Chinas Diplomatie überholt US-Militär
Über Jahrzehnte haben die USA mit Militärstützpunkten um den Golf und Waffenlieferungen Position bezogen, nicht zuletzt, um ihre Energieversorgung und ihre Handelsrouten abzusichern. Diese Machtpolitik könnte jetzt vor dem Scheitern stehen.
Wer den außenpolitischen Vermittlungserfolg Chinas zwischen Iran und Saudi-Arabien – AP: "China spielt in der Politik des Nahen Ostens eine führende Rolle", Tagesschau: Der neue Nahe Osten – in der vergangenen Woche beurteilen will, sollte etwas in die Geschichte am Golf eintauchen und den Blick auf die iranische Geschichte in der Mitte des 20. Jahrhunderts werfen. Reza Schah Pahlavi, der aus einfachsten Verhältnissen stammte, hatte sich 1925 als Militär an die Macht geputscht.
Ähnlich wie sein Vorbild Atatürk wollte er den Iran säkular modernisieren. Während des Zweiten Weltkriegs marschierten 1941 Briten und Sowjets im Iran ein und zwangen den Schah zur Abdankung. In der Folge bestieg sein Sohn Mohammad Reza Pahlavi am 17. September 1941 den "Pfauenthron".
Er war damals erst 21 Jahre alt und war in der Schweiz erzogen worden. In seine Herrschaftszeit fiel die Operation TPAJAX der CIA und des britischen Geheimdienstes MI6 im August 1953, mit welcher der Premierminister Mohammad Mossadegh gestürzt werden sollte.
Damit konnte die Verstaatlichung der Mineralölwirtschaft fürs Erste aufgehalten werden, auch wenn die britische Anglo-Persian Oil Company (heute BP) die Mehrheit der Ölförderung an US-amerikanische Ölkonzerne abgeben musste.
Mit Unterstützung der USA errichtete der Schah in der Folge ein höchst autoritäres Regime und ließ die Opposition durch den Geheimdienst Savak (Sazman-e ettelat va amniat-e keschvar) im In- und Ausland unterdrücken.
Mit seiner Party zum 2500-jährige Bestehen der persischen Monarchie im Jahre 1971 hatte er dann wohl übertrieben und wurde 1979 aus dem Land gejagt und starb schließlich in einem ägyptischen Militärkrankenhaus. Ajatollah Khomeini kehrte aus seinem Pariser Exil zurück und errichtete das seither regierende Regime der Mullahs.
Die USA versuchten seither die iranische Regierung zum Straucheln zu bringen und setzten im ersten Golfkrieg auf Iraks Saddam Hussein. Als dieser sein Öl jedoch in Euro verkaufen wollte, war sein Schicksal besiegelt.
Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, stellte Reza Pahlavi, der 62-jährige Sohn des letzten Schahs, auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz im Bayrischen Hof seine Ideen vor, wie er sich den Übergang von der Islamischen Republik zu einem demokratischen Iran vorstellt.
Ob sich seine Hoffnungen nach dem chinesischen Vorstoß noch erfüllen, ist fraglich.
Die USA setzten zur Absicherung ihrer Macht auf Saudi-Arabien
Für den Öl- und Gas-Transport ist die Straße von Hormus ein wichtiger Flaschenhals.
Ein Teil der Schifffahrtsrouten der 50 Kilometer breiten Meerenge führt durch persisches Hoheitsgebiet. Um das iranische Militär und die Revolutionsgarden in Schach zu halten, haben die USA ihre fünfte Flotte in Bahrain stationiert. Zusätzlich setzt man seit Zweiten Weltkrieg auf eine umfassende strategische Partnerschaft im Bereich der Wirtschafts- und Sicherheitspolitik mit Saudi-Arabien.
Die USA wurden in der Vergangenheit als Schutzmacht von Saudi-Arabien und dem regierenden Herrscherhaus al-Saud bezeichnet. Über durchaus umstrittene saudische Elemente wie den Wahhabismus, die Verletzung der Menschenrechte und der Finanzierung von Terrorismus sowie die Unterdrückung der Schiiten im eigenen Land sah man großzügig hinweg, solange man das saudische Öl benötigte.
