DIHT fordert Einwanderungsgesetz
Positionspapier "Einwanderung - Acht Leitlinien für ein offenes Deutschland"
Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT, Hans Peter Stihl, hat ein Einwanderungsgesetz für Deutschland gefordert. Er erwartet, dass eine entsprechende Gesetzesinitiative noch in dieser Legislaturperiode erfolgen wird. Ein Acht-Punkte-Positionspapier wurde auf der DIHT-Vollversammlung in Hannover verabschiedet. Gleichzeitig kündigte der 68-Jährige an, dass er im Frühjahr 2001 nicht mehr für den DIHT-Vorsitz kandidieren werde.
"Bei über drei Millionen Arbeitslosen klingt unsere Forderung paradox, aber unsere jüngste Sommerumfrage hat gezeigt, dass Fachkräftemangel bereits zu einem Hemmschuh für Konjunktur und Wachstum geworden ist", sagte Stihl anlässlich der Vollversammlung in Hannover. Man erwartet von dieser Initiative eine wirtschaftsfreundliche Regelung, will dabei aber die Grundlagen der Asylgesetzgebung nicht berühren.
Doch während einer Podiumsdiskussion im Deutschen Pavillon auf der EXPO 2000 wurde immer wieder die Rolle von illegal in Deutschland lebenden Ausländern angesprochen, was auch für eine angespannte Grundstimmung im Saal sorgte. Zwar sprach man von inzwischen verbesserten Ausbildungssituationen für ausländische Jugendliche, doch beklagte man sich zugleich über mangelnde Bildungsabschlüsse. So werden wohl immer mehr ausländische Jugendliche in kaufmännischen Berufen ausgebildet, doch im IT-Bereich sind sie noch sehr gering vertreten. Der Vizepräsident betonte, dass jeder ausbildungswillige Ausländer auch eine Ausbildungsstätte finde werde.
Deutlich wurde, dass der Wirtschaft nur der willkommen ist, der auch seinen Beitrag für die deutsche Wirtschaft leisten kann. So fordert man zum Beispiel jährlich veränderbare Quoten, um einen gezielten Bedarf von qualifizierten Arbeitskräften abdecken zu können. Noch einmal ausdrücklich wurde die schnelle Umsetzung der Greencard hervorgehoben, um zugleich auf die Einschränkungen der Maßnahme hinzuweisen. Noch dürfen zum Beispiel diese Fachleute nur fünf Jahre in Deutschland verbleiben. Der DIHT vermisst ein Klima der freundschaftlichen Aufnahme dieser Fachleute und schürt zugleich das Feuer. Das Asylverfahren solle beschleunigt werden und Asylanten sollten arbeiten können, denn sonst könne man "in dörflichen Bereichen den Bewohnern nicht klarmachen, dass die Asylbewerber wirtschaftlich besser gestellt sind als die Einheimischen", so Stihl auf die Frage der Klimaverbesserungsmöglichkeiten.
Auch wenn man dem DIHT-Präsidenten und Unternehmer keine ausländerfeindliche Gesinnung unterstellen will, dient eine solche Darstellung jedoch auch den Rechtsextremisten als Argumentationskette. Stihl setzt noch hinzu, dass bei den Fachkräften, die in Deutschland arbeiten wollen, durch Überfälle auf Ausländer keine Verunsicherung aufkommen dürfe. Zumindest stellt man auf diese Weise ein Klassensystem von willkommenen und unerwünschten Ausländern in den Raum. Integration scheint nach Ansicht des DIHT durch Einbürgerung und Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft zu bestehen.
Aus dem Positionspapier:
- Ein Punktesystem soll die Zuwanderer bewerten. Sie sollen dadurch leichter in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft integrierbar sein. Kontingente sollen den Veränderungen des Marktes anpassbar sein.
- Das Gesetz darf nicht zum bürokratischen Hürdenlauf für die Bewerber werden. Das Verfahren soll möglichst unbürokratisch von einer zentralen Anlaufstelle abgewickelt werden.
