Corona-Monitoring über den Abwasserpfad

Sars-CoV-2 im Elektronenmikroskop (orange gefärbt). Bild: National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID)/CC BY 2.0

Coronaviren lassen sich nicht nur im Nasen-Rachenraum feststellen, sondern auch im Stuhl. Anal-Tupfer-Tests und Abwasser-Monitoring nutzen dies. Deutschland ist hier deutlich im Rückstand

Deutschland setzt bei der Ortung von Corona-Infektionen noch weitgehend auf Abstriche im Nasen-Rachenraum und daran anschließende PCR-Tests sowie auf Antigentests. Zusätzlich zu den Antigentests, die bislang nur für den Point-of-Care zugelassen sind, sollen jetzt auch Spucktests kommen, die von medizinischen Laien angewendet werden können.

Bislang (Stand 12.2. 2021) liegt jedoch für keinen dieser Tests eine EU-Konformitätserklärung oder eine Notfallzulassung für den deutschen Markt vor. Ob es eine Liste der für Laien nutzbaren Tests bei dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geben wird, ist derzeit noch nicht geklärt, weil hierzu die gesetzlichen Vorgaben fehlen.

Für die bislang schon verfügbaren Antigentests für medizinisches Fachpersonal gibt es eine Liste, die kontinuierlich nach den Evaluierungen durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) aktualisiert wird. Dies führt in der Praxis dazu, dass Tests mit einem veralteten Auszug aus der BfArM-Liste angeboten werden, welche die Kriterien der Evaluation nicht erfüllt haben.

Wenn jetzt bald Antigentests für Laien auf den Markt kommen, wird der Überblick über die bundesweite Corona-Lage noch schwieriger, weil niemand die Ergebnisse der einzelnen Tests zusammenträgt und diese Sammlung auswertet.

Man hatte in der Vergangenheit versucht, sich einen Überblick mit Hilfe von Massen-PCR-Tests zu verschaffen, was sich jedoch als nur bedingt praktikabel herausgestellt hat. Auch die Anal-Tupfer-Tests, über die aus China berichtet wird, eignen sich nicht für ein kontinuierliches "Corona-Monitoring" der Bevölkerung.

Flächendeckendes Monitoring über das Abwasser

Da das Coronavirus oder zumindest dessen Fragmente von den Infizierten ausgeschieden werden und die Fäkalien in Deutschland zum überwiegenden Teil der Schmutzwasserkanalisation zugeführt werden, besteht die Hoffnung, dass man über eine flächendeckende Analyse von Abwasserproben aktuelle Informationen über die Ausbreitung des Sars-CoV-2-Virus erhalten kann. Man könnte systematisch nach Spuren des Viruserbguts im Abwasser suchen und dabei aktuelle Ausbruchsherde vielleicht sogar schon erkennen, bevor die Infizierten selbst etwas von dem Virus mitbekommen.

Nach derzeitigen Kenntnissen sind die im Abwasser nachgewiesenen Sars-CoV-2-Fragmente nicht infektiös. Um aber das Abwasser als möglichen Übertragungsweg von Covid-19 ausschließen zu können, muss dieser Weg weiter untersucht werden. Bislang ist beispielsweise noch nicht geklärt, wo die minimale infektiöse Dosis von Sars-CoV-2 im Wasser liegt.

Wissenschaftler aus Aachen und Frankfurt haben inzwischen eine Methode zur Überwachung von Coronavirus-Ausbrüchen über das Abwasser entwickelt, die Genmaterial von Sars-CoV-2 mit molekularen Methoden in Kläranlagen feststellen lasse. Anhand der im Abwasser festgestellten Menge an Virenmaterial sollen Rückschlüsse auf die Anzahl der mit Sars-CoV-2-infizierten Menschen im Einzugsgebiet möglich sein.

