Corona-Pandemie: Bund und Länder auf Öffnungskurs
Beschlussvorlage für heutiges Treffen wagt Gratwanderung zwischen Beibehaltung von Maßnahmen und Öffnung. Schlingerkurs bei Impfpflicht
Angesichts sinkender Corona-Infektionszahlen und generell milderen Krankheitsverläufen werden Bund und Länder bei einer gemeinsamen Videokonferenz am heutigen Mittwoch voraussichtlich weitere konkrete Öffnungsschritte besprechen. Zugleich senkt das Abflauen der Pandemie die Chance für die umstrittene Einführung einer partiellen oder allgemeinen Impfpflicht.
Eine Beschlussvorlage für das virtuelle Treffen, die Telepolis vorlag, erkennt an, dass sich die Omikron-Variante des Corona-Virus in Deutschland ausbreitet. Die Zahl neu infizierter Bürgerinnen und Bürgern steige derzeit zwar immer noch weiter an. Aber:
"Der Expertenrat der Bundesregierung geht in seiner aktuellen Stellungnahme vom 14. Februar 2022 davon aus, dass der Anstieg der Zahlen in den nächsten Wochen zu einem Ende kommen wird", heißt es in dem Papier weiter.
"Dank des verantwortlichen und umsichtigen Verhaltens der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger" habe Deutschland die Omikron-Welle bis jetzt vergleichsweise gut bewältigt. Die Infektionsschutzmaßnahmen hätten es verhindert, dass ältere und besonders schutzbedürftige Personen in großer Zahl erkrankten. Das habe viele Leben gerettet.
Mit Verweis auf den von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) einberufenen Expertenrat heißt es in der Vorlage für das Bund-Länder-Treffen weiterhin, dass "ungeimpfte Personen das höchste Risiko für schwere Krankheitsverläufe auch durch Omikron-Infektionen aufweisen – neben den über 60-Jährigen und Menschen mit schweren Grunderkrankungen".
Nach Ansicht des Expertenrats würden sich Ungeimpfte und Ältere bei den Lockerungen der Schutzmaßnahmen wahrscheinlich wieder vermehrt infizieren und erkranken: "Diese Gruppen tragen das höchste Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf und müssten weiter geschützt werden. In der Altersgruppe über 60 Jahre ist die absolute Zahl der nicht geimpften Personen immer noch sehr groß."
Trotz einer möglichen neuen Gefährdungslage durch die Omikron-Variante BA.2 erscheine ein Zurückfahren staatlicher Infektionsschutzmaßnahmen sinnvoll, "sobald ein stabiler Abfall der Hospitalisierung und Intensivneuaufnahmen und -belegung zu verzeichnen sei".
Ein zu frühes Öffnen berge jedoch die Gefahr eines erneuten Anstieges der Krankheitslast und einer Überlastung des Gesundheitssystems. Weiter heißt es in dem Papier:
Von zentraler Bedeutung sei es, dass zunächst weiterhin Masken getragen würden. Diese böten eine hohe Wirksamkeit gerade angesichts hoch ansteckender Varianten wie Omikron. Die Expertinnen und Experten weisen weiter darauf hin, dass es bei entsprechenden Symptomen wichtig sei, den Kontakt zu anderen Personen zu vermeiden (Selbstisolation) und sich zu testen.
Zur laufenden Debatte um eine berufsbezogene Impfpflicht in Pflege und Medizin bekräftigen der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder die Notwendigkeit der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. Dies sei notwendig, da Patientinnen, Patienten und Pflegebedürftige "besser vor einer Covid-19-Erkrankung geschützt werden".
Die Beschlussvorlage geht weiter davon aus, dass Beschäftige in Einrichtungen im Gesundheits- und Pflegebereich ab dem 15. März nachweisen müssen, dass sie geimpft oder genesen sind – oder aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können.
Einschränkend heißt es aber, "zur Umsetzung dieser einrichtungsbezogenen Impfpflicht befinden sich die Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister des Bundes und der Länder in einem intensiven Abstimmungsprozess".
Auch hätten die Gesundheitsämter "ein Ermessen bei der Umsetzung der Maßnahmen". Ein Betretungsverbot dürfe nur die letzte Stufe darstellen: "Daher wird es nicht sofort flächendeckend automatisch zu derartigen Betretungsverboten kommen."
Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder stimmen darin überein, "dass die derzeit geltenden Infektionsschutzmaßnahmen nunmehr verantwortungsbewusst und in kontrollierten Schritten zurückgefahren werden sollen". Wichtig sei ein möglichst einheitliches Vorgehen in allen 16 Ländern.
Bundesregierung und Länder wollen heute so viele Beschränkungen wie nach der aktuellen Lage möglich zurücknehmen. "Gleichzeitig sollen so viele flankierende Maßnahmen wie nötig aufrechterhalten werden, um das Erreichte nicht zu gefährden und die Bürgerinnen und Bürger weiterhin vor schweren Verläufen möglichst gut zu schützen", heißt es weiter:
Bund und Länder werden weiter intensiv für das Impfen werben und leicht zu erreichende Impfangebote machen. Denn: Impfen hilft. Auch aus der Sicht des Expertenrats ist die zumindest dreifache Impfung das effektivste Instrument, um die Krankheitslast durch Covid-19 zu minimieren und das Ende der Pandemie schrittweise zu erreichen. Bestehende Immunitätslücken sollen geschlossen und einer erneuten Infektionswelle im Herbst/Winter vorgebeugt werden.