Corona-App: Wie geht es nach dem Lockdown weiter?

Seite 2: Die Weichenstellung für Europa

Bei den Festlegungen zu unserer App hatten sich viele Datenschützer mit starken Worten gemeldet - auch in Brüssel. Im April wurde dazu eine entsprechende Mitteilung durch das Brüsseler eHealth Network veröffentlicht.3
Es ist ein "freiwilliges Netzwerk" interessierter staatlicher Fachgruppen, die sich mit Digitalisierung im Gesundheitswesen befassen. Eine Weisungskompetenz hat es nicht. Es fordert Freiwilligkeit und Lokalisierungsdaten zu speichern, sei nicht zielführend, die "Stigmatisierung" von infizierten Personen inakzeptabel.

Beschlossen wurde im "Konsens". Von wem, ist unklar und die Tiefe der zugrunde liegenden Diskussion auch. Vermutlich aber wurde das Papier in Brüssel breit verteilt. Es bedeutete im Klartext: Weder eine wirkliche Nachverfolgung noch die Einhaltung einer Quarantäne darf in Europa mit Smartphone-Möglichkeiten überwacht werden.

Schaut man allerdings in die zuständigen Europa-Gesetze, so ist das alles nicht so eindeutig. In der Präambel der europäischen Datenschutzgesetze - auch dem für den Schutz medizinischer Daten - heißt es übereinstimmend:

Die Verarbeitung personenbezogener Daten sollte im Dienst der Menschheit stehen. Das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten ist kein uneingeschränktes Recht; es muss im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden

RICHTLINIE (EU) 2016/680 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 27. April 2016

Es gibt also einen Ermessensspielraum, ganz anders als von den meisten Datenschützern dargestellt. Im Übrigen sind die Datenschutz-Gesetze wohl nie unter dem Gesichtspunkt der Pandemie überprüft worden. Hinweise dazu finden sich jedenfalls nicht.

Quarantäne mit dem Smartphone durchsetzen

Das könnte Spielraum geben für die Nutzung der Smartphones zum konsequenten Durchsetzen der Quarantäne auch bei uns. Streng eingehaltene Quarantäne ist naturgemäß wirkungsvoller als die Wege eines "Superspreaders" nachzufolgen.

Verwendet man Überwachungsmethoden, muss man die Schutzwirkung der Öffentlichkeit und den Freiheitsverlust der Infizierten natürlich abwägen. Aber Quarantänedisziplin wird entscheidend sein, will man ein Wiederaufflackern großer Infektionswellen vermeiden.
Südkorea gibt hierzu ein Beispiel. Radio SRW hat den Chefredakteur Markus Beckedahl von Netzpolitik.org zu Südkorea interviewt. Er war respektlos klar:

In Südkorea werden die Überwachungsdaten vor allem zur Einhaltung und Durchsetzung der Quarantäne genutzt. Auch dort gelten zwei Wochen Quarantäne - und die wird mithilfe der App sehr detailliert überprüft und Verfehlungen werden sanktioniert.

SWR

Anschließend äußerte er sich kritisch zur Vorstellung, eine Verbesserung der App könnte auch die Nachverfolgung erleichtern. Das sei eine "Desinformation", an den realen Möglichkeiten vorbei. Seine Botschaft ist also eindeutig: Die Überwachung einer Quarantäne kann das Smartphone sicherstellen, als (umstrittene) Fußfessel sozusagen.

Eine konsequente Nachverfolgung kann das Smartphone nach koreanischer Meinung dagegen nicht leisten. Im Fazit der Fernost-Erfahrungen geht es also um das Durchsetzen konsequenter Quarantäne zum Schutz der Öffentlichkeit und nicht um die Verfolgung der Wege eines "Spreaders".

Das Smartphone als Ausweis

Als "Ausweis" für Nutzungserlaubnis oder Nutzungsverbot, wie in Fernost ebenfalls teils genutzt, agiert das Smartphone letztlich wie ein Führerschein, der erlaubt oder verbietet. So kann mit dem Phone dem Infizierten das Betreten öffentlicher Räume oder von Massenverkehrsmitteln verboten werden.

Das bringt naturgemäß hohen öffentlichen Schutz. Und es würde Unterscheidungen ermöglichen: Die Geimpften, die Immunen und die Gefährdeten. Einen Immunitätsnachweis im Pflegebereich und in anderen Serviceberufen zielgerichtet einsetzen zu können, hätte hohen wirtschaftlichen und sozialen Wert und wäre unter Datenschutzgesichtspunkten wohl akzeptierbar.

Die zuverlässige und verpflichtende Eintragung von Testergebnissen in einem durchgehend digitalisierten Gesundheitswesen ist allerdings Voraussetzung, ein weiterer Schwachpunkt Deutschlands im Fernost-Vergleich.