Covid-19: Die schlimmsten Folgen kommen noch
Der UN-Sondergesandte für extreme Armut warnt, dass 180 Millionen weitere Menschen aufgrund der Corona-Maßnahmen in der Armut landen werden
Ähnlich wie Covid-19 sehr unterschiedlich global zugeschlagen hat, werden sich die wirtschaftlichen Folgen in den Ländern erheblich unterscheiden, wer zu den Gewinnern und wer zu den Verlierern gehören wird (Fast 40 Millionen Arbeitslose, aber Milliardäre gewinnen). Die Kluft wird sich auch zwischen den reichen und armen Staaten weiter verstärken. Die reichen Staaten können versuchen, mit Milliarden und Billionen ihre Wirtschaft - und manche der Branchen - zu retten, während sich in den meist sowieso bereits überschuldeten armen Ländern die Armut rasant verbreiten wird (Covid und die explodierenden Schulden der Entwicklungsländer).
In Krisen schauen wenn nicht alle, so doch die meisten auf sich selbst und wird der Konkurrenzkampf noch gnadenloser. Das ist besonders kritisch bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie, wo es doch eigentlich um die Rettung von Menschenleben gehen soll - aber es sind eben nur die eigenen Menschen oder die eigenen Bevölkerungsschichten, an die gedacht wird. Das wird auch bei den Querdenken-Protesten deutlich, die irgendwie für "Freiheit und Frieden" sind, aber in denen die soziale Dimension für die Friedens- und Freiheitskämpfer und Maskenablehner praktisch keine Rolle spielt.
Dagegen wird mobilisiert gegen eine Vermögensabgabe für Reiche: "Eine Vermögensabgabe ist nichts anderes als eine Zwangshypothek auf Immobilen der Bürger (zur Finanzierung von Staatsschulden)." Das zu verhindern, scheint den führenden Querdenkern (und Immobilienbesitzern), die hier gar nicht quer denken, sondern ihr Eigentum schützen wollen, besonders wichtig zu sein. Das könnte auch einen entscheidenden Blick auf die Motivation der sich als "Gutmenschen" Gebenden gewähren.
Die Armut wird wachsen
Am vergangenen Freitag hat der belgische Rechtsprofessor Olivier De Schutter, derzeit der UN-Sondergesandte für extreme Armut und Menschenrechte, in dem Bericht Looking back to look ahead: A rights-based approach to social protection in the post-COVID-19 economic recovery an den UN-Menschenrechtsrat gewarnt, dass die Staaten zwar viele Rettungsschirme für den sozialen Schutz wie Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld - aber was sind 80 Prozent vom Mindestlohn? - , Geldschenkungen etc. aufgespannt haben, aber dass die meisten unzureichend seien.
Die schlimmsten Folgen würden erst noch folgen, es sei die schlimmste Krise seit der Weltwirtschaftskrise 1929, die zu einer Zeit komme, in der die Folgen der Finanzkrise noch nicht bewältigt sind - mit den Sparmaßnahmen, den unterfinanzierten Gesundheitssystemen, dem Rückgang des Anteils des Arbeitseinkommens am Vermögen, der hohen Ungleichheit, die mit sinkender Unternehmensbesteuerung einhergeht. Einmalige Überweisungen, wie von Trump in den USA, verändern die Armut nicht. Rücklagen würden jetzt zu Ende gehen. Allerdings hat die Mehrzahl der Staaten bestenfalls einzelne Schutzmaßnahmen beschlossen, Steuersenkungen würden den Armen nichts nützen.
Die sozialen Sicherheitsnetze, die eingeführt wurden, sind voller Löcher. Diese gegenwärtigen Maßnahmen sind meist kurzfristig, die Finanzierung ist unzureichend und viele Menschen werden unvermeidlich zwischen den Rissen durchfallen.
Olivier De Schutter
Vor allem wird den Menschen in der informellen Ökonomie und mit prekären Einkommen nicht geholfen. Das seien 1,6 bzw. 0,4 Milliarden Menschen, die 61 Prozent der globalen Erwerbsbevölkerung ausmachen. Nicht berücksichtigt werden Menschengruppen wie Migranten oder indigene Völker, die Hilfen berücksichtigen auch nicht die Geschlechter, also dass Frauen überdurchschnittlich arm sind. Viele Maßnahmen müssen online beantragt werden, was viele ausschließe. Die Folgen der Pandemie könnten weltweit weitere 176 Millionen Menschen in Armut stürzen, wenn man von einer Armutsschwelle von 3,2 US-Dollar pro Tag ausgeht. Das würde die Armutsrate um 2,3 Prozent anwachsen lassen.
Nach der Weltbank haben 113 Länder 589 Milliarden US-Dollar für den sozialen Schutz vorgesehen. Das sei gerade einmal 0,4 Prozent des globalen BIP. 3.4 Milliarden Menschen müssen von weniger als 5,5 US-Dollar am Tag leben. Als arm gilt, wer weniger als 1,9 US-Dollar am Tag einnimmt. 2015 haben nach der Weltbank 10 Prozent der Weltbevölkerung oder mehr als 730 Millionen Menschen von weniger als 1,9 US-Dollar pro Tag gelebt.
Die sozialen Maßnahmen müssten dem Recht auf sozialen Schutz gehorchen. Ähnlich wie man Abgaben je nach Belastung des Klimas plant, müssten soziale Schutzmaßnahmen auf der Grundlage der Menschenrechte und der sozialen Solidarität aufbauen. Das dürfte man als schöne Träume sehen, hinter deren Umsetzung keine politischen Kräfte stehen.
Gefordert werden keine Almosen, sondern systematische Anstrengungen zur Reduktion der Armut und der Ungleichheit, die aber in Zeiten des MAGA nirgendwo zu sehen sind. Ob die Pandemie ein Umdenken mit sich bringt, ist kaum denkbar. Zwischen 1980 und 2016 sind nach dem World Inequality Report von 2018 27 Prozent des Einkommenszuwachses gerade einmal einem Prozent der Weltbevölkerung zugutegekommen.