine Zeichen sah, wo man 2020 immer noch bestrebt war, einen verbesserten Zugang zum chinesischen Markt zu erreichen und die Wettbewerbsbedingungen zwischen Europa und China anzugleichen.
Das deutsche Kartellamt sah im gleichen Jahr keinen Anlass, den in der Industrie umstrittenen Verkauf des Lokomotiv-Geschäfts von Vossloh an CRRC zu untersagen, da dieser Verkauf nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf dem Markt für Rangierlokomotiven in Europa führen werde.
Für den Bahngiganten CRRC dürfte Vossloh nur ein Trainingspartner sein, um das eigene Personal für kommende europäische Ausschreibungen fit zu machen.