Computopia revisited
Seite 2: Die Widersprüche der Ökonomie
- Computopia revisited
- Die Widersprüche der Ökonomie
- Eine neuartige "Moderation" der Gesellschaft
- Die utopische Spirale
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Nun, heute stehen PCs auf jedem Schreibtisch, ohne dass gleich eine Revolution ausgebrochen wäre. Sind solche Überlegungen nicht sowieso abwegig, weil die mehr oder weniger soziale Marktwirtschaft so flexibel ist, dass sie schon alles ausgleicht mit den üblichen Begleiterscheinungen (Arbeitslosigkeit, Armut, Verelendung), die leider nicht zu vermeiden sind? Ich bin mir da gar nicht so sicher, selbst wenn man einen "systemimmanenten" Standpunkt einnimmt.
An verschiedensten Stellen wird in dieser Gesellschaftsform aus Konkurrenzgründen an der Rationalisierung von Arbeitskräften gearbeitet, die noch ganz andere Ausmaße erreichen kann. Der Autor Jeremy Rifkin rief vor Jahren aufgrund dieser Tendenzen das "Ende der Arbeit" aus6:
Im Industriezeitalter ging die Massenbeschäftigung Hand in Hand mit den Maschinen, die einfache Güter und Dienstleistungen produzierten. Im ´Zeitalter des Zugangs´ (…) ersetzen intelligente Maschinen in Form von Computersoftware und genetischer wetware zunehmend die Arbeit des Menschen in Landwirtschaft und Industrie. Bauernhöfe, Fabriken und Service-Branchen werden automatisiert. Mehr und mehr körperliche und geistige Arbeit wird im 21. Jahrhundert von denkenden Maschinen übernommen. Die billigsten Arbeiter der Welt werden vermutlich nicht so billig sein können wie die Technologie, die sie ersetzt. Zur Mitte des 21. Jahrhunderts wird die Wirtschaft die technischen Notwendigkeiten und die organisatorische Kapazität besitzen, Güter und einfache Dienste für eine wachsende menschliche Bevölkerung mit einem Bruchteil der jetzt dort Beschäftigten bereitstellen zu können.
Jeremy Rifkin
Man könnte einwenden, alles prima, das utopische Paradies endloser Muße und allseitiger Versorgung steht also vor der Tür. Leider wird die Realität anders aussehen. Es sind keine Anzeichen zu erkennen, dass ein Übergang zu einer solchen Gesellschaft gesamtgesellschaftlich organisiert würde, um Friktionen und soziale Not zu vermeiden – in der globalen Marktökonomie ist das (bisher) auch nicht möglich. Das Wirtschaftsleben bleibt gekennzeichnet von Widersprüchen wie dem, dass auf der einen Seite die Marktteilnehmer in mörderischer Geschäftskonkurrenz zueinander stehen, zum anderen aber firmenunabhängige Erfassungsnormen und -codes eingeführt werden, die die "Industrialisierung der Austauschbeziehungen" vorantreiben; ein Vernetzungszusammenhang bildet sich, der auf der Identität der konkreten Gebrauchswerte beruht und die abstrakte Äquivalentenlogik über Tauschwerte, die Geldform, zurückdrängt. Das Autorenteam Kurt Klagenfurt kommentiert7:
Obwohl einzelwirtschaftlich motiviert, entstehen hier unternehmensübergreifende Metastrukturen. Hierbei werden Instrumente entwickelt, die zu einer gesellschaftsumfassenden Kontrolle und Steuerung von Austauschbeziehungen geeignet sind, somit paradoxerweise Instrumente, die die bisherigen Planwirtschaften nie in befriedigender Weise entwickelt haben und deren Fehlen einer der Gründe für das Scheitern der Planwirtschaften gewesen ist.
Kurt Klagenfurt
Der Computer ist die technische Grundlage für diese Prozesse der weltweiten Gütererfassung. Direkt vor unseren Augen entstehen unerkannt die rettenden Werkzeuge, mit deren Hilfe eine allgemeine Versorgung mit Gütern und Lebensmitteln gesichert werden könnte, ohne sich auf die chaotischen Marktprozesse verlassen zu müssen. Kurt Klagenfurt bezieht sich auf schon ältere Studien des Wirtschaftswissenschaftlers Alfred Sohn-Rethel, der für den klassischen Industriekapitalismus die spannungsvolle Koexistenz zweier gesellschaftlicher Syntheseprinzipien analysiert hat, um jeweils sozialen Zusammenhalt zu erzeugen.
Die Marktökonomie versehe diese Funktion nicht mehr, weil die durch die Technologie moderner Produktionsanlagen gesetzten Sachzwänge ihrer regulativen Gewalt spottet, und die technologische Eigengesetzlichkeit ihrerseits erfülle die fehlende Funktion noch nicht, weil die private Profitwirtschaft sie hindert, ihr gesellschaftlich-synthetisches Potenzial zu entfalten.
Kurt Klagenfurt
Festzustellen bleibt, dass der Widerspruch verschiedener Formen sozialer Synthese die Gesellschaften in den nächsten Jahrzehnten in Atem halten wird. Die Eigengesetzlichkeit der technologischen Entwicklung wird noch an Dynamik gewinnen. Ein Konzern wie WalMart verfügt über eine riesige Datenbank und kann über ein eigenes Satellitensystem die Bewegung jedes Produkts verfolgen. Warum kann man diese Effizienzorganisation – zu der allerdings auch die ideologische Kontrolle der Mitarbeiter zählt – nicht auch auf die allgemeine Gesellschaft übertragen? Das widerspricht natürlich der Ideologie der kapitalistischen Konkurrenz.
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