Countdown für Kampfdrohnen

Seite 2: "Gesellschaftliche Debatte" fiel aus

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Die Einführung unbemannter Waffenträger führt laut Thomas Kachel auch zu einer Automatisierung des Krieges: "Die Reaktionszeiten zwingen den Gegner, in immer kürzeren Intervallen zu reagieren. Dabei ist klar, dass der Mensch die langsamere Maschine ist." Die Argumentation liegt auf der Linie von Marcel Dickow, der für die regierungsnahe Stiftung Wissenschaft und Politik vor sechs Jahren ein "Plädoyer gegen die fliegenden Automaten" verfasst hat.

Die SPD-Fraktion brachte den Physiker, der zu Robotik, Cybersicherheit und Raumfahrt forscht, deshalb in 2014 in den Verteidigungsausschuss des Bundestages. Wie im aktuellen Koalitionsvertrag hatte die damals amtierende Große Koalition versprochen, vor dem Kampfdrohnen-Deal "völker-, verfassungsrechtliche sowie sicherheitspolitische und ethische Fragen" zu prüfen. Alle im Bundestag vertretenen Parteien durften für eine öffentliche Anhörung insgesamt acht Experten einladen. Im Verteidigungsministerium galt dieses mehrstündige Pro und Contra als Startschuss für Verhandlungen mit Drohnenfabrikanten in den USA und Israel. Eine von der Bundesregierung außerdem versprochene "gesellschaftliche Debatte" fiel hingegen aus.

Nun sind alle Konditionen ausgehandelt, der Vertragsschluss steht kurz bevor. Lässt sich noch verhindern, dass die SPD dem Rüstungsprojekt zustimmt? "Letztes Jahr gab es ein gutes Zusammenspiel mit der Friedensbewegung, die in den Wochen und Monaten vor dem geplanten Vertragsschluss Druck gemacht und eine gute Präsenz in den Medien gesichert hat. Das sollte sie nochmal probieren", sagt Thomas Kachel. "Vielleicht weckt das in dem ein oder anderen SPDler nochmal ein Problembewusstsein."

Konkurrent will klagen

Unter Umständen wird das Projekt aber auch wegen juristischer Auseinandersetzungen verschoben. Im vergangenen Jahr hatte der im Beschaffungsverfahren nicht berücksichtigte US-Konkurrent General Atomics, der seine Drohnen "REAPER" an die Bundeswehr verkaufen wollte, gegen das Verteidigungsministerium geklagt. Das Oberlandesgericht in Düsseldorf entschied jedoch, dass der Auftrag an den Airbus-Konzern rechtmäßig erfolgte.

Als Begründung für die freihändige Vergabe ohne Ausschreibung hatte das Verteidigungsministerium erklärt, dass die Bestückung mit "kleiner, skalierbarer und abstandsfähiger Präzisionsmunition" nur mit einer weltweit einzigartigen Rakete möglich sei. Dessen Hersteller weigere sich, die Waffe in eine US-amerikanische Drohne einzurüsten.

Details zu Firma und Produkt sind als "geheim" eingestuft. Es dürfte sich um jedoch um eine Lenkwaffe des Typs "Whip Shot" handeln, die vom staatlichen Rüstungskonzern Israel Military Industries entwickelt wird. Ihr Angriff kann bis kurz dem Einschlag verzögert oder abgebrochen werden. Die Wucht der Detonation lässt sich bis zum Einschlag noch verändern.

Nachdem die Bundesregierung die "HERON TP" nun erstmal unbewaffnet beschaffen und den Bundestag erst zu einem späteren Zeitpunkt mit etwaigen Raketen und Lenkbomben befassen will, fällt bei der Vergabe das Alleinstellungsmerkmal der einzigartigen, nur aus Israel erhältlichen Bewaffnung weg. Deshalb erwägt das US-Konkurrenzunternehmen General Atomics dem SPIEGEL zufolge eine Wettbewerbsklage, wenn der Leasingvertrag mit dem israelischen Hersteller tatsächlich zustande kommt.

"Eurodrohne" ist auf dem Weg

Ob bewaffnet oder unbewaffnet, die "HERON TP" ist nur als Übergangslösung gedacht. Bis 2025 will das Verteidigungsministerium die ebenfalls bewaffnungsfähige "Eurodrohne" zur Serienreife entwickeln. Auch bei diesem Projekt ist Airbus federführend, zu den weiteren Partnern gehören die Rüstungskonzerne Dassault (Frankreich) und Leonardo (Italien).

Die Beteiligten geben sich Mühe, den Zeitplan einzuhalten: Eine eigentlich auf zwei Jahre angelegte Definitionsphase ist vorzeitig beendet worden, vielleicht weil die wesentlichen Anforderungen schon feststanden. Die Drohne wird von zwei Turboprop-Triebwerken angetrieben und verfügt über Aufhängepunkte für die Bewaffnung.

Auf der diesjährigen ILA in Berlin haben die Firmen erstmals ein Modell der Drohne ausgestellt. Noch in diesem Frühjahr erfolgt dem Verteidigungsministerium zufolge die Ausschreibung. Die Auftragnehmer sollen bis in fünf Jahren einen Prototyp der "Eurodrohne" fertigstellen.