Covid-Zertifikat: Die Schweizer Lösung ein Weg für Deutschland?
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Ein anerkanntes Verfahren mit Antikörper-Tests könnte den Status von Genesenen verbessern
Offiziell sind in Deutschland rund 7 Millionen Menschen infiziert, wovon knapp 110.000 Menschen an der Infektion verstarben. Auf Nachfrage von Telepolis geht das RKI von einer Untererfassung der Infizierten um den Faktor 2 bis 3 aus.
Damit müssen zu der offiziellen Zahl der Infizierten noch einmal etwa 10,5 Millionen Infizierte hinzuaddiert werden. Insgesamt haben wir also nach dieser Schätzung des RKI vermutlich 17,5 Millionen Genesene in Deutschland. Mehr als 20 Prozent der Bevölkerung.
Mehr als 10 Millionen Menschen in Deutschland, jeder Achte, weiß nicht, dass sie oder er sich bereits mit Sars-CoV-2 infiziert hat. Zum Teil liegt dies an den fehlenden Symptomen, zum Teil gerade zu Beginn der Krise an den fehlenden PCR-Tests, zum Teil an falsch-negativen Ergebnissen des Schnelltests.
Die Konsequenzen: Genesene, die ihre Infektion nicht belegen können, erhalten keinen digitalen Impfausweis, sofern sie sich nicht impfen lassen. Auch im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Boosterung ist die Information, ob man genesen ist, von grundlegender Bedeutung.
Eine interessantere Nutzung
Ein Hilfsmittel in diesem Dilemma bildet der Antikörpertest. Er kann auch ein zentrales Element in der bedeutenden Frage sein, ob Genesene nicht grundsätzlich zwölf Monate statt sechs Monate als geschützt gelten sollten.
Hendrik Streeck, Direktor des Institutes für Virologie und HIV-Forschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn, erklärte vor zwei Monaten ausdrücklich, dass ein Antikörpertest als Nachweis des Genesenen-Status zugelassen werden sollte. Niemand anderes als der neue Gesundheitsminister Karl Lauterbach befürwortete dies und empfahl:
Man könnte tatsächlich die Antikörper viel interessanter nutzen, als wir das derzeit tun, weil wir wissen, dass der Genesenen-Status sehr hoch schützt. Am Anfang sah es so aus, dass die Impfung besser schützen würde als der Genesenen-Status. Das hat sich als falsch erwiesen. Das ist einfach nicht richtig. Und wir wissen, dass der Genesenen-Status gut schützt über die sechs Monate hinaus. Von daher könnte ich mir vorstellen, dass wir den Genesenen-Status mit dem Antikörpernachweis so nutzen, dass man auch über die sechs Monate hinaus noch als genesen gilt.
Karl Lauterbach
Bis heute wird der Antikörpertest so jedoch nicht eingesetzt. Einzige Ausnahme: Ein positiver Antikörpertest berechtigt, zumindest bislang, mit nur einer Impfdosis als vollständig Geimpfter zu gelten. Das RKI lehnt die Nutzung des Antikörpertests als Beleg für eine Genesung jedoch ab:
Nach derzeitigem Kenntnisstand lässt ein serologischer Nachweis Sars-CoV-2-spezifischer Antikörper keine eindeutige Aussage zur Infektiosität oder zum Immunstatus zu. Der Nachweis von Sars-CoV-2-spezifischen Antikörpern weist auf eine früher durchgemachte oder noch bestehende Sars-CoV-2 Infektion hin. Er schließt die Infektiosität eines Patienten nicht aus und erlaubt keine Rückschlüsse hinsichtlich des Infektionszeitpunktes. Ob und in welchem Ausmaß ein positiver Antikörpertest mit einem immunologischen Schutz vor transmissionsrelevanter Sars-CoV-2 Infektion, bzw. vor leichter oder schwerer Covid-19 Erkrankung einhergeht, ist nicht etabliert.
RKI
Lothar Wieler, Direktor des RKI, präzisiert:
Die Vorstellung ist: Man weist Antikörper im Blut nach und dann weiß man anhand der Menge der Antikörper, jemand ist besser oder weniger gut geschützt. Aber dieses Wissen ist einfach nicht da.
Lothar Wieler
Recht klare Tendenzen
Es gibt dazu aber auch andere wissenschaftliche Einschätzungen über die Aussagekraft des Antikörpertests (die offenbar auch Karl Lauterbach teilt). Andreas Bobrowski, Vorstandsvorsitzender des Berufsverbands Deutscher Laborärzte, nannte vor einigen Monaten folgende Faustregel:
Liegt der Antikörperspiegel unter einem Wert von 21,8 BAU, hat die Person mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Immunschutz gegen Corona. Über einem Wert von 44 BAU, hat die Person mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Immunschutz gegen Corona. (…) Generell können wir zwar davon ausgehen, dass eine Person mit einem BAU-Wert von über 1000 durchaus einen Vollschutz hat. Ob das allerdings nicht vielleicht schon bei 30 oder 40 der Fall ist, können wir im Moment noch nicht sagen.
Andreas Bobrowski
Patienten mit einem Wert von über 1.000 rät er aber generell von einer Drittimpfung ab: "Ihr Antikörpertiter ist hoch genug." Auf Anfrage von Telepolis hat Andreas Bobrowski ausdrücklich bekräftigt, dass er weiterhin von der Gültigkeit dieser Faustregel überzeugt sei.
Es gibt auch konkrete Forschungsergebnisse zu den konkreten Werten der Antikörper und dem damit einhergehenden Schutz. So lautet das Ergebnis einer Studie in Nature Medicine: Ein BAU-Wert von 264 schütze zu 80 Prozent vor einer symptomatischen Infektion in den nächsten vier bis sechs Monaten. Ein BAU-Wert von 899 schütze zu 90 Prozent.
An dieser Stelle gilt es – gerade auch im Hinblick auf die Einschätzung des RKI – festzuhalten, dass Werte um 80 und 90 Prozent ausgesprochen gute Ergebnisse sind. Selbstverständlich geben sie keine hundertprozentige Sicherheit.
Allerdings übertreffen diese Resultate deutlich die Ergebnisse des Impfschutzes, so dass es nicht einsichtig ist, warum den Resultaten des Antikörpertests grundsätzlich nicht vertraut wird, wenn es um die Bestimmung von Genesenen und deren Immunschutz geht.