- Perspektiven für die Familien der Einwanderer. "Letztlich sollte sie zur deutschen Staatbürgerschaft führen."
- Bildung muss sich stärker an den Bedürfnissen der Wirtschaft ausrichten.
- "Ein Studentenbleiberecht ist notwendig", um Perspektiven bereits zu Studienbeginn zu eröffnen.
- Reform der deutschen Hochschulen mit verkürzten Studienzeiten, Betreuung der Studenten, internationales Marketing, Studiengebühren.
- "Deutschland muss ein attraktives Einwanderungsland sein. Wir werden Einwanderer nur dann anziehen, wenn sie sich in unserem Land wohl und sicher fühlen. Politik, Wirtschaft und Bürger sind hier in der Pflicht: Unternehmen, die Fachkräfte aus dem Ausland anwerben, müssen sich um Integration bemühen. Gesellschaft und Bürger müssen Einwanderern Angebote zur Integration auf allen Ebenen machen, die Bandbreite reicht vom Deutschkurs bis zur freundlichen Aufnahme des neuen Mitbürgers in Wirtschaft und Gesellschaft."
Es ist kaum nachvollziehbar, warum auf der einen Seite die soziale Hilfestellung für Asylanten begrenzt werden soll, wir fast vier Millionen Arbeitslose haben und auf der anderen Seite der Wirtschaft ein flexibles Arbeitsmarktinstrument durch ein jederzeit quotierbares Einwanderervolumen zur Verfügung gestellt werden soll, wenn aus dem Potenzial der Arbeitslosen nicht auch durch ausreichende Qualifizierungsmaßnahmen der allseits beschworene Fachkräftemangel zu beheben ist.
Besonders durch den Boom der IT-Wirtschaft wurde die Industrie in Deutschland überrascht. Niemand hat diesen Wirtschaftsfaktor richtig vorausgesehen oder ernst genommen. Erst durch verspätete Ausbildungsmaßnahmen wurde deutlich, dass hier trotzdem der Bedarf nicht zu decken ist. Jetzt ist man endlich wach geworden. Dann werden Forderungen laut gestellt und der "Wirtschaftskanzler" rotiert und zaubert schnell die Greencard aus dem Hut. Mit einem Zuwanderungsgesetz will man nun noch mehr Flexibilität für konjunkturelle Schwankungen in die Hand bekommen. Willkommen ist jeder, der eine hohe Qualifikation mitbringt, doch als Zeichen seiner Integration sollte er auch deutscher Staatsbürger werden. Alle anderen sollen sich an den engen Maschen der Asylgesetzgebung orientieren, "illegale" Wirtschaftsflüchtlinge sind nicht willkommen und sollten schnellst möglichst wieder abgeschoben werden.
Das DIHT-Positionspapier bietet keine langfristigen Perspektiven, denn ohne eine Intensivierung der Ausbildung wird der Fachkräftemangel in den nächsten 15 Jahren noch eklatanter. Vural Öger, geschäftsführender Gesellschafter der Öger Tours und Mitglied der Zuwandererkommission, berichtete auf dem DIHT-Symposium von derzeit noch 18 Millionen Menschen unter 20 Jahren und stellt dagegen die Prognose in den Raum, dass 2015 nur fünf Millionen zur Ausbildung zur Verfügung stünden. Er ließ dabei durchblicken, dass man dann wohl Einwanderer brauche und warnt vor einer kurzfristigen Sichtweise der Arbeitsmarktlage. Schon heute gibt es nach Ögers Ansicht "mehr Aus- als Zuwanderer".
Im Deckmantel der "Wettbewerbsfähigkeit" wird hier ein Steuerungsinstrument für die Wirtschaft gefordert. Der Mensch und das Menschenrecht auf eine eigene Identität bleiben auf der Strecke. In altbewährter Gutsherrenmentalität werden schnelle und flexible Gesetze gefordert, die den globalen Menschen zu einer frei verschiebbaren Ware zum Zweck der besseren Rendite degradiert. Durch einen frei im Wind agierenden Bundeskanzler wird es dann schon gerichtet.