Chinas Wirtschaftsstrategie: "Made in China 2025"

Seite 2: Deutschland, ein Premium-Standort

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Die Zahlen zeigen aber auch: China ist gar nicht der größte Investor in Deutschland. Im ersten Halbjahr waren das die USA (64 Käufe), gefolgt von der Schweiz (45). Bemerkenswert ist auch die EY-Einschätzung, warum deutsche Firmen so interessant sind: Neben der Marke "Made in Germany" und den Standortvorteilen wie Ausbildung, Forschung und Entwicklung sei Deutschland ein "Premium-Standort": "Die Deutschen haben zudem den Ruf fleißig zu sein und ihr Wort zu halten. Sie sprechen gutes Englisch - und im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wird weniger gestreikt."

Warnungen vor Arbeitsplatzverlagerungen halten die Berater deswegen auch für unbegründet: Interessant für China seien deutsche "Hochtechnologie-Unternehmen, bei denen eine Standortverlagerung unmöglich ist, weil sehr viel Know-how hinter dem gesamten Produktions-, Logistik-, Management-, und IT-Prozess steckt", so EY: "Die Zeiten, in denen hier ein Stahlwerk abgebaut und in China wieder aufgebaut wurde, sind längst vorbei."

An dieser Stelle sollte man allerdings nicht unerwähnt lassen, dass Ernst & Young hier Werbung in eigener Sache macht: Die Berater vermitteln selber solche Firmenverkäufe. "Wir haben zurzeit ein paar große Projekte in der Pipeline. Das heißt, dass wir noch in diesem Jahr einige bekannte Namen hören werden, die in chinesische Händen gehen werden", kündigte Sun an.

Chinas Strategie

Hinter all den Aufkäufen steckt eine gezielte Strategie der chinesischen Regierung. "Made in China 2025" heißt sie und wurde am 25. März 2015 vom chinesischen Staatsrat verabschiedet. Peking macht keinen Hehl daraus, dass hier das deutsche industriepolitische Konzept "Industrie 4.0" Pate stand. Mit diesem Konzept soll die deutsche Wirtschaft für die digitale Welt (Internet der Dinge) fit gemacht werden.

Peking strebt nun ebenfalls Digitalisierung und Automatisierung der Industrie nach deutschem Vorbild an. China soll dadurch den Status eine Niedriglohnslandes hinter sich lassen und den Sprung zu einer modernen Industriemacht schaffen. In zehn Schlüsselsektoren will China einen technologischen Durchbruch schaffen: Informationstechnologien, Industrieroboter, Luft- und Raumfahrt, Schifffahrt, Schienentechnik, Umweltautos, Energieerzeugung, Neue Werkstoffe, Medizintechnik sowie Landmaschinen.

Deutsche Beihilfe

Die chinesische Einkaufspolitik beschränkt sich keineswegs auf Deutschland. Um nur zwei Beispiel zu nennen: 2010 übernahm der chinesische Autobauer Geely den schwedischen Traditionshersteller Volvo. Und der chinesische Autobauer Dongfeng hält mittlerweile 14,1 Prozent Anteile am französischen Peugeot.

Tätige Beihilfe kommt dabei von Wirtschaftsberatungsgesellschaften wie Deloitte, die eine Studie "Investing in Germany - A guide for Chinese businesses" erstellt hat - quasi eine Anleitung für chinesische Unternehmen, und zwar sowohl in Englisch als auch in Chinesisch.

Drängen in Peking

Deutsche Befürchtungen, dass China die gekauften Unternehmen zerschlägt und Arbeitsplätze verloren gehen, hält man auch dort für eher unbegründet. Und so dürfte der Einkauf weitergehen, die Wirtschaftswoche listet bereits weitere mögliche Ziele auf: Firmen wie First Sensor (Sensortechnik), Vossloh (Bahntechnik), MTU und AWB Aviation (Flugzeug-Triebwerke), B. Braun (Medizin) könnten für China interessant sein.

Gleichzeitig drängt aber die Europäische Handelskammer in China auf besseren Markzugang für europäische Unternehmen. Die gegenwärtige Lage sei "asymmetrischer Marktzugang zwischen der EU und China", nötig sei mehr Reziprozität.

Deutsche Übernahmen

So werden vielleicht die Investitionsregeln zwischen China und der EU demnächst neu gefasst werden. Grundsätzlich will Deutschland aber nichts am freien Marktzugang ändern. Warum auch, begünstigt der doch auch deutsche Unternehmen. So hat Bayer zum Beispiel kürzlich den US-Konzern Monsanto übernommen, was Umweltschützer heftig kritisierten. Und das ist längst nicht die einzige Übernahme: 1999 übernahm Mannesmann den Mobilfunk-Anbieter Orange. Im Jahr 2000 kaufte die Deutsche Telekom das US-Telekommunikationsunternehmen Voicestream. Und 2015 schluckte der deutsche Chemiekonzern Merck den US-Laborausrüster Sigma-Aldrich.

In Griechenland wiederum kommen deutsche wie chinesische Unternehmen zum Zuge. In der Schuldenkrise sorgte gerade Berlin dafür, dass der griechische Staat sein Tafelsilber verscherbeln muss. So hat die deutsche Fraport dort 14 Regionalflughäfen gekauft. China wiederum konnte den Hafen von Piräus erwerben. Da gab es plötzlich keine deutschen Bedenken gegen chinesische Investoren mehr.