Corona, die BRD und die DDR
Seite 3: Demokratisch ist stets das, was ohnehin gemacht werden muss
- Corona, die BRD und die DDR
- Was man der DDR immer vorwarf, lässt ein Virus wieder real werden
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Nun wird die Regierungspolitik der letzten zwei Jahre von gutgläubigen Liberalen ja gern als gesundheitspolitische Unfähigkeit, als "Regierungs"- oder "Staatsversagen" bezeichnet – dabei ist diese Politik im kapitalistischen Sinne (und einen anderen, munkelt man, hat sie hierzulande nicht) vielmehr eine außerordentliche Fähigkeit und eben kein Versagen.
Die Groko- wie Ampel-Politik beweist ihre Kompetenz in demokratischer Staatsführung, nämlich der Fähigkeit, immer gerade das als Demokratie durchzusetzen, was den Interessen der großen Monopole entspricht, ohne es dabei zu größeren Unmutsbekundungen, gar Bürgerkrieg oder Revolution kommen zu lassen. Demokratisch ist somit stets das, was ohnehin gemacht werden muss.
Für Regierungen ist es normal, dass Menschen unter den Folgen ihrer Entscheidungen leiden, ja sterben. Für sie besteht da kein "ob", sondern bloß ein "wie viel". Dieses sicherlich falsche deutsche Regierungshandeln also, zur "Corona-Krise" verklärt, ist in der Binnenlogik bürgerlicher Politik daher ebenso folgerichtig, wie es nicht verwundert, dass der Großteil der Menschen nicht wissen will, dass die Politik in parlamentarischen Demokratien stets nach solcher Logik verfährt, ja verfahren muss und eben kein "Versagen" ist, sondern Programmerfüllung.
Allerdings kommt trotz dieser politischen Entwicklungen bemerkenswerterweise niemand auf die Idee, etwa die Regierung zu stürzen und auf Montagsdemonstrationen zu skandieren, dass die kapitalistische Mangelwirtschaft gescheitert, das System marode und der in Milliardenhöhe verschuldete deutsche Staat am Ende seien, wogegen nur noch eine (friedliche) Revolution helfen könne.
Das Perfide an der parlamentarischen Demokratie ist, dass sie die Interessen der herrschenden bürgerlichen Klasse, die selbst größtenteils bloße Rationalisierung der zum Zwang gewordenen Kapitalinteressen, also des Zwangs zur Mehrwertabschöpfung und zur Urbarmachung der Körper, Seelen, Gehirnen und Personen der Menschen der riesigen Kapitalreproduktionsmaschinerien (deren äußere Hüllen dann die vielbemühten Großkonzerne, die Industrie oder die Banken abgeben), dass sie also diese Interessen auf offizieller Ebene als genuines Interesse der Bevölkerung selbst ausgibt.
Natürlich greift da auch eine Kritik zu kurz, welche dabei stehen bleibt und das Problem des vernebelten Interessenswiderspruchs in der berichtenden Presse sieht. Denn nur, wo es keinen solchen Interessenswiderspruch bei gleichzeitiger Konkurrenz gibt, gibt es auch keine Dummheitsverbreitung mehr.
Schließlich produziert das Kapitalregime ja in erster Linie – neben den gegenständlichen, toten Waren – eine bestimmte Sorte, eine auf bestimmte Weise vergesellschaftete Individuen – lebendige Waren –, die ihrem Leitbild entsprechen. Das Problem ist also ein materielles, mithin ökonomisches, und keines der bloßen Berichterstattung.
Das Herrschaftssystem der bürgerlichen Demokratie nun täuscht darüber hinweg, dass in Wahrheit das automatisierte, selbst zum Subjekt, zum nichtmenschlichen, abstrakten, anonymen Entscheidungsträger gewordene Kapitalverhältnis vollkommen, also total herrscht.
Es gibt vor, und zwar mithilfe von Charaktermasken wie Baerbock, Scholz, Lindner (die einfach drei spezifische Interessenszweige der deutschen Bourgeoisie repräsentieren, und keine Individuen sind, die irgendwas "wollen"), als käme es in dieser Maschinerie auf Menschen und deren Willen an.
Der Wille aber ist längst durchgehend korrumpiert in einer Gesellschaft, in der alle zu wollen haben, was sie ohnehin müssen, in der es keine Wahl mehr gibt, ob man sich qua Teilhabe am Markt kaputtmachen lässt, sondern nur noch die Entscheidung bleibt, auf welche Weise dies geschieht.
Die Interessen der Menschen also sind, auch in ihrem Zustand nach dem individuellen Niedergang, objektiv andere als die des Kapitals; es nützt ihnen diese Objektivität aber nichts, wenn sie auf ihre Subjektivität verwiesen sind, die das Selbstkaputtmachen zum Imperativ werden lässt.
Zwei der klügsten Beobachter der Politik des letzten Jahrhunderts – Peter Hacks und André Müller sen. deren Briefwechsel und Gespräche zum Lohnenswertesten gehören, was man, will man über die politischen Realitäten von Sozialismus und Kapitalismus unterrichtet sein, lesen kann – erkannten den kapitalistischen Staat als ein unbändiges Monster, das nach dem Wegfall der Systemkonkurrenz 1990 keine Gründe mehr hatte, noch irgendeine Rücksicht auf seine Unterworfenen zu nehmen.
So befand Peter Hacks 2001:
Die niedrigen Walmart- und Aldi-Preise und die niedrigen Telephongebühren dienen den hohen Preisen und Gebühren, die Sie und ich blechen werden, wenn die endgültige Hackordnung der Monopole festgelegt sein wird.
Die Köder, soll das heißen, die die Ampelkoalition den Linken, Prekären und den anderen, nun immerhin lifesytle-gemäß und ökologisch korrekt Verarschten und Verelendeten hinwirft, sind eine Form von Almosen, deren Zweck man erst erkennen wird, wenn es zu spät ist – sie sind Zeichen davon, dass der jetzt öko-liberal-sozialdemokratisch regierte bürgerliche Staat damit rechnet, einen Gutteil seiner Bevölkerung in Zukunft als nur mit dem nötigsten alimentierte Aussätzige behandeln zu dürfen.