Die Sensitivität soll ausreichend sein, um festzustellen, ob die politisch gewünschten Inzidenzen pro 100.000 Einwohner erreicht worden sind. Nachdem man in Proben aus den Jahren 2017 und 2018 ebenfalls mit den ursprünglich eingesetzten Analysemethoden Spuren von Coronaviren nachweisen konnte, hat man die Technik nachgeschärft und die damit erzielten Ergebnisse mittels Genomsequenzierung überprüft, so dass man inzwischen das Abwasser zielsicher nach Sars-CoV-2 untersuchen kann.

Mit einem auf diese Testmethoden aufgesetzten Monitoringsystem könnten man bei ansteigenden Virenmengen im Abwasser die jeweiligen Schutzmaßnahmen verschärfen und bei einem Rückgang der Werte die Maßnahmen wieder lockern. Im Raum Frankfurt gäbe es mit dem Flughafen eine weitere, sogar noch vorgelagerte Informationsquelle, wenn man das Flughafenabwasser untersucht.

Neu mit einreisenden Passagieren ins Land gebrachte Viren oder gar bislang in Deutschland noch nicht nachgewiesene Mutationen lassen sich dort frühzeitig erkennen. Ein derart flächendeckendes Monitoring ist mit den immer wieder geforderten Massentests der Bevölkerung nicht zu erzielen, weil immer die Möglichkeit besteht, dass die Träger einer neuen Virusmutation sich absichtlich oder unabsichtlich einem Test entziehen.

Probenentnahmen und labortechnische Untersuchungen der Proben aus Kläranlagen zählen in Deutschland inzwischen zum Standard und hierfür gibt es auch ein festgelegtes Probenentnahmeverfahren. In allen Kläranlagen werden in festen Abständen Proben entnommen. Die Frequenz der Probenentnahmen steigt mit der Größe der Anlage. Derzeit scheint jedoch noch nicht entschieden, ob dieses standardisierte Verfahren auch für die Corona-Proben zur Anwendung kommen.

Eine abweichende Systematik bei der Probenentnahme würde allerdings die Kosten in die Höhe treiben und hier wird sich dann spätestens die Frage stellen, wem die Kosten zuzuordnen sind. Fallen die Kosten bei der Kläranlage an, schlagen sich diese schon bald in den Abwassergebühren nieder.

Seit Anfang Mai 2020 arbeiten mehr als 20 Abwasserfachleute, Mikrobiologen, Virologen und Modellierer des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und der TU Dresden mit der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) und einer zunehmenden Zahl an Betreibern von Kläranlagen zusammen.

Andere Länder sind beim Abwassermonitoring weiter als Deutschland

Wie bei der systematischen Sequenzierung des Coronagenoms hinkt Deutschland auch beim Abwassermonitoring deutlich hinter den technischen Möglichkeiten anderer Länder hinterher. Schon im März 2020 hatten Forscher in Ammersfoort/Niederlande Virenpartikel im Abwasser nachweisen können und dies war deutlich vor der offiziellen Information über den Corona-Ausbruch.

Im Nachbarland Belgien, das besonders unter Corona zu leiden hatte, wird das Abwasser seit Juni vergangen Jahres systematisch untersucht. Im Zusammenhang mit dem Auftauchen der ansteckenderen Corona-Mutation in Großbritannien konnte man schon kurz danach sowohl in Österreich als auch in der Schweiz den Nachweis im Abwasser antreten. In Deutschland hatte man in der zweiten Januarwoche gerade mal vier positiv getestete Proben mit dem britischen Mutanten in Verbindung bringen können.

Noch immer ist die Forschung in diesem Bereich regional angesiedelt und wird nicht zentral koordiniert. Die deutsche Politik ist gerade dabei, auch diese Möglichkeit, rechtzeitig auf neue Corona-Hotspots und -Mutanten aufmerksam zu werden, zu vertrödeln. Dabei lassen sich über detaillierte Untersuchungen im Abwasserkanalnetz neue Infektionsherde wohl auf Stadtteile genau lokalisieren.

Würde man die verfügbare Technik jetzt endlich flächendeckend ausrollen, könnte man deutlich punktgenauer auf Corona-Ausbrüche reagieren und müsste nicht jedes Mal die ganze Republik in den Lockdown schicken.