Chinas Aufstieg zur Supermacht und das bröckelnde US-Imperium
Seite 2: Nach Irak: Chinas Aktienkurse florieren, die in den USA stürzten ab
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Sie haben kürzlich einen Artikel für The American Conservative verfasst, mit der Überschrift "And the winner is ... Twenty years after the Iraq invasion: America’s humiliation was China’s gain". ("Und der Gewinner ist ... Zwanzig Jahre nach der Irak-Invasion: Amerikas Demütigung ist Chinas Gewinn") Was meinen Sie damit?
Andrew Bacevich: Chinas Aktienkurse sind gestiegen und florieren, unser Aktienkurs ist abgestürzt. Wir haben unsere Macht verschenkt. Wir haben unseren Einfluss verschenkt. Und ich würde nicht sagen, dass der Irak-Krieg die einzige Erklärung für den relativen Niedergang Amerikas ist. Aber er war ein essenzieller Faktor, der dazu beigetragen hat.
Wenn man Interesse hätte, diesen Niedergang zu stoppen, dann scheint mir der richtige Weg zu sein, mit einer ehrlichen Aufarbeitung des Irak-Krieges, seiner Ursprünge, seiner Durchführung und seiner Folgen zu beginnen. Aber es gibt nicht sehr viele Anzeichen dafür, dass diese ehrliche Aufarbeitung stattfinden wird.
Und was halten Sie von der Rechten, wenn es um die Frage geht, den Irak-Krieg infrage zu stellen? Es verleitet viele zu der Annahme, dass die Seiten gewechselt worden sind. Es gibt diejenigen in der Friedensbewegung, die den Krieg in der Ukraine zutiefst infrage stellen und sagen, dass Verhandlungen hier die einzige Lösung ist. Sie befürchten, dass der Konflikt zu einem Atomkrieg führen könnte. Rechte sagen nun – sogar der Gouverneur von Florida, DeSantis, der Trump herausfordern könnte –, es sei nur ein territorialer Streit. Eine Reihe von Republikanern will den Krieg in der Ukraine nicht weiter finanzieren.
Andrew Bacevich: Bringen Politiker, wenn sie in der Öffentlichkeit sprechen, eine prinzipielle Sichtweise zum Ausdruck? Oder ist es wahrscheinlicher, dass sie tatsächlich Dinge sagen, die innenpolitische Strategien widerspiegeln? Ich muss sagen – und ich will nicht zynisch erscheinen –, ich gehöre eher zum letzteren Lager.
Jetzt, wo Biden den Ukraine-Krieg zu verantworten hat, äußern sich viele Republikaner zurückhaltend und vorsichtig gegenüber der Anwendung von Gewalt. Ich bin nicht davon überzeugt, dass die heute von Demokraten und Republikanern eingenommenen Positionen prinzipielle Standpunkte widerspiegeln, sondern eher das, was im Moment politisch opportun ist.
Zurück zum Irak. Ein bekannter irakischer US-Amerikaner, der, als die USA in den Irak einmarschierten, Minneapolis verließ, sagte: "Es ist mir egal, wenn ich die Straßen meiner Stadt Nadschaf fegen muss, ich werde dort bei meinen Leuten sein". Er ist jetzt zurückgekehrt. Präsident Putin ist in jüngster Vergangenheit vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen angeklagt worden. Es stellt sich aber auch die Frage, was in den USA vor zwanzig oder auch vor zehn Jahren hätte geschehen müssen. Präsident Obama ist bekannt dafür, gesagt zu haben, dass man immer nur nach vorn schauen solle. Aber wenn es um die Verantwortung für die Zerstörung der irakischen Nation geht, was ist dann mit George W. Bush? Nur einen Tag nach dem 11. September – als längst bekannt war, dass 15 der 19 Flugzeugentführer aus Saudi-Arabien stammten – drängte Bush Richard Clarke, der in seiner Regierung für Terrorismusbekämpfung zuständig gewesen ist, zur Frage des Irak: "Wie können wir diese Verbindung herstellen?" Richard Clarke antwortete ihm: "Es gibt keine Verbindung." Sollte Bush nicht auch wegen Kriegsverbrechen angeklagt werden? Und sollten andere mit ihm auf der Anklagebank sitzen?
