Corona-Management: Große Verärgerung, viel aufzuarbeiten

Bild: Markus Spiske/Unsplash

ARD-DeutschlandTrend: Fast zwei Drittel der Bundesbürger sind unzufrieden damit, wie Corona-Maßnahmen begründet und erklärt werden. Verbreitete Schreckens-Szenarien werden kritisch betrachtet

Die Impfkampagne in Deutschland rollt. Heute wird der 30.000.000ste Bürger gegen Corona geimpft. Die Fallzahlen sinken, der Abwärtstrend ist intakt - auch bei Todesfällen -, so die aktuelle Berichterstattung vom Zahlengelände, wie sie von Olaf Gersemann (Die Welt) überbracht wird.

Der endlich hellere Ausblick zeigt sich auch im ARD-DeutschlandTrend, bei dem jedoch angestaute Verärgerung die Stimmung prägt. Zwar äußerten sich Anfang vergangener Woche 36 Prozent (von gut 1.200 Befragten) "positiv zur Impfkampagne". Und im April waren es nur 15 Prozent. Die große Mehrheit aber - 62 Prozent - gab an, dass sie "weniger oder gar nicht" zufrieden mit der Impfkampagne ist.

Da wird noch einiges aufzuarbeiten sein, wie sich auch an der allgemeinen Verärgerung über das Krisenmanagement der Corona-Pandemie zeigt, die die Befrager des ARD-DeutschlandTrends am vergangenen Montag und Dienstag am Telefon oder online erfuhren. Eine Fragestellung hatte die Kommunikation im Auge "Erklärung der Corona-Maßnahmen durch die Politik":

65 Prozent der befragten Wahlberechtigten äußerten sich unzufrieden damit, wie die Corona-Maßnahmen begründet und erklärt werden.

ARD-DeutschlandTrend

Zwar zeigte sich auch hier eine gewisse Entspannung. Im Vergleich zur Befragung im April gab es eine Zunahme unter denen, die "zufrieden oder sehr zufrieden" mit Erklärungen und Begründungen der Maßnahmen waren. Aber fünf Prozentpunkte mehr als im April sind noch keine Trendwende. Sind es knapp ein Drittel, 32 Prozent, die derzeit zufrieden mit der Kommunikation sind, so sind es zwei Drittel noch immer nicht. Einiges spricht dafür, dass die entspanntere Lage eine Rolle dabei spielt, dass die Kommunikation zu den Corona-Maßnahmen von einigen nun etwas lockerer genommen wird.

Schrecken und Streit

Wie viel Hitze und Gereiztheit da noch am Wirken sind, ist beim oben genannten Corona-Zahlen-Berichterstatter, Olaf Gersemann zu verfolgen. Kam Gersemann doch auf die Idee, sich Modelle und Modellierer zum Verlauf der dritten Welle genauer anzuschauen. Dass er für seine Revision Überschriften fand wie "Panik-Sause im Februar und März" und eine Corona-Serie auf Twitter über "Modellierer des Schreckens" startete - mit dem RKI, kam bei manchen Kritisierten nicht gut an.

Ein Hamburger Nachrichtenmagazin warf ihm "fehlendes Verständnis für wissenschaftliches Arbeiten" vor und belehrte ihn, dass er sich "den Unterschied zwischen Vorhersage und Szenario erklären lassen" müsste, was der Mann von der Welt nicht auf sich sitzen ließ: "Wo geht’s denn hier zu den Szenarien?"

Man kann dieses Streit-Szenario vermutlich als pars pro toto für Diskussionen nehmen, die sich durch die ganze Republik ziehen. Auffallend ist dabei schon, dass es auf der einen Seite einen Trend zur Vorsicht gibt, dort wird Modellen, die düster ausfallen, ein "großer Wert beigemessen". Auf der anderen Seite wird das als "Schrecken einjagen" mittels Panik-Prognosen verstanden. Dabei sei es nicht vorrangig darum gegangen, dem Leser dabei zu helfen, die weitere Entwicklung abzuschätzen, sondern vor allem um Furcht, so der Vorwurf.

Für die Schreckens-Pädagogik und das Angsteinjagen lassen sich mühelos Beispiele finden. Auch an dieser Stelle wurde daraus zitiert, so etwa Drostens Ausblick Ende Januar, wo er auf fürchterliche Folgen eines leichtsinnigen Umgangs mit Corona-Maßnahmen hinwies:

Wenn die alten Menschen und vielleicht auch ein Teil der Risikogruppen geimpft sein werden, wird ein riesiger wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, politischer und vielleicht auch rechtlicher Druck entstehen, die Corona-Maßnahmen zu beenden. Und dann werden sich innerhalb kurzer Zeit noch viel mehr Leute infizieren, als wir uns das jetzt überhaupt vorstellen können. Dann haben wir Fallzahlen nicht mehr von 20 000 oder 30 000, sondern im schlimmsten Fall von 100 000 pro Tag. Das sind dann zwar eher jüngere Leute, die seltener schwere Verläufe haben als ältere. Aber wenn sich ganz viele junge Menschen infizieren, dann sind die Intensivstationen trotzdem wieder voll, und es gibt trotzdem viele Tote.

Christian Drosten

Die Realität zeigt zum Glück gerade eine andere Entwicklung an. Möglicherweise haben die Warner mit ihrer steten Mahnung an die Vorsicht auch dazu beigetragen. Allerdings wurden in der Diskussion darüber die Grenzen zwischen "bitte aufpassen", Erziehung und Drohungen fließend.

Auch die Grenzen zwischen der wissenschaftlichen Kompetenz zur Herausbildung von Szenarien und dem, was sich daraus prognostizieren lässt (Corona-Pandemie: Wie weit können sich Forscher aus dem Fenster lehnen?) wurden, zurückhaltend gesagt, von den Mahnern nicht immer sorgsam genau beachtet.

Anderseits wurde aber sorgsam - und mit höchstem moralischen Anspruch - darauf aufgepasst, Kritiker der Maßnahmen daran zu erinnern, welche Verantwortung diese dem Ganzen gegenüber haben.

Mit der Angst vor dem "Beifall von falscher Seite" tendierte die Auseinandersetzung über die Kritik an den Maßnahmen selbst zu einer Panikmache.

Unbedingt zu hoffen ist, dass der Trend zur Besserung der Corona-Lage zu mehr Gelassenheit auch in der Auseinandersetzung darüber führt.