Corona-Demos: Keine Angst vor dem Virus, sondern Wut auf das "Merkel-Regime"

Seite 2: Einordnungsreflexe und ein neues Auffangbecken für ein Gefühl

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Auch Jebsen hat Widerstand 2020 als Weggefährten in seiner Rede in Stuttgart genannt, wo zwei der Parteigründer anwesend waren. Schon kommen erste Einordnungen, die auf "gefährliche Aussagen" aufmerksam machen. "So gefährlich denken die Gründer von "Widerstand 2020", kommentiert das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch hier wird an die NS-Vergangenheit erinnert, Bodo Schiffmann, einer der Partei-Gründer, wird mit der Volkskörperideologie der Nazis in Zusammenhang gebracht.

Man solle mal aufpassen, hier nicht den Fehler von Pegida zu wiederholen, warnt dagegen n-tv, und die Gemäßigten mit guten Argumenten "bei Vernunft halten".

Schwer zu glauben, dass sich bei diesem bunten Potpourri nur Spinner zusammengefunden hätten, schreibt Gabor Steingart. Mit Sicherheit seien aber auch Spinner dabei. Steingart ist Mainstream, er verkündet das Ende des Unisono: "Die etablierte Parteipolitik und ihre mediale Begleitkohorte haben die Meinungsführerschaft bei diesem Thema verloren."

Die neue Partei setzt auf Offenheit, "nach rechts und nach links", zu Konservativen und zum Teil auch zu Progressiven wie auch zu Impfgegnern, man setze auf Wertschätzung statt auf Labels, jeder Mensch werde ernstgenommen, der Umgang miteinander solle liebevoll sein. Man wolle anderes etablieren, heißt es in der Selbstbeschreibung von Widerstand2020-Mitbegründer Ralf Ludwig.

Der Protest hat ein neues Auffangbecken, das nach rechts offen ist. Wie sehr zeigt sich konkret auf den Demonstrationen. Als Markenkern wird "Schwarmintelligenz" genannt. Der Widerstand gegen die bisherige Politik soll basisdemokratisch so organisiert werden, dass die vielen ungehörten klugen und kundigen Stimmen, die sich als "Experten" in Diskussionen gezeigt haben, nun in möglichst großer Zahl an Abstimmungen beteiligt werden.

Widerstand 2020 will weiterführen, was die Piraten einst als neues demokratisches Modell angestoßen haben, eine andere Art der Diskussion und Entscheidungsfindung, es gehe nicht wie bei Parteien üblich um Abstimmungen, sondern um das Auffinden von Tendenzen: "Welche Tendenz ergibt sich?"

Inwieweit dort für bessere Arbeitsverhältnisse, Arbeitszeiten, Arbeitstempo, Entlohnung, ein gutes Gesundheitswesen für alle, eine am Konkreten orientierte Kritik der Herrschaftsverhältnisse und der Wirtschaftspolitik gestritten und gekämpft wird, ist noch völlig im Vagen (wie auch eine an der Sache orientierte, präzise Auseinandersetzung mit den Eindämmungsmaßnahmen der Regierung gegen die Ausbreitung des Virus im Hintergrund verschwindet - siehe dazu auch "There Is No Glory In Prevention.")

Es geht hauptsächlich erstmal um ein Gefühl: Seid nett und lieb zueinander, wenn ihr unter dem "Kill Bill"-Plakat zusammensitzt und seid auf der Hut vor der Regierung.

"Nur noch 37 Prozent der Deutschen (April: 46 Prozent) machen sich ernsthafte Sorgen um ihre Gesundheit", heißt es bei Steingart.