Andrew Bacevich: Zunächst einmal steht es meiner Meinung nach außer Frage, dass der Irak-Krieg, der von den Vereinigten Staaten angezettelt wurde, ein Verbrechen ist, ein wirklich schreckliches Verbrechen. Ich bin wahrscheinlich nachsichtiger mit Präsident Bush als viele andere Menschen. Wissen Sie, ich halte ihn für einen Menschen mit begrenztem Talent, um es ganz offen zu sagen.
Er wurde Präsident, weil sein Nachname "Bush" lautete. Er war eine fantasielose Figur und völlig unvorbereitet für das, was am 11. September geschah. Seine Reaktion, die ich nicht verteidige, ist meiner Meinung nach in erster Linie auf die Mitarbeiter zurückzuführen, mit denen er sich umgeben hat.
Mit anderen Worten: Wenn ich nach Bösewichten suche, dann fange ich nicht bei Bush an. Ich beginne mit Cheney, Rumsfeld, Wolfowitz und Condoleezza Rice, Leute, die sich einbildeten, strategisch zu denken. Sie gaben vor, die Weltpolitik zu verstehen, und glaubten, dass die amerikanische Militärmacht so groß ist, dass man Saddam Husseins Streitkräfte beiseite fegen und daraus große Vorteile ziehen könne.
Sie haben sich verkalkuliert. Sie haben sich völlig geirrt. Wenn ich also nach jemandem suche, dem ich die Verantwortung geben würde, dann neige ich dazu, diese Leute stärker zu beschuldigen als Bush – ohne Bush natürlich davonkommen zu lassen. Er war der Oberbefehlshaber. Aber auch hier denke ich, dass in gewissem Sinne seine Hände nicht an den Reglern waren.
Wenn Bush so untalentiert war, warum konnte ihn dann die größte Antikriegsbewegung, die die Welt jemals gesehen hat, nicht aufhalten? Diese Bewegung ging weit über die Vereinigten Staaten hinaus. Am 15. Februar 2003 protestierten Millionen von Menschen weltweit, um die US-Invasion im Irak zu stoppen.
Andrew Bacevich: Ich glaube nicht, dass sich Bush oder irgendjemand in der Bush-Regierung für die Weltmeinung interessierte. Es ging ihnen darum, bestimmte Verbündete, wie Großbritannien, dafür zu gewinnen, den Krieg zu unterstützen. Und das ist ihnen gelungen. Tony Blair sollte sich schämen. Ich glaube nicht, dass die Weltmeinung in den inneren politischen Kreisen von Washington D.C. eine große Rolle spielte.
Ich war zufällig in New York City, in Manhattan, am 15. Februar. Es war bewegend, gewaltig und erstaunlich, aber es hatte aus meiner Sicht keinerlei politische Auswirkungen.
Und warum? Ich denke, das sagt etwas über unsere Demokratie aus, dass Eliten dazu tendieren, sich in Richtung auf den Willen des Volkes zu orientieren. Aber wenn sie am Tisch sitzen und Entscheidungen treffen, Entscheidungen, die mit Krieg und Frieden zu tun haben, denke ich nicht, dass sie sehr ernsthaft darüber nachdenken: "Was denken eigentlich die Leute im Bundesstaat Indiana darüber?"
Ihr Kalkül ist von Machtüberlegungen geprägt. Die Bush-Regierung hatte 2003, als der Krieg begann, ein extrem verfehltes Verständnis vom Krieg, von der US-amerikanischen Bevölkerung und vom Potenzial der US-amerikanischen Militärmacht. Unsere politische Führung, gewählt und ernannt, war schlicht dumm. Ich glaube, die Menschen verfügen über ein besseres Verständnis für die Gefahren, die wir eingingen, als wir in den Krieg gegen den Irak zogen.
Das Interview erscheint in Kooperation mit dem US-Medium Democracy Now. Übersetzung: David Goeßmann
Andrew Bacevich ist Präsident des Quincy Institute for Responsible Statecraft und schreibt regelmäßig für TomDispatch. Sein neues Buch, das er gemeinsam mit Danny Sjursen herausgegeben hat, heißt "Paths of Dissent: Soldiers Speak Out Against America's Misguided Wars". Sein neues Buch heißt "On Shedding an Obsolete Past: Bidding Farewell to the American Century".
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