Corona: Amazoniens Ureinwohner in Lebensgefahr

Seite 2: Manaus war nicht vorbereitet auf die "Krankheiten der Weißen"

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In der Amazonas-Region um Manaus im Nordwesten Brasiliens verstarben in den letzten Wochen Tausende Menschen. Hier werden vier Mal mehr Menschen beerdigt als sonst - bis zu 120 am Tag.

Schon vor Wochen war das Gesundheitssystem in Manaus kollabiert. Es fehlte an Intensivbetten und Beatmungsgeräten. Die Toten wurden in Kühlcontainern zwischengelagert. Die Sozialdienste in Manaus waren auf einen derart heftigen Ausbruch der Krankenheit nicht vorbereitet.

Manaus, die Hauptstadt des Amazonas, sei "im völligen Chaos", berichtete Amerika21 am gestrigen Dienstag:

"Die Spezielle Gesundheitsbehörde für Indigene bestätigte, dass viele Patienten mit anderen Krankheiten im Gesundheitshaus für Indigene, in anderen Krankenhäusern und Gesundheitsposten mit Covid19 infiziert wurden und dann in ihre Dörfer zurückkehrten. Die von Covid-19 am zweitstärksten betroffene Region Brasiliens ist der Nordosten/Minas Gerais/Espirito Santo, wo Indigene in völlig verarmten Gebieten leben, mit bisher 21 Toten."

Die Krankenhäuser in der Stadt Manaus waren bereits voll belegt und jetzt wird die Situation im Hinterland des Amazonas immer schlimmer. Das einzige Krankenhaus mit einer Intensivstation im Hinterland von Amazonas befindet sich in der Stadt Tefé, 522 Kilometer von Manaus entfernt.

Um die wachsende Zahl an kostenlosen Sozialbestattungen stemmen zu können, müssen die Bestattungsdienste Sonderschichten fahren. Während Menschen in Schlangen anstehen, um sich eine Einmalzahlung staatlicher Hilfe abzuholen, verkaufen Fischverkäufer weiter ihre Fische auf den Märkten, weil sie ihre Familien durchbringen müssen.

Besonders gefährdet sind die indigenen Bewohner vom Volk der Ticuna, die sich in einem Vorort von Manaus niedergelassen haben. Etliche Menschen verstarben bereits an der Krankheit, bei andern Erkrankten ging das die Fieber wieder zurück, sie wurden wieder gesund. Die Angehörigen trauern um ihre Toten und beten, dass das Virus sie verschonen möge. Inzwischen vermischen Kräuterkundige geriebenen Blätter von wilden Knoblauch mit eiskalten Wasser, um es sich über den Kopf zu gießen. Das soll die Schmerzen und Symptome der Krankheit lindern.

Mehr Erkrankte in Peru und Kolumbien

Auch aus Brasiliens Nachbarländern werden immer mehr Fälle gemeldet. Mit über 230.000 bestätigten Infektionen in der Covid-19-Statistik am Dienstag dieser Woche liegt Peru in Lateinamerika auf Platz zwei, gleich hinter Brasilien (knapp unter 900.000). In Iquitos, der größten peruanischen Stadt im Regenwald, sollen von rund 350 Ärzten mehr als die Hälfte mit Covid-19 infiziert sein. 90 Prozent der Patienten sterben auf Grund medizinischer Engpässe. In Puerto Maldonado im Südosten Perus stammt einer von elf Patienten im Krankenhaus aus einer indigenen Gemeinschaft.

Doch um die Krankheit zu bekämpfen, fehlt es an einfachsten Mitteln. Es mangelt an Intensivbetten, Beatmungsgeräten und Schnelltests. Es gibt noch nicht mal genug Alkohol zum Desinfizieren.

Je weiter das Virus in den ländlichen Raum Lateinamerikas eindringt, desto mehr gefährdet es die indigene Bevölkerung.

Yanomami vor dem Ethnozid?

In dem dem neun Millionen Hektar umfassenden Grenzgebiet zu Venezuela leben rund 26.000 Angehörige der Yanomami, die sich auf 380 Dörfer verteilen. Bereits in den 1970er Jahren rückten die Bulldozer an, um im Auftrag der Regierung die so genannte Nord-Süd-Achse durch den Wald zu schlagen. Die Arbeiter brachten Grippe, Tuberkulose und Malaria. Entlang der gesamten Strecke radierten die neuen Krankheiten ein Fünftel der Bevölkerung aus.

Kurz darauf fielen die ersten Goldsucher ein, die Zahl der Eindringlinge wuchs auf rund 40.000. Mit ihnen kamen die Masern, an denen jeder sechste Yanomami verstarb. Nachdem sie einige Jahrzehnte relativ ungestört waren, kommen die Weißen mit Bolsonaros Amtsantritt zurück. Rund 25.000 fremde Eindringlinge zählten die Ureinwohner im letzten Jahr auf ihrem Territorium.

Yanomami in Homoxi, Brasilien. Bild: Cmacauley / CC-BY-SA-3.0

Immer mehr illegale Goldgräber und Holzfäller dringen in die Lebensräume der Yanomami ein. An der Grenze zu Venezuela ist ihre Anzahl in den vergangenen Jahren geradezu explodiert. Und wieder bringen die Invasoren ein neues Virus mit. Die Corona-Pandemie sei für die indigenen Völker Brasiliens die größte Bedrohung aller Zeiten, warnt Sebastião Salgado.

Unterstützt von namhaften Künstlern fordert der berühmte brasilianische Fotograf in einer Online-Petition Regierung und Justiz auf, die indigenen Territorien vor den illegalen Eindringlingen und ihren eingeschleppten Krankheiten umgehend und wirksam zu schützen.