Das saudische Herrscherhaus fühlte sich zuletzt so sicher, dass es im Herbst 2018 den Mord am saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul organisierte. Als sich dies kaum mehr verheimlichen ließ, wurden die Beziehungen zu Saudi-Arabien auf die Waffenlieferungen für den Krieg im Jemen konzentriert.
Im Jemen kämpfen vom Westen unterstützte Militärs gegen die Houthi-Rebellen. Da es sich bei diesen um Schiiten handelt, geht man im Westen davon aus, dass sie Iran unterstützt werden.
Militär zur Sicherung des Handels
Die Vorstellung, mit militärischen Mitteln dafür zu sorgen, dass nur solche Länder miteinander Handel treiben können, die den USA genehm sind und alle Alternativen unterbunden werden, zählt schon seit Jahrzehnten zu den fixen Ideen der US-amerikanischen Außenpolitik.
Als der damalige Bundespräsident Horst Köhler diese Idee für Deutschland adaptieren wollte, erntete in der politischen Öffentlichkeit massiven Widerspruch und letztlich kostete ihn diese Aussage das Amt.
Die USA setzten mit weltweit um die 800 militärischen Stützpunkten bis heute auf die Macht ihres Militärs und haben die Anschläge am 11. September 2001 genutzt, um diese Strategie weiter auszubauen. Dass sich die USA damals so stark auf das Militär verlagern konnten, war letztlich nur möglich, weil die US-amerikanischen Firmen große Teile ihrer zivilen Produktion ins damals kostengünstige Reich der Mitte verlagert haben.
Inzwischen sieht man diese Entwicklung als Bedrohung und will gegensteuern. Dazu unterstützt man Japan und Taiwan, von welchen man sich erhofft, dass sie bei Bedarf die Handelsrouten der chinesischen Frachter behindern könnten.
Der Versuch Chinas, sich Handelswege nach Europa offenzuhalten, die nicht von den USA blockiert werden können, führte zum Projekt der Neuen Seidenstraße. Mit dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine wird diese inzwischen massiv behindert. Weil Fracht durch Russland im Westen nicht mehr versicherbar ist, muss ein beachtlicher Teil der Fracht wieder über See oder auf dem Luftweg abgewickelt werden.
China zeigt, wie man Konflikte diplomatisch lösen kann
China sieht seine Zukunft seit längerer Zeit in der Entwicklung seines Binnenmarktes und einem regen Handel mit der ganzen Welt und bietet etwa Konzernen von der Insel Taiwan Raum und Möglichkeit für die Ansiedelung von Produktionsunternehmen, für die auf ihrer Heimatinsel weder Flächen noch Arbeitskräfte verfügbar wären.
Global hat man sich mit der Arbeitsteilung arrangiert und fertigt mit Vorliebe das, was man am besten kann. Und das ist schon lange mehr als billiges Plastikspielzeug. Die steigende Aggressivität amerikanischer Regierungen gegen China hat das Land nun bewegt, selbst stärker in der internationalen Politik aktiv zu werden.
Im Falle der Vermittlung zwischen Saudi-Arabien und Iran hat man die derzeitige Schwäche der USA in der Region genutzt, um zuerst mit langfristigen Handelskontrakten für beide Länder interessant zu werden und dann beide für direkte Gespräche miteinander zu gewinnen.
Die chinesischen Verhandler konnten dabei einen Vorteil der heimischen Denkweise nutzen, dass sie sich auf die jeweils relevanten Aspekte konzentrieren und die anderen ausblenden. Aus westlicher Sicht wird dies gerne als ″sowohl-als-auch″-Denken verstanden.
Mit der Entscheidung in Beijing, dass man sich jetzt vermehrt internationaler Probleme annehmen wolle, geraten die USA zusehends in die Defensive und am Golf schon jetzt an die politische Seitenlinie.
Die USA haben sich mit ihrer Politik in der Region "Middle East" offensichtlich verlaufen. Es ist zu hoffen, dass sie jetzt nicht auf den militärisch stärksten Verbündeten in der Region setzen, der seit Langem den Überlegungen anhängt, angesichts der wiederholt geäußerten Vernichtungsfantasien in Teheran die iranischen Atomanlagen militärisch zu zerstören. Für die aktuelle Regierung in Jerusalem besteht jedoch ein nicht unbeträchtliches Risiko, in Panik zu verfallen.